Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.welche sie von dem Adel zur Jnsurrection erhalten hatten, gegen denselben Auch auf diesen, die nördlichste Spitze von Oestreichisch-Polen, die sich "Ich war seit dem Winter des Jahres 1843 in Sieniawa. einem Städtchen welche sie von dem Adel zur Jnsurrection erhalten hatten, gegen denselben Auch auf diesen, die nördlichste Spitze von Oestreichisch-Polen, die sich „Ich war seit dem Winter des Jahres 1843 in Sieniawa. einem Städtchen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283403"/> <p xml:id="ID_118" prev="#ID_117"> welche sie von dem Adel zur Jnsurrection erhalten hatten, gegen denselben<lb/> richteten; alle Adeligen und deren Anhänger, welche die Bauern in ihre Ge¬<lb/> walt bekamen, wurden theils getödtet, theils mißhandelt und der Regierung<lb/> zur Einkerkerung ausgeliefert. Ganze Familien, wie die des Grafen Rej und<lb/> die Familie Bogusz wurden ausgerottet. Ein gewesener östreichischer Corpora!<lb/> Namens Schello war der verruchteste unter den Rädelsführern der Bauern.<lb/> Weit entfernt, dem Treiben der letzteren irgend Einhalt zu thun, feuerten die<lb/> Beamten dieselben noch mehr an, nahmen die Gefangenen entgegen und sollen<lb/> sogar, wie manche sie beschuldigen. Preise für eingelieferte Adelige gezahlt<lb/> haben. Daß dergleichen Beschuldigungen nicht ohne Grund waren, daß<lb/> wenigstens die Bauern nicht ohne gewisse Aufträge sich wußten, geht aus der<lb/> nun folgenden Geschichte deutlich hervor, deren Schauplatz der östlich an den<lb/> tarnower grenzende rzeszower Kreis ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_119"> Auch auf diesen, die nördlichste Spitze von Oestreichisch-Polen, die sich<lb/> zwischen Weichsel und San ^ hineinzwängt, hatten sich die Nottirungen des<lb/> Landvolks, wenn auch in geringerem Maßstabe erstreckt. Jnsurgententrupps<lb/> scheinen dort nicht gewesen zu sein; nichtsdestoweniger zogen die Bauern, mit<lb/> Knütteln, Dreschflegeln, Mistgabeln und Sensen bewaffnet, kaum, nahmen<lb/> ihre adeligen Herren gefangen, mißhandelten sie und schlugen sie entweder todt<lb/> oder lieferten sie der Kreisbehörde in Rzeszow aus. Letzteres Schicksal theilte<lb/> — unschuldigerweise, wie sicherlich manche andere — auch ein aus Danzig<lb/> gebürtiger Kaufmann. Lassen wir ihn selbst erzählen, welche unglaublichen Roh-<lb/> heiten er von den galizischen Bauern erduldete, und wie es ihm nachher bei<lb/> den k. k. Behörden nicht viel besser erging — man wird ein Bild erhalten,<lb/> das, wenn es nicht durch amtliche Protokolle beglaubigt wäre, kaum in unserm<lb/> Jahrhundert und in einem von deutschen Herrschern regierten Lande für möglich<lb/> gehalten werden würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_120" next="#ID_121"> „Ich war seit dem Winter des Jahres 1843 in Sieniawa. einem Städtchen<lb/> des przemysler Kreises am San, wohnhaft und daselbst als antheilhabender<lb/> Geschäftsführer des Hauses I. und O. zu Warschau mit dem Einkauf und der<lb/> Spedition von Holz beschäftigt. Das Holz wurde von mir meistens von den<lb/> großen Grundbesitzern gekauft, im Winter gefällt, nach dem San oder dem<lb/> nächsten flößbaren Wasser hinuntergeschafft, zu Flößen, oder wie wir an der<lb/> Weichsel sagen, „Träster" zusammengeschlagen, und sobald der San und die<lb/> Weichsel im Frühjahr eisfrei waren, nach Warschau, resp. Danzig entsendet.<lb/> Ich war seit vielen Jahren in Polen allerorten herumgekommen, sprach und<lb/> spreche noch fertig polnisch und verstand auch, da ich fortwährend mit Holz¬<lb/> hauern, Juden und ähnlichen Leuten zu thun hatte, ihr Platt vollkommen.<lb/> Im äußeren Aufzuge war ich vollkommen polonisirt; in hohen Stiefeln, Kulla,<lb/> viereckiger Pelzmütze, mit starkem schwarzen Barte, dazu dem geläufigen Pol-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
welche sie von dem Adel zur Jnsurrection erhalten hatten, gegen denselben
richteten; alle Adeligen und deren Anhänger, welche die Bauern in ihre Ge¬
walt bekamen, wurden theils getödtet, theils mißhandelt und der Regierung
zur Einkerkerung ausgeliefert. Ganze Familien, wie die des Grafen Rej und
die Familie Bogusz wurden ausgerottet. Ein gewesener östreichischer Corpora!
Namens Schello war der verruchteste unter den Rädelsführern der Bauern.
Weit entfernt, dem Treiben der letzteren irgend Einhalt zu thun, feuerten die
Beamten dieselben noch mehr an, nahmen die Gefangenen entgegen und sollen
sogar, wie manche sie beschuldigen. Preise für eingelieferte Adelige gezahlt
haben. Daß dergleichen Beschuldigungen nicht ohne Grund waren, daß
wenigstens die Bauern nicht ohne gewisse Aufträge sich wußten, geht aus der
nun folgenden Geschichte deutlich hervor, deren Schauplatz der östlich an den
tarnower grenzende rzeszower Kreis ist.
Auch auf diesen, die nördlichste Spitze von Oestreichisch-Polen, die sich
zwischen Weichsel und San ^ hineinzwängt, hatten sich die Nottirungen des
Landvolks, wenn auch in geringerem Maßstabe erstreckt. Jnsurgententrupps
scheinen dort nicht gewesen zu sein; nichtsdestoweniger zogen die Bauern, mit
Knütteln, Dreschflegeln, Mistgabeln und Sensen bewaffnet, kaum, nahmen
ihre adeligen Herren gefangen, mißhandelten sie und schlugen sie entweder todt
oder lieferten sie der Kreisbehörde in Rzeszow aus. Letzteres Schicksal theilte
— unschuldigerweise, wie sicherlich manche andere — auch ein aus Danzig
gebürtiger Kaufmann. Lassen wir ihn selbst erzählen, welche unglaublichen Roh-
heiten er von den galizischen Bauern erduldete, und wie es ihm nachher bei
den k. k. Behörden nicht viel besser erging — man wird ein Bild erhalten,
das, wenn es nicht durch amtliche Protokolle beglaubigt wäre, kaum in unserm
Jahrhundert und in einem von deutschen Herrschern regierten Lande für möglich
gehalten werden würde.
„Ich war seit dem Winter des Jahres 1843 in Sieniawa. einem Städtchen
des przemysler Kreises am San, wohnhaft und daselbst als antheilhabender
Geschäftsführer des Hauses I. und O. zu Warschau mit dem Einkauf und der
Spedition von Holz beschäftigt. Das Holz wurde von mir meistens von den
großen Grundbesitzern gekauft, im Winter gefällt, nach dem San oder dem
nächsten flößbaren Wasser hinuntergeschafft, zu Flößen, oder wie wir an der
Weichsel sagen, „Träster" zusammengeschlagen, und sobald der San und die
Weichsel im Frühjahr eisfrei waren, nach Warschau, resp. Danzig entsendet.
Ich war seit vielen Jahren in Polen allerorten herumgekommen, sprach und
spreche noch fertig polnisch und verstand auch, da ich fortwährend mit Holz¬
hauern, Juden und ähnlichen Leuten zu thun hatte, ihr Platt vollkommen.
Im äußeren Aufzuge war ich vollkommen polonisirt; in hohen Stiefeln, Kulla,
viereckiger Pelzmütze, mit starkem schwarzen Barte, dazu dem geläufigen Pol-
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