Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.und wie es scheint, predigte er sie anfangs sogar in einer ziemlich unreinen ."Wenn sich einmal das Bestehende überlebt hat und e.ne gänzliche Umän- und wie es scheint, predigte er sie anfangs sogar in einer ziemlich unreinen .„Wenn sich einmal das Bestehende überlebt hat und e.ne gänzliche Umän- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283848"/> <p xml:id="ID_1429" prev="#ID_1428"> und wie es scheint, predigte er sie anfangs sogar in einer ziemlich unreinen<lb/> Form. Er sagt nämlich nicht, daß die Seele ein eignes Leben habe, auch nach<lb/> dem Tode des Körpers fortbestehe und am Gerichtstage wieder mit demselben<lb/> vereinigt werde, sondern (ganz wie die altchristliche Kirche), daß die Menschen<lb/> der Auferstehung wieder zum Leben erweckt werden. Nach ihrer zweiten<lb/> Geburt leben sie allerdings ewig fort. Sein Glaube an „das Buch" und an<lb/> die Identität aller geoffenbarten Religionen verleitete ihn, auf die Form deS<lb/> Cultus. insofern er nur dem Allah dargebracht werde, kein Gewicht zu legen.<lb/> Wie schön auch diese Lehre ist, so ist sie doch unpraktisch, und seine Religion<lb/> wäre wie frühere derartige Versuche zerronnen, wenn ihn die Umstände nicht<lb/> genöthigt hätten, ihr einen exclusiver Charakter zu geben. Sein Augenmerk<lb/> war einige Zeit besonders daraus gerichtet, die Anerkennung der Juden und<lb/> Christen zu gewinnen, während, wie der Erfolg zeigte und er hätte voraussehen<lb/> können, sein natürlicher Wirkungskreis unter den Arabern lag. Nach seiner<lb/> persönlichen Ansicht war Behutsamkeit (Takwa). furchtsames Ausweichen und<lb/> Wohl auch Gottesfurcht die Haupttugend eines Gläubigen. Die Umstände<lb/> haben ihn gezwungen, kriegerischem Unternehmungsgeist und kühner Todesver¬<lb/> achtung die Märtyrerkrone und die höchste Belohnung im Paradiese zuzusprechen.<lb/> Ohne diesen Umschwung wäre der Islam nie die Religion der erobernden no-<lb/> wadischen Völker geworden, denen er seine Größe verdankt. Kurz, in allen<lb/> seinen Lehren, sofern sie die Frucht seines eigenen Genius sind, vermag ich<lb/> Weder Originalität, noch Genie, noch kluge Berechnung zu erblicken. Der Geist<lb/> der Schule, aus der er hervorgegangen, und deren Einfluß ihm bis an sein<lb/> Lebensende anhing, ist mönchische Entsagung und Sckwärmerei. der Geist der<lb/> Schule, welche er stiftete, ist siegesgewisse Kraft und Klarheit. N.ehe ihm.<lb/> sondern thatkräftigen Männern wie Omar. Hamza und Abd al Rahman den Aos.<lb/> deren es in Arabien so viele giebt, noch mehr aber den äußern Verhältnissen<lb/> verdankt seine Lehre diesen Umschwung, und es wäre ein großes Gluck für sie,<lb/> Wenn er seine frühesten Offenbarungen mit wenigen Ausnahmen hatte unter¬<lb/> drücken können. Es ist allerdings ein Verdienst, daß er die Bedürfnisse der<lb/> Zeit beredt und kräftig aussprach.' aber wahrscheinlich hätte der Dichter Omayya<lb/> den Abp Salt dasselbe zu leisten vermocht. ,„., „</p><lb/> <p xml:id="ID_1430" next="#ID_1431"> .„Wenn sich einmal das Bestehende überlebt hat und e.ne gänzliche Umän-<lb/> derung noththut, so hängt der Erfolg des Reformators nicht von der Form<lb/> seines Programms (denn dieses macht sich im Verlauf der Sache von selbst)<lb/> ändern von ganz andern Dingen ab. Es gehe ein Mann nach Deutschland<lb/> wir einem tadellosen Project des heißersehnten Bundesstaates, so w.rd er doch<lb/> nichts ausrichten. Wenn aber ein patriotischer Fürst wie V.ctor Emanuel. em<lb/> Unger Staatsmann wie Cavour und ein enthusiastischer uneigennütziger<lb/> desen w.e Garibaldi aufstanden, so würde sich das Erreichbare auch ohne em</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
und wie es scheint, predigte er sie anfangs sogar in einer ziemlich unreinen
Form. Er sagt nämlich nicht, daß die Seele ein eignes Leben habe, auch nach
dem Tode des Körpers fortbestehe und am Gerichtstage wieder mit demselben
vereinigt werde, sondern (ganz wie die altchristliche Kirche), daß die Menschen
der Auferstehung wieder zum Leben erweckt werden. Nach ihrer zweiten
Geburt leben sie allerdings ewig fort. Sein Glaube an „das Buch" und an
die Identität aller geoffenbarten Religionen verleitete ihn, auf die Form deS
Cultus. insofern er nur dem Allah dargebracht werde, kein Gewicht zu legen.
Wie schön auch diese Lehre ist, so ist sie doch unpraktisch, und seine Religion
wäre wie frühere derartige Versuche zerronnen, wenn ihn die Umstände nicht
genöthigt hätten, ihr einen exclusiver Charakter zu geben. Sein Augenmerk
war einige Zeit besonders daraus gerichtet, die Anerkennung der Juden und
Christen zu gewinnen, während, wie der Erfolg zeigte und er hätte voraussehen
können, sein natürlicher Wirkungskreis unter den Arabern lag. Nach seiner
persönlichen Ansicht war Behutsamkeit (Takwa). furchtsames Ausweichen und
Wohl auch Gottesfurcht die Haupttugend eines Gläubigen. Die Umstände
haben ihn gezwungen, kriegerischem Unternehmungsgeist und kühner Todesver¬
achtung die Märtyrerkrone und die höchste Belohnung im Paradiese zuzusprechen.
Ohne diesen Umschwung wäre der Islam nie die Religion der erobernden no-
wadischen Völker geworden, denen er seine Größe verdankt. Kurz, in allen
seinen Lehren, sofern sie die Frucht seines eigenen Genius sind, vermag ich
Weder Originalität, noch Genie, noch kluge Berechnung zu erblicken. Der Geist
der Schule, aus der er hervorgegangen, und deren Einfluß ihm bis an sein
Lebensende anhing, ist mönchische Entsagung und Sckwärmerei. der Geist der
Schule, welche er stiftete, ist siegesgewisse Kraft und Klarheit. N.ehe ihm.
sondern thatkräftigen Männern wie Omar. Hamza und Abd al Rahman den Aos.
deren es in Arabien so viele giebt, noch mehr aber den äußern Verhältnissen
verdankt seine Lehre diesen Umschwung, und es wäre ein großes Gluck für sie,
Wenn er seine frühesten Offenbarungen mit wenigen Ausnahmen hatte unter¬
drücken können. Es ist allerdings ein Verdienst, daß er die Bedürfnisse der
Zeit beredt und kräftig aussprach.' aber wahrscheinlich hätte der Dichter Omayya
den Abp Salt dasselbe zu leisten vermocht. ,„., „
.„Wenn sich einmal das Bestehende überlebt hat und e.ne gänzliche Umän-
derung noththut, so hängt der Erfolg des Reformators nicht von der Form
seines Programms (denn dieses macht sich im Verlauf der Sache von selbst)
ändern von ganz andern Dingen ab. Es gehe ein Mann nach Deutschland
wir einem tadellosen Project des heißersehnten Bundesstaates, so w.rd er doch
nichts ausrichten. Wenn aber ein patriotischer Fürst wie V.ctor Emanuel. em
Unger Staatsmann wie Cavour und ein enthusiastischer uneigennütziger
desen w.e Garibaldi aufstanden, so würde sich das Erreichbare auch ohne em
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |