Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sagung und Aufblick nach dem Jenseits war. jenen stolzen männlichen Zug gab,
mit dem er alle Hindernisse überwand und schließlich die halbe Welt eroberte.
Außerdem werden hier die beiden Auswanderungen nach Abyssinien geschildert,
die Feinde der im Entstehen begriffenen neuen Religion charakterisirt und die
verschiedenen Einflüsse ins Licht zu stellen gesucht, die auf dieselbe einwirkten.
Die bei weitem größere Hälfte des Bandes aber hat es mit der Lehre Moham-
mads zu thun, die der Verfasser aus zahlreich mitgetheilten Koranstellen ent-
Wickelt.

Der dritte Band endlich führt uns, die letzten zehn Jahre der Wirksamkeit
des Propheten schildernd, auf ein Gebiet, wo nur Nebensachen noch unsicher
sind und die Hypothese wenig mehr zu thun findet, und hier hat der Verfasser
durch geschickte Zusammenstellung des ihm zu Gebote stehenden reichen Materials
"n Bild geliefert, welches unsre Kenntniß von Mohammad und seiner Zeit
ganz entschieden und in den wichtigsten Beziehungen vermehrt. Während das
Vorhergehende mehr aus einer Reihe von Monographien besteht, als aus einer
fortlaufenden Lebensbeschreibung, haben wir hier ein einheitliches wohlgeordnetes
Ganze vor uns. Während Mohammad in der makkanischen Periode nur Denker
und Redner und sein Bild ein schwankendes, mehr oder minder verschwommenes
'se. tritt er uns hier als Herrscher und Feldherr und namentlich auch als Di¬
plomat handelnd entgegen, und wir haben einen festen Anhalt für unser Urtheil
über seinen Charakter. Zu loben ist, daß Sprenger hier von seiner im Vor-
hergehenden befolgten Methode abweicht, knapper und mehr als Historiker, wie
"is Sammler verfährt, aber wenn man im Auge behält, daß er nicht blos für
Fachzenvssen schreiben will, wird er zuweilen zu knapp, so daß wir. während
die ersten Bände zu viel Excursc enthielten, hier den Wunsch hegen können,
wehr Detail zu bekommen.

Höchst werthvoll für den Fachmann ist die Vorrede dieses Bandes, welche
Zunächst eine Geschichte des Korans giebt und sich dann mit den Gebieten der
'slamitischen Prophetenbiographie und der Sunna beschäftigt, auf welchen der
Verfasser in einem Grade zu Hause ist. wie kaum ein Gelehrter neben ihm.
ähnliches gilt von dem Abschnitt der Vo.rede über Korancommentare. Wir
sehen in diesen Erörterungen klar das Verfahren der muhammedanischen Patristik
und der theoloM)-juristisch-historischen Schulweisheit des Islam und namentlich
^ eifriges Bemühen, auch die kleinsten Brocken der Tradition zu sammeln und
bewahren, andrerseits aber auch alles, was unbequem ist. umzudeuten, ja
^"'bare Thatsachen durch Erfindungen zu ersetzen, was freilich anderswo auch
geschehen ist. Gleichfalls ein zu betonender Gewinn für die Wissenschaft rst.
Sprenger über die Genealogien sagt, von denen er nachweist, daß sie.
sie über die engere Familie hinausgreifen. entweder erdichtet sind oder
^nigsteus kein Verwandtschaftsverhältniß. sondern politische Beziehungen. Ver-


sagung und Aufblick nach dem Jenseits war. jenen stolzen männlichen Zug gab,
mit dem er alle Hindernisse überwand und schließlich die halbe Welt eroberte.
Außerdem werden hier die beiden Auswanderungen nach Abyssinien geschildert,
die Feinde der im Entstehen begriffenen neuen Religion charakterisirt und die
verschiedenen Einflüsse ins Licht zu stellen gesucht, die auf dieselbe einwirkten.
Die bei weitem größere Hälfte des Bandes aber hat es mit der Lehre Moham-
mads zu thun, die der Verfasser aus zahlreich mitgetheilten Koranstellen ent-
Wickelt.

Der dritte Band endlich führt uns, die letzten zehn Jahre der Wirksamkeit
des Propheten schildernd, auf ein Gebiet, wo nur Nebensachen noch unsicher
sind und die Hypothese wenig mehr zu thun findet, und hier hat der Verfasser
durch geschickte Zusammenstellung des ihm zu Gebote stehenden reichen Materials
"n Bild geliefert, welches unsre Kenntniß von Mohammad und seiner Zeit
ganz entschieden und in den wichtigsten Beziehungen vermehrt. Während das
Vorhergehende mehr aus einer Reihe von Monographien besteht, als aus einer
fortlaufenden Lebensbeschreibung, haben wir hier ein einheitliches wohlgeordnetes
Ganze vor uns. Während Mohammad in der makkanischen Periode nur Denker
und Redner und sein Bild ein schwankendes, mehr oder minder verschwommenes
'se. tritt er uns hier als Herrscher und Feldherr und namentlich auch als Di¬
plomat handelnd entgegen, und wir haben einen festen Anhalt für unser Urtheil
über seinen Charakter. Zu loben ist, daß Sprenger hier von seiner im Vor-
hergehenden befolgten Methode abweicht, knapper und mehr als Historiker, wie
"is Sammler verfährt, aber wenn man im Auge behält, daß er nicht blos für
Fachzenvssen schreiben will, wird er zuweilen zu knapp, so daß wir. während
die ersten Bände zu viel Excursc enthielten, hier den Wunsch hegen können,
wehr Detail zu bekommen.

Höchst werthvoll für den Fachmann ist die Vorrede dieses Bandes, welche
Zunächst eine Geschichte des Korans giebt und sich dann mit den Gebieten der
'slamitischen Prophetenbiographie und der Sunna beschäftigt, auf welchen der
Verfasser in einem Grade zu Hause ist. wie kaum ein Gelehrter neben ihm.
ähnliches gilt von dem Abschnitt der Vo.rede über Korancommentare. Wir
sehen in diesen Erörterungen klar das Verfahren der muhammedanischen Patristik
und der theoloM)-juristisch-historischen Schulweisheit des Islam und namentlich
^ eifriges Bemühen, auch die kleinsten Brocken der Tradition zu sammeln und
bewahren, andrerseits aber auch alles, was unbequem ist. umzudeuten, ja
^"'bare Thatsachen durch Erfindungen zu ersetzen, was freilich anderswo auch
geschehen ist. Gleichfalls ein zu betonender Gewinn für die Wissenschaft rst.
Sprenger über die Genealogien sagt, von denen er nachweist, daß sie.
sie über die engere Familie hinausgreifen. entweder erdichtet sind oder
^nigsteus kein Verwandtschaftsverhältniß. sondern politische Beziehungen. Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283842"/>
            <p xml:id="ID_1410" prev="#ID_1409"> sagung und Aufblick nach dem Jenseits war. jenen stolzen männlichen Zug gab,<lb/>
mit dem er alle Hindernisse überwand und schließlich die halbe Welt eroberte.<lb/>
Außerdem werden hier die beiden Auswanderungen nach Abyssinien geschildert,<lb/>
die Feinde der im Entstehen begriffenen neuen Religion charakterisirt und die<lb/>
verschiedenen Einflüsse ins Licht zu stellen gesucht, die auf dieselbe einwirkten.<lb/>
Die bei weitem größere Hälfte des Bandes aber hat es mit der Lehre Moham-<lb/>
mads zu thun, die der Verfasser aus zahlreich mitgetheilten Koranstellen ent-<lb/>
Wickelt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1411"> Der dritte Band endlich führt uns, die letzten zehn Jahre der Wirksamkeit<lb/>
des Propheten schildernd, auf ein Gebiet, wo nur Nebensachen noch unsicher<lb/>
sind und die Hypothese wenig mehr zu thun findet, und hier hat der Verfasser<lb/>
durch geschickte Zusammenstellung des ihm zu Gebote stehenden reichen Materials<lb/>
"n Bild geliefert, welches unsre Kenntniß von Mohammad und seiner Zeit<lb/>
ganz entschieden und in den wichtigsten Beziehungen vermehrt. Während das<lb/>
Vorhergehende mehr aus einer Reihe von Monographien besteht, als aus einer<lb/>
fortlaufenden Lebensbeschreibung, haben wir hier ein einheitliches wohlgeordnetes<lb/>
Ganze vor uns. Während Mohammad in der makkanischen Periode nur Denker<lb/>
und Redner und sein Bild ein schwankendes, mehr oder minder verschwommenes<lb/>
'se. tritt er uns hier als Herrscher und Feldherr und namentlich auch als Di¬<lb/>
plomat handelnd entgegen, und wir haben einen festen Anhalt für unser Urtheil<lb/>
über seinen Charakter. Zu loben ist, daß Sprenger hier von seiner im Vor-<lb/>
hergehenden befolgten Methode abweicht, knapper und mehr als Historiker, wie<lb/>
"is Sammler verfährt, aber wenn man im Auge behält, daß er nicht blos für<lb/>
Fachzenvssen schreiben will, wird er zuweilen zu knapp, so daß wir. während<lb/>
die ersten Bände zu viel Excursc enthielten, hier den Wunsch hegen können,<lb/>
wehr Detail zu bekommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1412" next="#ID_1413"> Höchst werthvoll für den Fachmann ist die Vorrede dieses Bandes, welche<lb/>
Zunächst eine Geschichte des Korans giebt und sich dann mit den Gebieten der<lb/>
'slamitischen Prophetenbiographie und der Sunna beschäftigt, auf welchen der<lb/>
Verfasser in einem Grade zu Hause ist. wie kaum ein Gelehrter neben ihm.<lb/>
ähnliches gilt von dem Abschnitt der Vo.rede über Korancommentare. Wir<lb/>
sehen in diesen Erörterungen klar das Verfahren der muhammedanischen Patristik<lb/>
und der theoloM)-juristisch-historischen Schulweisheit des Islam und namentlich<lb/>
^ eifriges Bemühen, auch die kleinsten Brocken der Tradition zu sammeln und<lb/>
bewahren, andrerseits aber auch alles, was unbequem ist. umzudeuten, ja<lb/>
^"'bare Thatsachen durch Erfindungen zu ersetzen, was freilich anderswo auch<lb/>
geschehen ist.  Gleichfalls ein zu betonender Gewinn für die Wissenschaft rst.<lb/>
Sprenger über die Genealogien sagt, von denen er nachweist, daß sie.<lb/>
sie über die engere Familie hinausgreifen. entweder erdichtet sind oder<lb/>
^nigsteus kein Verwandtschaftsverhältniß. sondern politische Beziehungen. Ver-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0489] sagung und Aufblick nach dem Jenseits war. jenen stolzen männlichen Zug gab, mit dem er alle Hindernisse überwand und schließlich die halbe Welt eroberte. Außerdem werden hier die beiden Auswanderungen nach Abyssinien geschildert, die Feinde der im Entstehen begriffenen neuen Religion charakterisirt und die verschiedenen Einflüsse ins Licht zu stellen gesucht, die auf dieselbe einwirkten. Die bei weitem größere Hälfte des Bandes aber hat es mit der Lehre Moham- mads zu thun, die der Verfasser aus zahlreich mitgetheilten Koranstellen ent- Wickelt. Der dritte Band endlich führt uns, die letzten zehn Jahre der Wirksamkeit des Propheten schildernd, auf ein Gebiet, wo nur Nebensachen noch unsicher sind und die Hypothese wenig mehr zu thun findet, und hier hat der Verfasser durch geschickte Zusammenstellung des ihm zu Gebote stehenden reichen Materials "n Bild geliefert, welches unsre Kenntniß von Mohammad und seiner Zeit ganz entschieden und in den wichtigsten Beziehungen vermehrt. Während das Vorhergehende mehr aus einer Reihe von Monographien besteht, als aus einer fortlaufenden Lebensbeschreibung, haben wir hier ein einheitliches wohlgeordnetes Ganze vor uns. Während Mohammad in der makkanischen Periode nur Denker und Redner und sein Bild ein schwankendes, mehr oder minder verschwommenes 'se. tritt er uns hier als Herrscher und Feldherr und namentlich auch als Di¬ plomat handelnd entgegen, und wir haben einen festen Anhalt für unser Urtheil über seinen Charakter. Zu loben ist, daß Sprenger hier von seiner im Vor- hergehenden befolgten Methode abweicht, knapper und mehr als Historiker, wie "is Sammler verfährt, aber wenn man im Auge behält, daß er nicht blos für Fachzenvssen schreiben will, wird er zuweilen zu knapp, so daß wir. während die ersten Bände zu viel Excursc enthielten, hier den Wunsch hegen können, wehr Detail zu bekommen. Höchst werthvoll für den Fachmann ist die Vorrede dieses Bandes, welche Zunächst eine Geschichte des Korans giebt und sich dann mit den Gebieten der 'slamitischen Prophetenbiographie und der Sunna beschäftigt, auf welchen der Verfasser in einem Grade zu Hause ist. wie kaum ein Gelehrter neben ihm. ähnliches gilt von dem Abschnitt der Vo.rede über Korancommentare. Wir sehen in diesen Erörterungen klar das Verfahren der muhammedanischen Patristik und der theoloM)-juristisch-historischen Schulweisheit des Islam und namentlich ^ eifriges Bemühen, auch die kleinsten Brocken der Tradition zu sammeln und bewahren, andrerseits aber auch alles, was unbequem ist. umzudeuten, ja ^"'bare Thatsachen durch Erfindungen zu ersetzen, was freilich anderswo auch geschehen ist. Gleichfalls ein zu betonender Gewinn für die Wissenschaft rst. Sprenger über die Genealogien sagt, von denen er nachweist, daß sie. sie über die engere Familie hinausgreifen. entweder erdichtet sind oder ^nigsteus kein Verwandtschaftsverhältniß. sondern politische Beziehungen. Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/489
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/489>, abgerufen am 15.01.2025.