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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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bericht des Verwaltungsraths erwähnt nur vier Zweigstiftungcn (Dresden,
Berlin. Wien und Weimar) als von ihrem Rechte selbständiger Verwilligung
Gebrauch machende. Nun ist aber die Umfrage bei sechs Verwaltungsratbs-
stiftungcn natürlich eine höchst weitläufige. Der Vorsitzende des alten Verwal¬
tungsraths hat, bei der schon berührten Besprechung des Jnterimisticums zu
verstehen gegeben, daß über dem zweimaligen Rundlaufe der vorörtlichen Vor¬
schläge acht Wochen verstrichen seien. Man urtheile danach, wie lange die
Petition eines wenig bekannten Schriftstellers unterwegs sein wird, zumal wo
noch das dichterische Material zu seiner Abschätzung mitreisen muß. Was sich
in derjenigen Zweigstiftung, die dem Petenten näher steht, vielleicht in einer
einzigen Sitzung erledigen ließe, kommt solcherart durch die schwerfällige Ge¬
schäftscentralisation der Verwaltung nach vieler Mühe und vielem Hin- und
Herschreiben wohl gar erst zum Austrag, wenn die Hilfe nichts mehr nützen kann.

Und überdies -- was ist denn bis jetzt geschehen, um den wirklich Ver¬
dienstvollen und Bedürftigen ihrer Versorger", die Schillerstiflung, näher zu
bringen? -- Eine frühere Kundgebung des Verwaltungsraths -- wenn wir
uns recht erinnern -- fügte den statutenmäßigen Bedingungen der Würdigkeit
und Bedürftigkeit auch noch das Requisit der Höflichkeit hinzu; man solle im
artigen Tone anklopfen, wenn man berücksichtigt sein wolle. Hinwider haben
wir nie eine Zeile gelesen, welche die Freunde oder Bekannten verschämter
Dichter zu desfallsigen vertraulichen Mittheilungen an die Schillerstiftung einlud
oder ihnen auch nur die wünschenswertheste Form für dergleichen Verwendungen
und die Personen, an welche solche zu richten seien, nachwiesen. Das Publikum
ist über Eins wie das Andere so selten aufgeklärt worden, daß es die Lösung
der Schillerstlftungsaufgabe fast ausschließlich den damit amilich Betrauten über¬
lassen zu sollen glaubte und wahrscheinlich sehr erstaunt sein wird, sich hier an
eine versäumte Pflicht gemahnt zu sehen. Die natürliche Folge einer solchen
Abschließung ist aber das Unbekanntbleibcn einer großen Anzahl untcrstützungs-
würdiger Fälle, wogegen die Zudringlichkeiten von Unwürdigen den Verwaltern
der Stiftung die Freude an ihrem Beruf nur zu rasch verkümmern. Das wirft
dann wieder einen Schatten der Bcttelhaftigkeit auf den ganzen Stand und
macht auch da mißtrauisch und zögernd, wo der Schmerz des Nehmenmüssens
ohnehin nur durch die entgegenkommendste Theilnahme einigermaßen gelindert
werden könnte.

Nach allem diesen glauben wir, daß von einem Ueberflusse bei der Schiller¬
stiftung nicht die Rede sein kann. Am wenigsten wird ein solcher nachweisbar
sein, wenn man sich die ausreichende Versorgung von Hinterlassenen
verdienstvoller Schriftsteller zur ernsten Aufgabe macht. Die Seinen
dereinst vor der Noth des Lebens geschützt wissen, das ist ohne Frage eine Be¬
ruhigung der wohlthuendsten Art, und wenn die Grundideen der Schillerstiftung
einmal so unbeirrbar zur Geltung gekommen sein werden, daß ein verdienst-


bericht des Verwaltungsraths erwähnt nur vier Zweigstiftungcn (Dresden,
Berlin. Wien und Weimar) als von ihrem Rechte selbständiger Verwilligung
Gebrauch machende. Nun ist aber die Umfrage bei sechs Verwaltungsratbs-
stiftungcn natürlich eine höchst weitläufige. Der Vorsitzende des alten Verwal¬
tungsraths hat, bei der schon berührten Besprechung des Jnterimisticums zu
verstehen gegeben, daß über dem zweimaligen Rundlaufe der vorörtlichen Vor¬
schläge acht Wochen verstrichen seien. Man urtheile danach, wie lange die
Petition eines wenig bekannten Schriftstellers unterwegs sein wird, zumal wo
noch das dichterische Material zu seiner Abschätzung mitreisen muß. Was sich
in derjenigen Zweigstiftung, die dem Petenten näher steht, vielleicht in einer
einzigen Sitzung erledigen ließe, kommt solcherart durch die schwerfällige Ge¬
schäftscentralisation der Verwaltung nach vieler Mühe und vielem Hin- und
Herschreiben wohl gar erst zum Austrag, wenn die Hilfe nichts mehr nützen kann.

Und überdies — was ist denn bis jetzt geschehen, um den wirklich Ver¬
dienstvollen und Bedürftigen ihrer Versorger», die Schillerstiflung, näher zu
bringen? — Eine frühere Kundgebung des Verwaltungsraths — wenn wir
uns recht erinnern — fügte den statutenmäßigen Bedingungen der Würdigkeit
und Bedürftigkeit auch noch das Requisit der Höflichkeit hinzu; man solle im
artigen Tone anklopfen, wenn man berücksichtigt sein wolle. Hinwider haben
wir nie eine Zeile gelesen, welche die Freunde oder Bekannten verschämter
Dichter zu desfallsigen vertraulichen Mittheilungen an die Schillerstiftung einlud
oder ihnen auch nur die wünschenswertheste Form für dergleichen Verwendungen
und die Personen, an welche solche zu richten seien, nachwiesen. Das Publikum
ist über Eins wie das Andere so selten aufgeklärt worden, daß es die Lösung
der Schillerstlftungsaufgabe fast ausschließlich den damit amilich Betrauten über¬
lassen zu sollen glaubte und wahrscheinlich sehr erstaunt sein wird, sich hier an
eine versäumte Pflicht gemahnt zu sehen. Die natürliche Folge einer solchen
Abschließung ist aber das Unbekanntbleibcn einer großen Anzahl untcrstützungs-
würdiger Fälle, wogegen die Zudringlichkeiten von Unwürdigen den Verwaltern
der Stiftung die Freude an ihrem Beruf nur zu rasch verkümmern. Das wirft
dann wieder einen Schatten der Bcttelhaftigkeit auf den ganzen Stand und
macht auch da mißtrauisch und zögernd, wo der Schmerz des Nehmenmüssens
ohnehin nur durch die entgegenkommendste Theilnahme einigermaßen gelindert
werden könnte.

Nach allem diesen glauben wir, daß von einem Ueberflusse bei der Schiller¬
stiftung nicht die Rede sein kann. Am wenigsten wird ein solcher nachweisbar
sein, wenn man sich die ausreichende Versorgung von Hinterlassenen
verdienstvoller Schriftsteller zur ernsten Aufgabe macht. Die Seinen
dereinst vor der Noth des Lebens geschützt wissen, das ist ohne Frage eine Be¬
ruhigung der wohlthuendsten Art, und wenn die Grundideen der Schillerstiftung
einmal so unbeirrbar zur Geltung gekommen sein werden, daß ein verdienst-


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[0376] bericht des Verwaltungsraths erwähnt nur vier Zweigstiftungcn (Dresden, Berlin. Wien und Weimar) als von ihrem Rechte selbständiger Verwilligung Gebrauch machende. Nun ist aber die Umfrage bei sechs Verwaltungsratbs- stiftungcn natürlich eine höchst weitläufige. Der Vorsitzende des alten Verwal¬ tungsraths hat, bei der schon berührten Besprechung des Jnterimisticums zu verstehen gegeben, daß über dem zweimaligen Rundlaufe der vorörtlichen Vor¬ schläge acht Wochen verstrichen seien. Man urtheile danach, wie lange die Petition eines wenig bekannten Schriftstellers unterwegs sein wird, zumal wo noch das dichterische Material zu seiner Abschätzung mitreisen muß. Was sich in derjenigen Zweigstiftung, die dem Petenten näher steht, vielleicht in einer einzigen Sitzung erledigen ließe, kommt solcherart durch die schwerfällige Ge¬ schäftscentralisation der Verwaltung nach vieler Mühe und vielem Hin- und Herschreiben wohl gar erst zum Austrag, wenn die Hilfe nichts mehr nützen kann. Und überdies — was ist denn bis jetzt geschehen, um den wirklich Ver¬ dienstvollen und Bedürftigen ihrer Versorger», die Schillerstiflung, näher zu bringen? — Eine frühere Kundgebung des Verwaltungsraths — wenn wir uns recht erinnern — fügte den statutenmäßigen Bedingungen der Würdigkeit und Bedürftigkeit auch noch das Requisit der Höflichkeit hinzu; man solle im artigen Tone anklopfen, wenn man berücksichtigt sein wolle. Hinwider haben wir nie eine Zeile gelesen, welche die Freunde oder Bekannten verschämter Dichter zu desfallsigen vertraulichen Mittheilungen an die Schillerstiftung einlud oder ihnen auch nur die wünschenswertheste Form für dergleichen Verwendungen und die Personen, an welche solche zu richten seien, nachwiesen. Das Publikum ist über Eins wie das Andere so selten aufgeklärt worden, daß es die Lösung der Schillerstlftungsaufgabe fast ausschließlich den damit amilich Betrauten über¬ lassen zu sollen glaubte und wahrscheinlich sehr erstaunt sein wird, sich hier an eine versäumte Pflicht gemahnt zu sehen. Die natürliche Folge einer solchen Abschließung ist aber das Unbekanntbleibcn einer großen Anzahl untcrstützungs- würdiger Fälle, wogegen die Zudringlichkeiten von Unwürdigen den Verwaltern der Stiftung die Freude an ihrem Beruf nur zu rasch verkümmern. Das wirft dann wieder einen Schatten der Bcttelhaftigkeit auf den ganzen Stand und macht auch da mißtrauisch und zögernd, wo der Schmerz des Nehmenmüssens ohnehin nur durch die entgegenkommendste Theilnahme einigermaßen gelindert werden könnte. Nach allem diesen glauben wir, daß von einem Ueberflusse bei der Schiller¬ stiftung nicht die Rede sein kann. Am wenigsten wird ein solcher nachweisbar sein, wenn man sich die ausreichende Versorgung von Hinterlassenen verdienstvoller Schriftsteller zur ernsten Aufgabe macht. Die Seinen dereinst vor der Noth des Lebens geschützt wissen, das ist ohne Frage eine Be¬ ruhigung der wohlthuendsten Art, und wenn die Grundideen der Schillerstiftung einmal so unbeirrbar zur Geltung gekommen sein werden, daß ein verdienst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/376>, abgerufen am 15.01.2025.