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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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in welchen die für sie bestimmten Glocken keinen Platz hatten, Brücken, von
welchen man, ohne deren augenblicklichen Einsturz^herbeizuführen, die Gerüste
nicht entfernen dürfte, Kanäle mit verkehrten Gefälle, Gebäude, die nach ihrer
Vollendung schon einfallen wollten, andere, bei denen wichtige Räumlichkeiten
vergessen waren, und die man deshalb umbauen mußte. Verwechslung der für
Gebäude verschiedener Bestimmung gehörenden Statuen und Ornamente. Kary¬
atiden, welche sammt den von ihnen getragenen Portalen ohne äußere Ver¬
anlassung stückweise auf die Vorübergehenden hinabbröckelten, gehörten beinahe
zu den alltäglichen Vorkommnissen. Der zahlreichen in Bild und Schrift, so¬
wie in dem Stil der Gebäude begangenen Anachronismen und sonstigen Mi߬
griffen soll hier gar keine Erwähnung geschehen.

Alle Stände und Provinzen hatten auf die Geburt des Kronprinzen die
Verschiedensten Hoffnungen gesetzt, da früher bei ähnlichen Anlässen umfassende
Gnadcnacte erlassen und großartige wohlthätige Stiftungen gegründet worden
waren. Diesmal schien nichts Derartiges geschehen zu sollen. In der letzten
Stunde aber wurde zur immerwährenden Erinnerung an das freudige Ereigniß
die Erbauung eines Spitales, und zwar eines Civilspitales angeordnet. Es
war dieses die erste wahrhaft und allgemein nützliche Schöpfung, welche von
der gegenwärtigen Regierung ins Leben gerufen wurde, und das betreffende Ge¬
bäude ist bis dato das letzte dieser Art geblieben, welches auf Staatskosten
aufgeführt wurde. Denn die seit den letzten acht bis zehn Jahren in Wien
und in den Provinzen entstandenen Humanitätsanstaltcn sind theils von An¬
fang an reine Privatunternehmungen, theils ist zwar ihr Bau von der Ne¬
uerung angeordnet oder auf vielfaches Drängen wenigstens genehmigt worden,
aber die Mittel dazu wurden nicht aus den gewöhnlichen Einnahmen des Staats¬
säckels bestritten, sondern mußten auf außerordentlichem Wege -- entweder
durch eine Lotterie oder durch directe Sammlung -- zusammengebracht werden.

Die Idee des Spitals war gut, aber man ging keineswegs mit besonderer
Eile an ihre Ausführung. Und zum Schlüsse wurde das Geld, welches man
zum vollständigen Ausbau des Nudolfspitales benöthigte, auf eine Weise her¬
beigeschafft, welche mit vollem Recht von dem Abgeordnetenhause und von der
öffentlichen Meinung für einen offenbaren Berfassungsbruch erklärt wurde. --
Das Gebäude wurde nachträglich mit allem nur denkbaren Pompe eingeweiht
und eröffnet, und es wurde, wie bei derartigen Gelegenheiten immer, Weihrauch
in übermäßiger Menge verbraucht. Bauverständige und Aerzte sind über die
Schönheit und zweckmäßige Einrichtung dieses Spitals ziemlich einig, aber "und
darüber, daß vieles Unnöthige hinzugefügt worden sei, sowie daß bei besserer
Verwaltung und Leitung und bei größerer Energie noch Vorzüglicheres zu bil¬
ligeren Preise und in kürzerer Zeit hätte geschaffen werden können.

Auf irgendeine Weise darauf aufmerksam gemacht, daß Wien an hervor-


in welchen die für sie bestimmten Glocken keinen Platz hatten, Brücken, von
welchen man, ohne deren augenblicklichen Einsturz^herbeizuführen, die Gerüste
nicht entfernen dürfte, Kanäle mit verkehrten Gefälle, Gebäude, die nach ihrer
Vollendung schon einfallen wollten, andere, bei denen wichtige Räumlichkeiten
vergessen waren, und die man deshalb umbauen mußte. Verwechslung der für
Gebäude verschiedener Bestimmung gehörenden Statuen und Ornamente. Kary¬
atiden, welche sammt den von ihnen getragenen Portalen ohne äußere Ver¬
anlassung stückweise auf die Vorübergehenden hinabbröckelten, gehörten beinahe
zu den alltäglichen Vorkommnissen. Der zahlreichen in Bild und Schrift, so¬
wie in dem Stil der Gebäude begangenen Anachronismen und sonstigen Mi߬
griffen soll hier gar keine Erwähnung geschehen.

Alle Stände und Provinzen hatten auf die Geburt des Kronprinzen die
Verschiedensten Hoffnungen gesetzt, da früher bei ähnlichen Anlässen umfassende
Gnadcnacte erlassen und großartige wohlthätige Stiftungen gegründet worden
waren. Diesmal schien nichts Derartiges geschehen zu sollen. In der letzten
Stunde aber wurde zur immerwährenden Erinnerung an das freudige Ereigniß
die Erbauung eines Spitales, und zwar eines Civilspitales angeordnet. Es
war dieses die erste wahrhaft und allgemein nützliche Schöpfung, welche von
der gegenwärtigen Regierung ins Leben gerufen wurde, und das betreffende Ge¬
bäude ist bis dato das letzte dieser Art geblieben, welches auf Staatskosten
aufgeführt wurde. Denn die seit den letzten acht bis zehn Jahren in Wien
und in den Provinzen entstandenen Humanitätsanstaltcn sind theils von An¬
fang an reine Privatunternehmungen, theils ist zwar ihr Bau von der Ne¬
uerung angeordnet oder auf vielfaches Drängen wenigstens genehmigt worden,
aber die Mittel dazu wurden nicht aus den gewöhnlichen Einnahmen des Staats¬
säckels bestritten, sondern mußten auf außerordentlichem Wege — entweder
durch eine Lotterie oder durch directe Sammlung — zusammengebracht werden.

Die Idee des Spitals war gut, aber man ging keineswegs mit besonderer
Eile an ihre Ausführung. Und zum Schlüsse wurde das Geld, welches man
zum vollständigen Ausbau des Nudolfspitales benöthigte, auf eine Weise her¬
beigeschafft, welche mit vollem Recht von dem Abgeordnetenhause und von der
öffentlichen Meinung für einen offenbaren Berfassungsbruch erklärt wurde. —
Das Gebäude wurde nachträglich mit allem nur denkbaren Pompe eingeweiht
und eröffnet, und es wurde, wie bei derartigen Gelegenheiten immer, Weihrauch
in übermäßiger Menge verbraucht. Bauverständige und Aerzte sind über die
Schönheit und zweckmäßige Einrichtung dieses Spitals ziemlich einig, aber «und
darüber, daß vieles Unnöthige hinzugefügt worden sei, sowie daß bei besserer
Verwaltung und Leitung und bei größerer Energie noch Vorzüglicheres zu bil¬
ligeren Preise und in kürzerer Zeit hätte geschaffen werden können.

Auf irgendeine Weise darauf aufmerksam gemacht, daß Wien an hervor-


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[0329] in welchen die für sie bestimmten Glocken keinen Platz hatten, Brücken, von welchen man, ohne deren augenblicklichen Einsturz^herbeizuführen, die Gerüste nicht entfernen dürfte, Kanäle mit verkehrten Gefälle, Gebäude, die nach ihrer Vollendung schon einfallen wollten, andere, bei denen wichtige Räumlichkeiten vergessen waren, und die man deshalb umbauen mußte. Verwechslung der für Gebäude verschiedener Bestimmung gehörenden Statuen und Ornamente. Kary¬ atiden, welche sammt den von ihnen getragenen Portalen ohne äußere Ver¬ anlassung stückweise auf die Vorübergehenden hinabbröckelten, gehörten beinahe zu den alltäglichen Vorkommnissen. Der zahlreichen in Bild und Schrift, so¬ wie in dem Stil der Gebäude begangenen Anachronismen und sonstigen Mi߬ griffen soll hier gar keine Erwähnung geschehen. Alle Stände und Provinzen hatten auf die Geburt des Kronprinzen die Verschiedensten Hoffnungen gesetzt, da früher bei ähnlichen Anlässen umfassende Gnadcnacte erlassen und großartige wohlthätige Stiftungen gegründet worden waren. Diesmal schien nichts Derartiges geschehen zu sollen. In der letzten Stunde aber wurde zur immerwährenden Erinnerung an das freudige Ereigniß die Erbauung eines Spitales, und zwar eines Civilspitales angeordnet. Es war dieses die erste wahrhaft und allgemein nützliche Schöpfung, welche von der gegenwärtigen Regierung ins Leben gerufen wurde, und das betreffende Ge¬ bäude ist bis dato das letzte dieser Art geblieben, welches auf Staatskosten aufgeführt wurde. Denn die seit den letzten acht bis zehn Jahren in Wien und in den Provinzen entstandenen Humanitätsanstaltcn sind theils von An¬ fang an reine Privatunternehmungen, theils ist zwar ihr Bau von der Ne¬ uerung angeordnet oder auf vielfaches Drängen wenigstens genehmigt worden, aber die Mittel dazu wurden nicht aus den gewöhnlichen Einnahmen des Staats¬ säckels bestritten, sondern mußten auf außerordentlichem Wege — entweder durch eine Lotterie oder durch directe Sammlung — zusammengebracht werden. Die Idee des Spitals war gut, aber man ging keineswegs mit besonderer Eile an ihre Ausführung. Und zum Schlüsse wurde das Geld, welches man zum vollständigen Ausbau des Nudolfspitales benöthigte, auf eine Weise her¬ beigeschafft, welche mit vollem Recht von dem Abgeordnetenhause und von der öffentlichen Meinung für einen offenbaren Berfassungsbruch erklärt wurde. — Das Gebäude wurde nachträglich mit allem nur denkbaren Pompe eingeweiht und eröffnet, und es wurde, wie bei derartigen Gelegenheiten immer, Weihrauch in übermäßiger Menge verbraucht. Bauverständige und Aerzte sind über die Schönheit und zweckmäßige Einrichtung dieses Spitals ziemlich einig, aber «und darüber, daß vieles Unnöthige hinzugefügt worden sei, sowie daß bei besserer Verwaltung und Leitung und bei größerer Energie noch Vorzüglicheres zu bil¬ ligeren Preise und in kürzerer Zeit hätte geschaffen werden können. Auf irgendeine Weise darauf aufmerksam gemacht, daß Wien an hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/329>, abgerufen am 15.01.2025.