Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Man prüfte die rechtliche Verpflichtung die man verneinen mußte, die That von Es war dies nicht das einzige Mal, daß die Negierung unerwartet einen Sieg Man prüfte die rechtliche Verpflichtung die man verneinen mußte, die That von Es war dies nicht das einzige Mal, daß die Negierung unerwartet einen Sieg <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283606"/> <p xml:id="ID_693" prev="#ID_692"> Man prüfte die rechtliche Verpflichtung die man verneinen mußte, die That von<lb/> Ocvcrsce schien nicht hervorragend genug, um einen außerordentlichen Act der Er¬<lb/> kenntlichkeit zu rechtfertigen, und die Unverbesserlichen, kalt gegen die beweglichen<lb/> Gründe der Minister und Ministeriellen, beleuchteten die patriarchalische Anschauung,<lb/> welche aus der Vorlage der Regierung sprach, und fügten hinzu, wenn der Herzog<lb/> in östreichischen Diensten Außerordentliches geleistet, so sei es ja'wohl an Oestreich,<lb/> ihn außerordentlich zu belohnen. Allein nach hitzigem Gefecht erwies sich die An¬<lb/> hänglichkeit an die Angestammten und der Glanz des Tages von Oeversee, wohl<lb/> auch die unbestrittene persönliche Tüchtigkeit und Liebenswürdigkeit des Prinzen,<lb/> über welche im Foyer der Kammer anmuthige Anekdoten vertraulich in Umlauf ge¬<lb/> setzt worden waren, mächtiger als jene ökonomisch-kritischen Bedenken. Die Er¬<lb/> höhung der Apanage wurde beschlossen, freilich nur mit winziger Mehrheit und<lb/> auch dann nicht in dem von der Negierung gewünschten Betrag.</p><lb/> <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> Es war dies nicht das einzige Mal, daß die Negierung unerwartet einen Sieg<lb/> erfocht. Damals als der Landtag gewählt wurde, ergab die Abzählung der Stim¬<lb/> men unstreitig ein Uebergewicht der Linken. Aber man muß gestehen, daß diese so¬<lb/> genannte Kammermehrhcit nicht selten großmüthig genug ist, keinen Gebrauch von<lb/> ihrer numerischen Ueberlegenheit zu machen. Namentlich hat man in neuerer Zeit<lb/> diese Bemerkung machen wollen, und böse Stimmen, offenbar nicht darauf bedacht,<lb/> das Ansehen der Landesvertretung zu mehren, behaupten, es hänge dies mit der<lb/> verbindlichen und gewinnenden Art zusammen, mit welcher Herr v. Varnbüler als<lb/> Minister der Verkehrsanstalten die verschiedenen Bezirke des Landes theils mit Eisen¬<lb/> bahnen zu erfreuen, theils inzwischen wenigstens mit gnädigen Versprechungen in<lb/> dieser Beziehung zu vertrösten wußte. Die Eisenbahnen spielten während dieses<lb/> Landtags eine große Rolle. Projecte häuften sich in der Presse, Deputationen in<lb/> der Hauptstadt. Zwischen den Kirchthürmen nächstbcnachbarter Städtchen entspann<lb/> sich heftige Fehde, einzelne Landestheile waren hoch erregt von den wechselnden Ge¬<lb/> fühlen der Furcht und Hoffnung. Die Verdienste des Ministeriums um die Eisen¬<lb/> bahnsache sind unbestreitbar. Nicht nur gelang es ihm, gestützt auf die Vorarbeiten<lb/> seiner Vorgänger, endlich die lange schwebenden Anschlußverhandlungcn mit Baden<lb/> und Preußen glücklich zu Ende zu führen, sondern zum ersten Mal wurde, nach¬<lb/> dem bisher viel dilettantisch herumgcbaut worden war, ein umfassendes Bahnnctz<lb/> für das ganze Land vorgelegt. Dieses Netz ward mit allgemeiner Genugthuung<lb/> aufgenommen, in den bisher verkürzten Landestheilen steigerte sie sich zuweilen bis<lb/> zum Enthusiasmus, und Hr. v. Varnbüler genoß mit Stolz die Süßigkeit einer<lb/> ihm neuen Popularität. Wer in jenen Tagen die Dcmkrcsolutionen, die Danktoaste<lb/> und Dankdeputationcn zählte, mußte Hrn. v. Varnbühler für den populärsten aller<lb/> Minister halten. Und er war es. Er war es so sehr, daß bei einer heftig bestrit«<lb/> denen Bahnstrecke, nach einem langen publicistischen und nach hartnäckigem parlamenta¬<lb/> rischen Kampfe, der anfangs einen ganz andern Ausgang versprach, schließlich die<lb/> Wünsche des Ministers siegreich ans Ziel gelangten. Ihr Berichterstatter hat kein<lb/> Interesse daran, die große Streitfrage, ob Bodungen oder Leonberg wieder aufzu¬<lb/> nehmen. Der Schlachtruf, eine Zeit lang nicht minder hitzig als einst die Losung:<lb/> Hie Wels. hie Naivlingen! ist verstummt. Genug, Hr. v. Varnbüler wußte eine<lb/> Bahn durchzusetzen, für welche er sich außerordentlich zu interessiren schien; denn.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0253]
Man prüfte die rechtliche Verpflichtung die man verneinen mußte, die That von
Ocvcrsce schien nicht hervorragend genug, um einen außerordentlichen Act der Er¬
kenntlichkeit zu rechtfertigen, und die Unverbesserlichen, kalt gegen die beweglichen
Gründe der Minister und Ministeriellen, beleuchteten die patriarchalische Anschauung,
welche aus der Vorlage der Regierung sprach, und fügten hinzu, wenn der Herzog
in östreichischen Diensten Außerordentliches geleistet, so sei es ja'wohl an Oestreich,
ihn außerordentlich zu belohnen. Allein nach hitzigem Gefecht erwies sich die An¬
hänglichkeit an die Angestammten und der Glanz des Tages von Oeversee, wohl
auch die unbestrittene persönliche Tüchtigkeit und Liebenswürdigkeit des Prinzen,
über welche im Foyer der Kammer anmuthige Anekdoten vertraulich in Umlauf ge¬
setzt worden waren, mächtiger als jene ökonomisch-kritischen Bedenken. Die Er¬
höhung der Apanage wurde beschlossen, freilich nur mit winziger Mehrheit und
auch dann nicht in dem von der Negierung gewünschten Betrag.
Es war dies nicht das einzige Mal, daß die Negierung unerwartet einen Sieg
erfocht. Damals als der Landtag gewählt wurde, ergab die Abzählung der Stim¬
men unstreitig ein Uebergewicht der Linken. Aber man muß gestehen, daß diese so¬
genannte Kammermehrhcit nicht selten großmüthig genug ist, keinen Gebrauch von
ihrer numerischen Ueberlegenheit zu machen. Namentlich hat man in neuerer Zeit
diese Bemerkung machen wollen, und böse Stimmen, offenbar nicht darauf bedacht,
das Ansehen der Landesvertretung zu mehren, behaupten, es hänge dies mit der
verbindlichen und gewinnenden Art zusammen, mit welcher Herr v. Varnbüler als
Minister der Verkehrsanstalten die verschiedenen Bezirke des Landes theils mit Eisen¬
bahnen zu erfreuen, theils inzwischen wenigstens mit gnädigen Versprechungen in
dieser Beziehung zu vertrösten wußte. Die Eisenbahnen spielten während dieses
Landtags eine große Rolle. Projecte häuften sich in der Presse, Deputationen in
der Hauptstadt. Zwischen den Kirchthürmen nächstbcnachbarter Städtchen entspann
sich heftige Fehde, einzelne Landestheile waren hoch erregt von den wechselnden Ge¬
fühlen der Furcht und Hoffnung. Die Verdienste des Ministeriums um die Eisen¬
bahnsache sind unbestreitbar. Nicht nur gelang es ihm, gestützt auf die Vorarbeiten
seiner Vorgänger, endlich die lange schwebenden Anschlußverhandlungcn mit Baden
und Preußen glücklich zu Ende zu führen, sondern zum ersten Mal wurde, nach¬
dem bisher viel dilettantisch herumgcbaut worden war, ein umfassendes Bahnnctz
für das ganze Land vorgelegt. Dieses Netz ward mit allgemeiner Genugthuung
aufgenommen, in den bisher verkürzten Landestheilen steigerte sie sich zuweilen bis
zum Enthusiasmus, und Hr. v. Varnbüler genoß mit Stolz die Süßigkeit einer
ihm neuen Popularität. Wer in jenen Tagen die Dcmkrcsolutionen, die Danktoaste
und Dankdeputationcn zählte, mußte Hrn. v. Varnbühler für den populärsten aller
Minister halten. Und er war es. Er war es so sehr, daß bei einer heftig bestrit«
denen Bahnstrecke, nach einem langen publicistischen und nach hartnäckigem parlamenta¬
rischen Kampfe, der anfangs einen ganz andern Ausgang versprach, schließlich die
Wünsche des Ministers siegreich ans Ziel gelangten. Ihr Berichterstatter hat kein
Interesse daran, die große Streitfrage, ob Bodungen oder Leonberg wieder aufzu¬
nehmen. Der Schlachtruf, eine Zeit lang nicht minder hitzig als einst die Losung:
Hie Wels. hie Naivlingen! ist verstummt. Genug, Hr. v. Varnbüler wußte eine
Bahn durchzusetzen, für welche er sich außerordentlich zu interessiren schien; denn.
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