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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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wo zum Teufel will das zuletzt hinaus?" Allgemein sei schließlich noch bemerkt,
daß die deutschen Märkte gerade während der Hauptzeit des Mittelalters ihre
volle Blüthe dadurch beeinträchtigten, daß man fremde Handelsleute, zu denen
aber auch die Süddeutschen auf den Märkten der Hanseaten und letztere auf
den süddeutschen Märkten gezählt wurden, möglichst von dem Mcßhandel aus¬
zuschließen strebte. Das hing mit dem großen Uebergewicht der verschiedenen
Gruppen von Kaufleuten in ihren Handclsgebieten zusammen und wurde so
weit ausgedehnt, daß die Hanseaten z, B. durch Privilegien der fremden Fürsten
sich zusichern ließen, daß sie allein fast die ganze Ein- und Ausfuhr von Eng¬
land, von Rußland u. a. besorgten. Solche jetzt uns unmöglich scheinende
Zustände entsprechen der bedeutenden Ueberlegenheit der Hanseaten in der Leitung
und Ausübung des ganzen Zwischenhandels in den Nordländern mit den Pro-
ducten von Asien, von Süd-, Westeuropa und Flandern und den Erzeugnissen
Englands, Skandinaviens, Rußlands u. s. s. Daher hielt sich ihre Handcls-
herrschaft auch nur so lange als letztere Ueberlegenheit. Darnach konnte man
auch auf den Märkten nicht mehr die Schranken gegen den Meßbesuch fremder
Handelsleute aufrecht erhalten, und die Märkte nahmen immer mehr den Cha¬
rakter der heutigen an.

Betrachten wir nunmehr eine der Hauptmassen des mittelalterlichen Deutsch¬
lands näher, diejenige zu Frankfurt ni. M., über welche uns Kriegk, einer der
besten Kenner des dortigen reichsstädtischen Archivs seit einigen Jahren archi-
valisches Detail in schätzcnswerthcr Menge vorgeführt hat.

Trotz der in unmittelbarer Nähe liegenden bekannten Märkte von Mainz
und Fnedbcrg hat sich die frankfurter Messe vom 14. bis, 18. Jahrhundert in
gleich großer Bedeutung erhalten. Schon im Mittelalter besuchten sie Handels¬
leute aus allen Theilen Deutschlands, auch aus Belgien und Italien, so aus
Breslau, Prag, Brüssel, Venedig (1367). Mailand (1389). doch scheinen letztere
kein großes Contingent von Kaufleuten gestellt zu haben, weil man diesen
Städten nicht, wie vielen anderen, den neuen Meßanfang anzeigte. Wir be¬
sitzen noch eine Tafelordnung der Mittagsmeßgäste im Nürnberger Hofe, einem
der vielen Gasthöfe zu Frankfurt, aus dem 16. JahrKundert. Sie weist von
1S87 --1620: 12S Unterschriften, darunter 33 Nürnberger. 12 Breslauer,
6 Lübecker, 5 Augsburger, 5 Danziger, 3 Polen, 1 aus Riga, 1 aus Thor",
1 aus Zürich, 1 aus Mailand, 1 aus Lyon und aus vielen andern deutschen
Städten. Die Messe stieg seit 14S0 bis in das 16. Jahrhundert hinein an
Blüthe und sank dann, doch sehr allmälig, das 17. und 18. Jahrhundert hin¬
durch. Daher preist schon im Is. Jahrhundert Aeneas Sylvius Frankfurt als
das Bindeglied des Handels der sonst im Verkehre, wie gezeigt, feindlichen
Süd- und Norddeutschen, man veröffentlichte Bullen durch Anschlag in der
Meßzeit, man betete für die große Schaar von Meßsremden. Franz der Erste


Grenzboten III. I8K5. ' 27

wo zum Teufel will das zuletzt hinaus?" Allgemein sei schließlich noch bemerkt,
daß die deutschen Märkte gerade während der Hauptzeit des Mittelalters ihre
volle Blüthe dadurch beeinträchtigten, daß man fremde Handelsleute, zu denen
aber auch die Süddeutschen auf den Märkten der Hanseaten und letztere auf
den süddeutschen Märkten gezählt wurden, möglichst von dem Mcßhandel aus¬
zuschließen strebte. Das hing mit dem großen Uebergewicht der verschiedenen
Gruppen von Kaufleuten in ihren Handclsgebieten zusammen und wurde so
weit ausgedehnt, daß die Hanseaten z, B. durch Privilegien der fremden Fürsten
sich zusichern ließen, daß sie allein fast die ganze Ein- und Ausfuhr von Eng¬
land, von Rußland u. a. besorgten. Solche jetzt uns unmöglich scheinende
Zustände entsprechen der bedeutenden Ueberlegenheit der Hanseaten in der Leitung
und Ausübung des ganzen Zwischenhandels in den Nordländern mit den Pro-
ducten von Asien, von Süd-, Westeuropa und Flandern und den Erzeugnissen
Englands, Skandinaviens, Rußlands u. s. s. Daher hielt sich ihre Handcls-
herrschaft auch nur so lange als letztere Ueberlegenheit. Darnach konnte man
auch auf den Märkten nicht mehr die Schranken gegen den Meßbesuch fremder
Handelsleute aufrecht erhalten, und die Märkte nahmen immer mehr den Cha¬
rakter der heutigen an.

Betrachten wir nunmehr eine der Hauptmassen des mittelalterlichen Deutsch¬
lands näher, diejenige zu Frankfurt ni. M., über welche uns Kriegk, einer der
besten Kenner des dortigen reichsstädtischen Archivs seit einigen Jahren archi-
valisches Detail in schätzcnswerthcr Menge vorgeführt hat.

Trotz der in unmittelbarer Nähe liegenden bekannten Märkte von Mainz
und Fnedbcrg hat sich die frankfurter Messe vom 14. bis, 18. Jahrhundert in
gleich großer Bedeutung erhalten. Schon im Mittelalter besuchten sie Handels¬
leute aus allen Theilen Deutschlands, auch aus Belgien und Italien, so aus
Breslau, Prag, Brüssel, Venedig (1367). Mailand (1389). doch scheinen letztere
kein großes Contingent von Kaufleuten gestellt zu haben, weil man diesen
Städten nicht, wie vielen anderen, den neuen Meßanfang anzeigte. Wir be¬
sitzen noch eine Tafelordnung der Mittagsmeßgäste im Nürnberger Hofe, einem
der vielen Gasthöfe zu Frankfurt, aus dem 16. JahrKundert. Sie weist von
1S87 —1620: 12S Unterschriften, darunter 33 Nürnberger. 12 Breslauer,
6 Lübecker, 5 Augsburger, 5 Danziger, 3 Polen, 1 aus Riga, 1 aus Thor»,
1 aus Zürich, 1 aus Mailand, 1 aus Lyon und aus vielen andern deutschen
Städten. Die Messe stieg seit 14S0 bis in das 16. Jahrhundert hinein an
Blüthe und sank dann, doch sehr allmälig, das 17. und 18. Jahrhundert hin¬
durch. Daher preist schon im Is. Jahrhundert Aeneas Sylvius Frankfurt als
das Bindeglied des Handels der sonst im Verkehre, wie gezeigt, feindlichen
Süd- und Norddeutschen, man veröffentlichte Bullen durch Anschlag in der
Meßzeit, man betete für die große Schaar von Meßsremden. Franz der Erste


Grenzboten III. I8K5. ' 27
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[0225] wo zum Teufel will das zuletzt hinaus?" Allgemein sei schließlich noch bemerkt, daß die deutschen Märkte gerade während der Hauptzeit des Mittelalters ihre volle Blüthe dadurch beeinträchtigten, daß man fremde Handelsleute, zu denen aber auch die Süddeutschen auf den Märkten der Hanseaten und letztere auf den süddeutschen Märkten gezählt wurden, möglichst von dem Mcßhandel aus¬ zuschließen strebte. Das hing mit dem großen Uebergewicht der verschiedenen Gruppen von Kaufleuten in ihren Handclsgebieten zusammen und wurde so weit ausgedehnt, daß die Hanseaten z, B. durch Privilegien der fremden Fürsten sich zusichern ließen, daß sie allein fast die ganze Ein- und Ausfuhr von Eng¬ land, von Rußland u. a. besorgten. Solche jetzt uns unmöglich scheinende Zustände entsprechen der bedeutenden Ueberlegenheit der Hanseaten in der Leitung und Ausübung des ganzen Zwischenhandels in den Nordländern mit den Pro- ducten von Asien, von Süd-, Westeuropa und Flandern und den Erzeugnissen Englands, Skandinaviens, Rußlands u. s. s. Daher hielt sich ihre Handcls- herrschaft auch nur so lange als letztere Ueberlegenheit. Darnach konnte man auch auf den Märkten nicht mehr die Schranken gegen den Meßbesuch fremder Handelsleute aufrecht erhalten, und die Märkte nahmen immer mehr den Cha¬ rakter der heutigen an. Betrachten wir nunmehr eine der Hauptmassen des mittelalterlichen Deutsch¬ lands näher, diejenige zu Frankfurt ni. M., über welche uns Kriegk, einer der besten Kenner des dortigen reichsstädtischen Archivs seit einigen Jahren archi- valisches Detail in schätzcnswerthcr Menge vorgeführt hat. Trotz der in unmittelbarer Nähe liegenden bekannten Märkte von Mainz und Fnedbcrg hat sich die frankfurter Messe vom 14. bis, 18. Jahrhundert in gleich großer Bedeutung erhalten. Schon im Mittelalter besuchten sie Handels¬ leute aus allen Theilen Deutschlands, auch aus Belgien und Italien, so aus Breslau, Prag, Brüssel, Venedig (1367). Mailand (1389). doch scheinen letztere kein großes Contingent von Kaufleuten gestellt zu haben, weil man diesen Städten nicht, wie vielen anderen, den neuen Meßanfang anzeigte. Wir be¬ sitzen noch eine Tafelordnung der Mittagsmeßgäste im Nürnberger Hofe, einem der vielen Gasthöfe zu Frankfurt, aus dem 16. JahrKundert. Sie weist von 1S87 —1620: 12S Unterschriften, darunter 33 Nürnberger. 12 Breslauer, 6 Lübecker, 5 Augsburger, 5 Danziger, 3 Polen, 1 aus Riga, 1 aus Thor», 1 aus Zürich, 1 aus Mailand, 1 aus Lyon und aus vielen andern deutschen Städten. Die Messe stieg seit 14S0 bis in das 16. Jahrhundert hinein an Blüthe und sank dann, doch sehr allmälig, das 17. und 18. Jahrhundert hin¬ durch. Daher preist schon im Is. Jahrhundert Aeneas Sylvius Frankfurt als das Bindeglied des Handels der sonst im Verkehre, wie gezeigt, feindlichen Süd- und Norddeutschen, man veröffentlichte Bullen durch Anschlag in der Meßzeit, man betete für die große Schaar von Meßsremden. Franz der Erste Grenzboten III. I8K5. ' 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/225>, abgerufen am 15.01.2025.