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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Verkehrs und Geldumsatzes unserer Märkte, was sich freilich sicherer folgern als
mit Zahlen und Namen begründen läßt. Dagegen darf man keineswegs so
weit gehn, den Italienern und ihren Messen in Italien, Frankreich und
Flandern nun die erste Gründung. Einrichtung, Leitung und Blüthe unserer
Märkte in Deutschland zuzuschreiben. Schon der im Verhältniß zu den Ita¬
lienern geringe Wechselverkehr der deutschen Kaufleute stand dem entgegen.

Aus dem steigenden Handel mühten sich bei uns, wie bei jedem cultur¬
fähigen Volke, naturgemäß Mittelpunkte des Waaren- und Gcldverkehrs. Messen
und Märkte an den HaupthandelsortH nothwendig erweisen und heranbilden.
Die alten Kirchenfesttage mit dem AblMz^d.le' Jahrmärkte boten geeigneten An¬
halt. Kaiser, weltliche und geistliche Herren sahen darin ihren uniMelbaren
und durch den steigenden Wohlstand der^Unterthanen ihren mittelbaren Vor¬
theil. Sie suchten die Entwicklung der Messen^u fördern, sie zweigten/hoheits-
rechte. wie das über die Marktzölle u. a. al^'um sie den unmittelbaren, Herren
des Meßgebietes zu gewähren u. a. in. WD"die Herrscher durch Ger6a-5tschritte
gegen die Besucher der Märkte sich sogleich Gewinn schaffen oder jene vom
Markte abhalten wollten, spornten sie die Kaufleute zum Widerstande und Me߬
betrieb um so energischer an.

In solcher Bildung von Märkten stellte sich seit dem Ende des dreizehnten
Jahrhunderts, wo die Kämpfe der deutschen Cultur gegen die Slavenherr¬
schaft endlich eine siegreiche Ausdehnung und Entwickelung der ersteren ge¬
statteten, der Norden und Osten Deutschlands dem Süden und Westen nicht
uncbenbürtig zur Seite. Denn seit dieser Zeit machten die weitverzweigten
Handelsgenossenschaften der nordischen Kaufleute, dann der vorzüglich für
den Zwischenhandel zwischen den Waaren des flandrischen Weltmarktes und
den Noherzeugnissen der nordischen Länder organisirte Hansabund ihren Ein¬
fluß -- und zwar in völlig originaler Weise --- zum gewaltigen Empor¬
blühen des hanseatischen Handels geltend, welcher bald die nicht des Meeres
theilhaften, von neidischen Rivalen in Italien, Frankreich und Norddeutsch¬
land begrenzten Handelshäupter Süd- und Westdeutschlands überflügelte.

Von vornherein ausscheiden müssen wir hier von der Betrachtung der
Märkte die großen Niederlassungen (Faktoreien) der Hanseaten an den Haupt¬
orten ihres Handels, die cölner Gildhalle (Stahlhos) in London, die Faktorei
der Hanseaten in Brügge, den Sitz des "gemeinen deutschen Kaufmanns auf
Esthland" in Wisby, den Se. Petershof in Nowgorod und die Brücke in
Bergen. Sie waren ihrer Anlage, Organisation und Wirkung nach bleibende,
fortwährende Aufenthaltsorte der Hanseaten mit ihrer Behörde, ihren Geistlichen
und Dienern als Mittelpunkte für Ausbreitung und Schutz des hanseatischen
Handels in den nordischen Reichen. Ebensowenig gehört hierher der Stapel¬
zwang der einzelnen Städte, der die durchreisenden Kaufleute nöthigte, in diesen


Verkehrs und Geldumsatzes unserer Märkte, was sich freilich sicherer folgern als
mit Zahlen und Namen begründen läßt. Dagegen darf man keineswegs so
weit gehn, den Italienern und ihren Messen in Italien, Frankreich und
Flandern nun die erste Gründung. Einrichtung, Leitung und Blüthe unserer
Märkte in Deutschland zuzuschreiben. Schon der im Verhältniß zu den Ita¬
lienern geringe Wechselverkehr der deutschen Kaufleute stand dem entgegen.

Aus dem steigenden Handel mühten sich bei uns, wie bei jedem cultur¬
fähigen Volke, naturgemäß Mittelpunkte des Waaren- und Gcldverkehrs. Messen
und Märkte an den HaupthandelsortH nothwendig erweisen und heranbilden.
Die alten Kirchenfesttage mit dem AblMz^d.le' Jahrmärkte boten geeigneten An¬
halt. Kaiser, weltliche und geistliche Herren sahen darin ihren uniMelbaren
und durch den steigenden Wohlstand der^Unterthanen ihren mittelbaren Vor¬
theil. Sie suchten die Entwicklung der Messen^u fördern, sie zweigten/hoheits-
rechte. wie das über die Marktzölle u. a. al^'um sie den unmittelbaren, Herren
des Meßgebietes zu gewähren u. a. in. WD"die Herrscher durch Ger6a-5tschritte
gegen die Besucher der Märkte sich sogleich Gewinn schaffen oder jene vom
Markte abhalten wollten, spornten sie die Kaufleute zum Widerstande und Me߬
betrieb um so energischer an.

In solcher Bildung von Märkten stellte sich seit dem Ende des dreizehnten
Jahrhunderts, wo die Kämpfe der deutschen Cultur gegen die Slavenherr¬
schaft endlich eine siegreiche Ausdehnung und Entwickelung der ersteren ge¬
statteten, der Norden und Osten Deutschlands dem Süden und Westen nicht
uncbenbürtig zur Seite. Denn seit dieser Zeit machten die weitverzweigten
Handelsgenossenschaften der nordischen Kaufleute, dann der vorzüglich für
den Zwischenhandel zwischen den Waaren des flandrischen Weltmarktes und
den Noherzeugnissen der nordischen Länder organisirte Hansabund ihren Ein¬
fluß — und zwar in völlig originaler Weise —- zum gewaltigen Empor¬
blühen des hanseatischen Handels geltend, welcher bald die nicht des Meeres
theilhaften, von neidischen Rivalen in Italien, Frankreich und Norddeutsch¬
land begrenzten Handelshäupter Süd- und Westdeutschlands überflügelte.

Von vornherein ausscheiden müssen wir hier von der Betrachtung der
Märkte die großen Niederlassungen (Faktoreien) der Hanseaten an den Haupt¬
orten ihres Handels, die cölner Gildhalle (Stahlhos) in London, die Faktorei
der Hanseaten in Brügge, den Sitz des „gemeinen deutschen Kaufmanns auf
Esthland" in Wisby, den Se. Petershof in Nowgorod und die Brücke in
Bergen. Sie waren ihrer Anlage, Organisation und Wirkung nach bleibende,
fortwährende Aufenthaltsorte der Hanseaten mit ihrer Behörde, ihren Geistlichen
und Dienern als Mittelpunkte für Ausbreitung und Schutz des hanseatischen
Handels in den nordischen Reichen. Ebensowenig gehört hierher der Stapel¬
zwang der einzelnen Städte, der die durchreisenden Kaufleute nöthigte, in diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/223>, abgerufen am 15.01.2025.