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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Bank- und Handelshäuser alle ihre Wechsel nach Frankreich, Flandern, England
auf die champagner Messen aus. Seitdem gründeten die Florentiner indeß in
Lyon Bcmkcommanditen, hoben so die dortigen Jahrmärkte erheblich und über¬
flügelten allmälig die Bedeutung der alten Messen der Champagne. 1419,
dann 1468 erhielten die lyoner Messen, deren es jährlich vier, jede einen Mo¬
nat lang, gab, dieselben Vorrechte wie ihre Vorgänger, vornehmlich zu Gunsten
der Florentiner, die hier seit 1419 schon ein Uebergewicht behaupteten und noch
1S48 daselbst 37 Bankcommcmditen besaßen. Auf diese Messen stellte man in
Frankreich, Italien und Flandern alle Arten von Zahlungen. Höchst interessant
und wichtig ist die Regulirung der Wechselvcrbindlichkeiten während der Me߬
zeit. Jeder Teilnehmer daran mußte sich für sich oder durch Procura für
andere zuvor beim Börsenvorstand melden. In der ersten Meßwoche wurde
acceptirt, jeder hatte dazu ein kleines Buch (bilan) mit ordentlichem Wechsel¬
conto für die Messe. Man acceptirte mündlich. In diesem Falle schrieb jede
Partei zu der betreffenden Post ein Kreuz; schwankte der Bezogene, ob er ac-
ceptiren solle oder nicht, so bezeichneten beide Theile die Post mit V (on); verweigerte
der Bezogene das Accept, so zeichnete man L, ?. ein, d. h. der Wechsel sollte
unter Protest gehen. Die Frist für das Protestircn lief erst am Ende des
Meßmonats ab. In den drei letzten Meßwochcn skontrirte man (viremönt)
mit Hilfe des Buches (dilav). Die Ueberweisung des acceptirten Wechsels
galt gleich Zahlung. Was man nicht in Skonto ausglich, bezahlte man baar
oder in Wechseln von der Messe auf einen Platz; für diese Wechsel bestimmten
am dritten Meßtage die Meßvorstcher und angesehensten Kaufleute den Curs,
gerechnet von Lyon. Für Deutschland galt später Aehnliches (vergl. unten).

Näher an Deutschlands Hauvtmärkte grenzte der dritte der Centralpunkte
für den europäischen Wechselverkehr, die Messen zu Besanyon in Burgund,
welche, getrieben durch ihre Eifersucht gegen die Florentiner in Lyon und durch die
dringenden Aufforderungen unsers Kaisers Karl des Fünften, die Genueser seit 1S37
errichteten. Ein großer Theil der Italiener folgte ihnen in den neuen Meßort
und fügte sich hier der genuesischen Leitung und der von Genua gesandten und
ergänzten Meßordnung, wie zuvor der florentinischen. Hier erst bildete sich nun
der reine Wechselmarkt, die eigentliche Wechselmesse aus. Kein Waarenhandel
war zugelassen, kein Wechsel, dessen Valuta in Waaren erhalten war, nur
Wechsler durften die Messe beziehen, Zahlung in Baar gestattete man nur unter
Beschränkungen. Wer diese beabsichtigte, mußte es nämlich in den ersten vier
Meßtagen melden, das Geld versiegeln lassen und dem Gläubiger es vorläufig
anzeigen, widrigenfalls letzterer die Annahme verweigern durfte. Deshalb
wickelte sich auch die Messe, die viermal im Jahre stattfand, jedesmal in
acht Tagen ab. Raphael de Tmre ist erstaunt über diese wunderbaren
Messen. In seinem Tractat von den Wechseln (1640) sagt er: "Man kann


Bank- und Handelshäuser alle ihre Wechsel nach Frankreich, Flandern, England
auf die champagner Messen aus. Seitdem gründeten die Florentiner indeß in
Lyon Bcmkcommanditen, hoben so die dortigen Jahrmärkte erheblich und über¬
flügelten allmälig die Bedeutung der alten Messen der Champagne. 1419,
dann 1468 erhielten die lyoner Messen, deren es jährlich vier, jede einen Mo¬
nat lang, gab, dieselben Vorrechte wie ihre Vorgänger, vornehmlich zu Gunsten
der Florentiner, die hier seit 1419 schon ein Uebergewicht behaupteten und noch
1S48 daselbst 37 Bankcommcmditen besaßen. Auf diese Messen stellte man in
Frankreich, Italien und Flandern alle Arten von Zahlungen. Höchst interessant
und wichtig ist die Regulirung der Wechselvcrbindlichkeiten während der Me߬
zeit. Jeder Teilnehmer daran mußte sich für sich oder durch Procura für
andere zuvor beim Börsenvorstand melden. In der ersten Meßwoche wurde
acceptirt, jeder hatte dazu ein kleines Buch (bilan) mit ordentlichem Wechsel¬
conto für die Messe. Man acceptirte mündlich. In diesem Falle schrieb jede
Partei zu der betreffenden Post ein Kreuz; schwankte der Bezogene, ob er ac-
ceptiren solle oder nicht, so bezeichneten beide Theile die Post mit V (on); verweigerte
der Bezogene das Accept, so zeichnete man L, ?. ein, d. h. der Wechsel sollte
unter Protest gehen. Die Frist für das Protestircn lief erst am Ende des
Meßmonats ab. In den drei letzten Meßwochcn skontrirte man (viremönt)
mit Hilfe des Buches (dilav). Die Ueberweisung des acceptirten Wechsels
galt gleich Zahlung. Was man nicht in Skonto ausglich, bezahlte man baar
oder in Wechseln von der Messe auf einen Platz; für diese Wechsel bestimmten
am dritten Meßtage die Meßvorstcher und angesehensten Kaufleute den Curs,
gerechnet von Lyon. Für Deutschland galt später Aehnliches (vergl. unten).

Näher an Deutschlands Hauvtmärkte grenzte der dritte der Centralpunkte
für den europäischen Wechselverkehr, die Messen zu Besanyon in Burgund,
welche, getrieben durch ihre Eifersucht gegen die Florentiner in Lyon und durch die
dringenden Aufforderungen unsers Kaisers Karl des Fünften, die Genueser seit 1S37
errichteten. Ein großer Theil der Italiener folgte ihnen in den neuen Meßort
und fügte sich hier der genuesischen Leitung und der von Genua gesandten und
ergänzten Meßordnung, wie zuvor der florentinischen. Hier erst bildete sich nun
der reine Wechselmarkt, die eigentliche Wechselmesse aus. Kein Waarenhandel
war zugelassen, kein Wechsel, dessen Valuta in Waaren erhalten war, nur
Wechsler durften die Messe beziehen, Zahlung in Baar gestattete man nur unter
Beschränkungen. Wer diese beabsichtigte, mußte es nämlich in den ersten vier
Meßtagen melden, das Geld versiegeln lassen und dem Gläubiger es vorläufig
anzeigen, widrigenfalls letzterer die Annahme verweigern durfte. Deshalb
wickelte sich auch die Messe, die viermal im Jahre stattfand, jedesmal in
acht Tagen ab. Raphael de Tmre ist erstaunt über diese wunderbaren
Messen. In seinem Tractat von den Wechseln (1640) sagt er: „Man kann


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[0221] Bank- und Handelshäuser alle ihre Wechsel nach Frankreich, Flandern, England auf die champagner Messen aus. Seitdem gründeten die Florentiner indeß in Lyon Bcmkcommanditen, hoben so die dortigen Jahrmärkte erheblich und über¬ flügelten allmälig die Bedeutung der alten Messen der Champagne. 1419, dann 1468 erhielten die lyoner Messen, deren es jährlich vier, jede einen Mo¬ nat lang, gab, dieselben Vorrechte wie ihre Vorgänger, vornehmlich zu Gunsten der Florentiner, die hier seit 1419 schon ein Uebergewicht behaupteten und noch 1S48 daselbst 37 Bankcommcmditen besaßen. Auf diese Messen stellte man in Frankreich, Italien und Flandern alle Arten von Zahlungen. Höchst interessant und wichtig ist die Regulirung der Wechselvcrbindlichkeiten während der Me߬ zeit. Jeder Teilnehmer daran mußte sich für sich oder durch Procura für andere zuvor beim Börsenvorstand melden. In der ersten Meßwoche wurde acceptirt, jeder hatte dazu ein kleines Buch (bilan) mit ordentlichem Wechsel¬ conto für die Messe. Man acceptirte mündlich. In diesem Falle schrieb jede Partei zu der betreffenden Post ein Kreuz; schwankte der Bezogene, ob er ac- ceptiren solle oder nicht, so bezeichneten beide Theile die Post mit V (on); verweigerte der Bezogene das Accept, so zeichnete man L, ?. ein, d. h. der Wechsel sollte unter Protest gehen. Die Frist für das Protestircn lief erst am Ende des Meßmonats ab. In den drei letzten Meßwochcn skontrirte man (viremönt) mit Hilfe des Buches (dilav). Die Ueberweisung des acceptirten Wechsels galt gleich Zahlung. Was man nicht in Skonto ausglich, bezahlte man baar oder in Wechseln von der Messe auf einen Platz; für diese Wechsel bestimmten am dritten Meßtage die Meßvorstcher und angesehensten Kaufleute den Curs, gerechnet von Lyon. Für Deutschland galt später Aehnliches (vergl. unten). Näher an Deutschlands Hauvtmärkte grenzte der dritte der Centralpunkte für den europäischen Wechselverkehr, die Messen zu Besanyon in Burgund, welche, getrieben durch ihre Eifersucht gegen die Florentiner in Lyon und durch die dringenden Aufforderungen unsers Kaisers Karl des Fünften, die Genueser seit 1S37 errichteten. Ein großer Theil der Italiener folgte ihnen in den neuen Meßort und fügte sich hier der genuesischen Leitung und der von Genua gesandten und ergänzten Meßordnung, wie zuvor der florentinischen. Hier erst bildete sich nun der reine Wechselmarkt, die eigentliche Wechselmesse aus. Kein Waarenhandel war zugelassen, kein Wechsel, dessen Valuta in Waaren erhalten war, nur Wechsler durften die Messe beziehen, Zahlung in Baar gestattete man nur unter Beschränkungen. Wer diese beabsichtigte, mußte es nämlich in den ersten vier Meßtagen melden, das Geld versiegeln lassen und dem Gläubiger es vorläufig anzeigen, widrigenfalls letzterer die Annahme verweigern durfte. Deshalb wickelte sich auch die Messe, die viermal im Jahre stattfand, jedesmal in acht Tagen ab. Raphael de Tmre ist erstaunt über diese wunderbaren Messen. In seinem Tractat von den Wechseln (1640) sagt er: „Man kann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/221>, abgerufen am 15.01.2025.