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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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vollsten aller Gedanken, bis zu dem Einfall, den Herzog polizeilich von Kiel
zu entfernen.

Wir enthalten uns ganz des Urtheils, das wir als Liberale über ein solches
Beginnen zu fällen haben. Das Mittel, einen politischen Gegner dadurch un¬
schädlich zu machen, daß man ihn durch Polizei herausschafft, beurtheilen wir
in Kiel gerade so wie in Köln. Aber es ist auch gar keine Maßregel denkbar,
welche dem preußischen Interesse in den Herzogthümern so tödtlichen Stoß ver¬
setzen würde als diese. Der Herzog Friedrich hat jetzt nur das Eine gegen sich,
daß er noch keine Gelegenheit gesunden hat, irgendetwas für die Herzogthümer
zu thun oder zu leiden. Will man ihm denn diese Gelegenheit mit Gewalt
geben, indem man ihn zum Märtyrer macht? Der kennt die Bewohner der
Herzogthümer schlecht, der da meint, daß seine gewaltsame Entfernung die
Sympathien für ihn verringern und die Agitation zu seinen Gunsten schwächen
werde. Denn in diesem Fall wird er seinem Volke erst recht theuer werden,
in jeder Dorshütte wird man seine" Feinden fluchen, und über die Gewaltthat
wird sich ein lauter Schrei erheben, der nicht nur durch die deutschen Länder
gehen wird, die Proteste, Klagen und die unverblümten Versicherungen der
Entrüstung werden nicht aufhören. Den" wie kurzsichtig und widerwärtig uns
der Particularismus der Holsteiner zuweilen erscheint, die ihn bewahren, sind
keine Savoyarden, sondern zähe und dauerhafte niederdeutsche. Und was soll,
im Fall man den Herzog auch noch durch diese Beleidigung in Vortheil setzt,
was soll geschehen, wenn man endlich doch noch mit ihm verhandeln muß?
Durch alles Vergangene hat man ein gutes Zusammenwirken in der Zukunft
sich ohnedies so schwer als möglich gemacht. Und man wird doch wohl zuletzt
mit ihm abschließen müssen.

Der diese Zeilen schreibt, hat als guter Preuße die Ereignisse der letzten
Jahre mitgelebt, er würde einen Erwerb der Herzogthümer durch Preußen, wenn
er nicht in irgendeinem Stücke der Occupation Hannovers im Jahre 1805
gleicht, für das größte Glück halten, aber er hat, seit östreichische Truppen neben
den preußischen über das Dannewerk zogen, keine Stunde an die Möglichkeit
eines solchen Glückes geglaubt.

Manches von dem, was hier ausgesprochen wurde, wird den Männern,
welche als Wortführer des Schleswig-holstcinschen Particularismus für die
Presse schreiben, als Ansicht erscheinen, weiche mit ihrer eigenen sich berührt.
Wenn zwei dasselbe sagen, ist es nicht immer dasselbe. Es ist ein Unterschied
zwischen denen, die über das Unglück Preußens trauern, während sie das Ver¬
trauen zu dem endlichen Sieg ihres Staates fest im Herzen tragen, und zwischen
denen, die, während sie mit der preußischen Regierung zürnen, den Beruf Oest¬
reichs für Deutschland erheben und von dem Cavinet in Wien für sich die
Befreiung von Preußen erwarten.


vollsten aller Gedanken, bis zu dem Einfall, den Herzog polizeilich von Kiel
zu entfernen.

Wir enthalten uns ganz des Urtheils, das wir als Liberale über ein solches
Beginnen zu fällen haben. Das Mittel, einen politischen Gegner dadurch un¬
schädlich zu machen, daß man ihn durch Polizei herausschafft, beurtheilen wir
in Kiel gerade so wie in Köln. Aber es ist auch gar keine Maßregel denkbar,
welche dem preußischen Interesse in den Herzogthümern so tödtlichen Stoß ver¬
setzen würde als diese. Der Herzog Friedrich hat jetzt nur das Eine gegen sich,
daß er noch keine Gelegenheit gesunden hat, irgendetwas für die Herzogthümer
zu thun oder zu leiden. Will man ihm denn diese Gelegenheit mit Gewalt
geben, indem man ihn zum Märtyrer macht? Der kennt die Bewohner der
Herzogthümer schlecht, der da meint, daß seine gewaltsame Entfernung die
Sympathien für ihn verringern und die Agitation zu seinen Gunsten schwächen
werde. Denn in diesem Fall wird er seinem Volke erst recht theuer werden,
in jeder Dorshütte wird man seine» Feinden fluchen, und über die Gewaltthat
wird sich ein lauter Schrei erheben, der nicht nur durch die deutschen Länder
gehen wird, die Proteste, Klagen und die unverblümten Versicherungen der
Entrüstung werden nicht aufhören. Den» wie kurzsichtig und widerwärtig uns
der Particularismus der Holsteiner zuweilen erscheint, die ihn bewahren, sind
keine Savoyarden, sondern zähe und dauerhafte niederdeutsche. Und was soll,
im Fall man den Herzog auch noch durch diese Beleidigung in Vortheil setzt,
was soll geschehen, wenn man endlich doch noch mit ihm verhandeln muß?
Durch alles Vergangene hat man ein gutes Zusammenwirken in der Zukunft
sich ohnedies so schwer als möglich gemacht. Und man wird doch wohl zuletzt
mit ihm abschließen müssen.

Der diese Zeilen schreibt, hat als guter Preuße die Ereignisse der letzten
Jahre mitgelebt, er würde einen Erwerb der Herzogthümer durch Preußen, wenn
er nicht in irgendeinem Stücke der Occupation Hannovers im Jahre 1805
gleicht, für das größte Glück halten, aber er hat, seit östreichische Truppen neben
den preußischen über das Dannewerk zogen, keine Stunde an die Möglichkeit
eines solchen Glückes geglaubt.

Manches von dem, was hier ausgesprochen wurde, wird den Männern,
welche als Wortführer des Schleswig-holstcinschen Particularismus für die
Presse schreiben, als Ansicht erscheinen, weiche mit ihrer eigenen sich berührt.
Wenn zwei dasselbe sagen, ist es nicht immer dasselbe. Es ist ein Unterschied
zwischen denen, die über das Unglück Preußens trauern, während sie das Ver¬
trauen zu dem endlichen Sieg ihres Staates fest im Herzen tragen, und zwischen
denen, die, während sie mit der preußischen Regierung zürnen, den Beruf Oest¬
reichs für Deutschland erheben und von dem Cavinet in Wien für sich die
Befreiung von Preußen erwarten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/212>, abgerufen am 15.01.2025.