Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.über den täuriser Tauern nach Tirol, wo er durch das Pusterthal bis zur mühl- Man meinte durch Härte und Grausamkeit die frevelhafte Erhebung gegen die über den täuriser Tauern nach Tirol, wo er durch das Pusterthal bis zur mühl- Man meinte durch Härte und Grausamkeit die frevelhafte Erhebung gegen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283555"/> <p xml:id="ID_565" prev="#ID_564"> über den täuriser Tauern nach Tirol, wo er durch das Pusterthal bis zur mühl-<lb/> bacher Klause unweit Brixen vordrang. Hier schlug ihn mit dem eilends zu¬<lb/> sammengerafften Aufgebot der Ritter Caspar von Künigl und verfolgte ihn mit<lb/> dem nachgerückten Georg v. Freundsberg durch Enneberg und Buchenstein, bis<lb/> er bei Agordo auf das Gebiet von Venedig übertrat. Die Republik sich ihn<lb/> mit seinem ganzen Volke willkommen und setzte ihm einen so reichen Jahrcs-<lb/> gehalt aus, daß er sich bei Padua ein Landgut kaufte und „glänzend wie ein<lb/> Cardinal" lebte. Sein unternehmender Geist ließ ihn jedoch nicht ruhen, bald<lb/> wollte er im Spätherbst 1527 über Vliland nach Salzburg, bald über Trient<lb/> ins Etschland einbrechen, im Jahre 1528 begab er sich nach Zürich, wo er das<lb/> Bürgerrecht erhielt und im Auftrag Venedigs mit dem vertriebenen Herzog<lb/> Ulrich von Würtemberg und den reformirten Cantonen über ein Bündniß gegen<lb/> den Kaiser unterhandelte. Die tirolischen Statthalter wußten sich vor seinen<lb/> Anschlägen nicht mehr sicher, und da auch der trienter Bischof Bernard ihnen<lb/> den Wink gab, sich dieses gefährlichen Mannes zu entledigen, setzten sie einen<lb/> Preis auf seinen Kopf und hatten nach zweimaligem fruchtlosen Versuche<lb/> endlich die Genugthuung, ihren erbittertsten Feind dem Dolche eines Meuchlers<lb/> zu überliefern. Ebenso endete Päßler, für den sie 200 Dukaten geboten<lb/> hatten. Die Regenten zu Innsbruck schälkelen wie mitten in der Zeit der hei¬<lb/> ligen Vehme.</p><lb/> <p xml:id="ID_566" next="#ID_567"> Man meinte durch Härte und Grausamkeit die frevelhafte Erhebung gegen die<lb/> Kirche und das feudale Recht für immer gebändigt zu haben; aber auch ihre Errun¬<lb/> genschaften sollten aus dem Gedächtniß der Menschen völlig verschwinden. Das<lb/> Dringendste schien diesfalls die Aufhebung der „Ordnung des geistlichen Stan¬<lb/> des" . die sich am göttlichen Rechte selbst vergriff. Ferdinand erklärte infolge<lb/> der Beschwerden des Klerus der drei Hochstifte auf dem im November 1527<lb/> gehaltenen Landtag, daß jenes Libell, „falls solches wider die Geistlichkeit alle-<lb/> girt würde", bereits im vorigen Jahre durch den Reichstagsabschied von Speier<lb/> abgethan sei. Nach einem später zu Anfang 1529 gefaßten Landtagsbeschluß<lb/> wurde die ganze Landesordnung von 1525 einer Reform unterworfen, Ferdinand<lb/> bestimmte dazu mehre seiner Negierungsräthe und zwei Abgeordnete aus jedem<lb/> Stande, und als das neue Gesetz im Jahre 1532 erschien, rechtfertigte er den<lb/> Umsturz des früheren in der Vorrede damit, daß es viele Viertel entweder gar<lb/> nicht oder nur zum Theil angenommen, was er ihnen doch früher zum Ver¬<lb/> brechen angerechnet. Auch hätten zahlreiche Artikel Irrungen und Mißverständ¬<lb/> nisse veranlaßt, weshalb die „unlauteren" zu erläutern und die (für den Klerus<lb/> und Adel) beschwerlichen aufzuheben gewesen wären. Wie es Ferdinand mit<lb/> der Zulassung der neuen Lehre gemeint hatte, gegen die er sich nur durch glatte<lb/> Worte nachgiebig gezeigt hatte, bewies er durch eine am 20. August 1527 aus<lb/> Ofen erlassene Verordnung, worin er alle Ketzer, insbesondere die Wiedertäufer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
über den täuriser Tauern nach Tirol, wo er durch das Pusterthal bis zur mühl-
bacher Klause unweit Brixen vordrang. Hier schlug ihn mit dem eilends zu¬
sammengerafften Aufgebot der Ritter Caspar von Künigl und verfolgte ihn mit
dem nachgerückten Georg v. Freundsberg durch Enneberg und Buchenstein, bis
er bei Agordo auf das Gebiet von Venedig übertrat. Die Republik sich ihn
mit seinem ganzen Volke willkommen und setzte ihm einen so reichen Jahrcs-
gehalt aus, daß er sich bei Padua ein Landgut kaufte und „glänzend wie ein
Cardinal" lebte. Sein unternehmender Geist ließ ihn jedoch nicht ruhen, bald
wollte er im Spätherbst 1527 über Vliland nach Salzburg, bald über Trient
ins Etschland einbrechen, im Jahre 1528 begab er sich nach Zürich, wo er das
Bürgerrecht erhielt und im Auftrag Venedigs mit dem vertriebenen Herzog
Ulrich von Würtemberg und den reformirten Cantonen über ein Bündniß gegen
den Kaiser unterhandelte. Die tirolischen Statthalter wußten sich vor seinen
Anschlägen nicht mehr sicher, und da auch der trienter Bischof Bernard ihnen
den Wink gab, sich dieses gefährlichen Mannes zu entledigen, setzten sie einen
Preis auf seinen Kopf und hatten nach zweimaligem fruchtlosen Versuche
endlich die Genugthuung, ihren erbittertsten Feind dem Dolche eines Meuchlers
zu überliefern. Ebenso endete Päßler, für den sie 200 Dukaten geboten
hatten. Die Regenten zu Innsbruck schälkelen wie mitten in der Zeit der hei¬
ligen Vehme.
Man meinte durch Härte und Grausamkeit die frevelhafte Erhebung gegen die
Kirche und das feudale Recht für immer gebändigt zu haben; aber auch ihre Errun¬
genschaften sollten aus dem Gedächtniß der Menschen völlig verschwinden. Das
Dringendste schien diesfalls die Aufhebung der „Ordnung des geistlichen Stan¬
des" . die sich am göttlichen Rechte selbst vergriff. Ferdinand erklärte infolge
der Beschwerden des Klerus der drei Hochstifte auf dem im November 1527
gehaltenen Landtag, daß jenes Libell, „falls solches wider die Geistlichkeit alle-
girt würde", bereits im vorigen Jahre durch den Reichstagsabschied von Speier
abgethan sei. Nach einem später zu Anfang 1529 gefaßten Landtagsbeschluß
wurde die ganze Landesordnung von 1525 einer Reform unterworfen, Ferdinand
bestimmte dazu mehre seiner Negierungsräthe und zwei Abgeordnete aus jedem
Stande, und als das neue Gesetz im Jahre 1532 erschien, rechtfertigte er den
Umsturz des früheren in der Vorrede damit, daß es viele Viertel entweder gar
nicht oder nur zum Theil angenommen, was er ihnen doch früher zum Ver¬
brechen angerechnet. Auch hätten zahlreiche Artikel Irrungen und Mißverständ¬
nisse veranlaßt, weshalb die „unlauteren" zu erläutern und die (für den Klerus
und Adel) beschwerlichen aufzuheben gewesen wären. Wie es Ferdinand mit
der Zulassung der neuen Lehre gemeint hatte, gegen die er sich nur durch glatte
Worte nachgiebig gezeigt hatte, bewies er durch eine am 20. August 1527 aus
Ofen erlassene Verordnung, worin er alle Ketzer, insbesondere die Wiedertäufer
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