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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Steineck, Dcutschnofcn, Vels, Kastelruth, Pfcffcrsberg und Tisens. neue Verbin¬
dungen einzugehen; drohender sah es in Wälschtirol aus, das auch an Venedig
einen starken Hinterhalt gewinnen konnte. Schon anfangs Juli hatten jene
von Castelfondo ihren Gerichtsherrn v. Thun entsetzt und die von Roni bei
Caliano den Richter Peter Bush in einem Taubenschlag verbrannt; nun hielten
auch wieder die Bewohner von Mais aufrührerische Versammlungen, setzten
neue Beamte ein, zogen unter ihren Häuptlingen Simon v. Padello und Nicolo
del Victor in bewaffneten Haufen umher; die Gerichtsleute von Strigno er¬
mordeten den dortigen Hauptmann, überfielen das fürstliche Schloß Jvano und
nahmen den ihnen zugesandten landesfürstlichen Commissär gefangen. Die Ge¬
richte von Valsugan, Nous- und Sulzberg verbündeten sich unter einander,
zogen gegen Trient, schössen in die Stadt, lenkten die Etsch ab und verheerten
das umliegende Land durch Raub und Plünderung. Schon hatten sie sich bei
einer Versammlung geeinigt, die zur Verkündung des Landtagsabschieds abge¬
ordneten Commissaire einzufangen und todt zu schlagen. Da bot man anfangs
die Landesverteidigung auf, weil man aber den Gerichten im Etschland nicht
traute und ihnen deshalb freistellte statt des Anschlags Geld zu geben, wurden
später 1600 Knechte unter Wittembach in Sold genommen und mit landes¬
fürstlichen Commissären nach Trient geschickt. Das kleine Häuflein vermochte
der vielen Aufständischen nicht Herr zu werden, die Statthalter schrieben daher
ein Zwangsanlehen aus, vertheilten es auf das Stift Brixen, die Städte,
Klöster und Kirchen, ließen das vorräthige Gold und Silber daselbst verzeichnen,
bewerthen und das entbehrliche gegen Schuldscheine abheischen und warben
eine neue Schaar von 2000 Mann, die unter Thomas von Freundsberg und
Sigmund v. Brandeis nach dem Schauplatz des Kampfes zog. Theils durch die
einzelnen kleinen Gefechte, in denen die Bauern ihre Kräfte versplitterten, theils
durch den Schrecken vor den schauderhaften Strafen, die an den Gefangenen
vollzogen wurden, lichteten sich ihre Reihen allmählig. Nasen- und Ohrenab-
schneiden, Viertheilen, Spießen, Verbrennen waren die Mittel, wodurch man
die milde Herrschaft des Krummstabs wieder befestigte; einigen riß man bei
lebendigem Leibe das Herz aus; dem Steinmetzmeister Philipp, der den Bauern
das Schloß von Trient binnen drei Tagen niederzureißen und zu schleifen ver¬
sprach, wurden, nachdem ihn der Henker vor dieses hingeführt, die Augen aus¬
gestochen; keiner, deren man habhaft wurde, entrann ohne Brandmal auf der
Stirne. Am 15, September erschien eine Sttafordnung, welche die Rädels¬
führer nach dem Kriegsgericht mit dem Strang zu richten, an Bäumen aufzu¬
knüpfen, ihre Häuser niederzureißen und andere besonders Schuldige zu köpfen
befahl. Die übrigen sollten an ihrem Vermögen mit drei vom Hundert ge¬
büßt, zu Schadenersatz und Ablieferung der Waffen verhalten, den Entflohenen
Weib und Kinder nachgesandt und ihre Habe eingezogen werden. In jedem


Grenzboten Hi. 1865. 24

Steineck, Dcutschnofcn, Vels, Kastelruth, Pfcffcrsberg und Tisens. neue Verbin¬
dungen einzugehen; drohender sah es in Wälschtirol aus, das auch an Venedig
einen starken Hinterhalt gewinnen konnte. Schon anfangs Juli hatten jene
von Castelfondo ihren Gerichtsherrn v. Thun entsetzt und die von Roni bei
Caliano den Richter Peter Bush in einem Taubenschlag verbrannt; nun hielten
auch wieder die Bewohner von Mais aufrührerische Versammlungen, setzten
neue Beamte ein, zogen unter ihren Häuptlingen Simon v. Padello und Nicolo
del Victor in bewaffneten Haufen umher; die Gerichtsleute von Strigno er¬
mordeten den dortigen Hauptmann, überfielen das fürstliche Schloß Jvano und
nahmen den ihnen zugesandten landesfürstlichen Commissär gefangen. Die Ge¬
richte von Valsugan, Nous- und Sulzberg verbündeten sich unter einander,
zogen gegen Trient, schössen in die Stadt, lenkten die Etsch ab und verheerten
das umliegende Land durch Raub und Plünderung. Schon hatten sie sich bei
einer Versammlung geeinigt, die zur Verkündung des Landtagsabschieds abge¬
ordneten Commissaire einzufangen und todt zu schlagen. Da bot man anfangs
die Landesverteidigung auf, weil man aber den Gerichten im Etschland nicht
traute und ihnen deshalb freistellte statt des Anschlags Geld zu geben, wurden
später 1600 Knechte unter Wittembach in Sold genommen und mit landes¬
fürstlichen Commissären nach Trient geschickt. Das kleine Häuflein vermochte
der vielen Aufständischen nicht Herr zu werden, die Statthalter schrieben daher
ein Zwangsanlehen aus, vertheilten es auf das Stift Brixen, die Städte,
Klöster und Kirchen, ließen das vorräthige Gold und Silber daselbst verzeichnen,
bewerthen und das entbehrliche gegen Schuldscheine abheischen und warben
eine neue Schaar von 2000 Mann, die unter Thomas von Freundsberg und
Sigmund v. Brandeis nach dem Schauplatz des Kampfes zog. Theils durch die
einzelnen kleinen Gefechte, in denen die Bauern ihre Kräfte versplitterten, theils
durch den Schrecken vor den schauderhaften Strafen, die an den Gefangenen
vollzogen wurden, lichteten sich ihre Reihen allmählig. Nasen- und Ohrenab-
schneiden, Viertheilen, Spießen, Verbrennen waren die Mittel, wodurch man
die milde Herrschaft des Krummstabs wieder befestigte; einigen riß man bei
lebendigem Leibe das Herz aus; dem Steinmetzmeister Philipp, der den Bauern
das Schloß von Trient binnen drei Tagen niederzureißen und zu schleifen ver¬
sprach, wurden, nachdem ihn der Henker vor dieses hingeführt, die Augen aus¬
gestochen; keiner, deren man habhaft wurde, entrann ohne Brandmal auf der
Stirne. Am 15, September erschien eine Sttafordnung, welche die Rädels¬
führer nach dem Kriegsgericht mit dem Strang zu richten, an Bäumen aufzu¬
knüpfen, ihre Häuser niederzureißen und andere besonders Schuldige zu köpfen
befahl. Die übrigen sollten an ihrem Vermögen mit drei vom Hundert ge¬
büßt, zu Schadenersatz und Ablieferung der Waffen verhalten, den Entflohenen
Weib und Kinder nachgesandt und ihre Habe eingezogen werden. In jedem


Grenzboten Hi. 1865. 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/199>, abgerufen am 15.01.2025.