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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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kcipitel den tirolischen Prälaten. Pröbsten. Aebtissinnen und dem Deutschordens-
comthur. dann allen immatriculirten Adeligen, Städten und Gerichten zu. Nach
der Prüfung der Vollmachten hatten sie unter Vorsitz des Landmarschalls den
großen Ausschuß von 40 und den kleinen von 8 Mitgliedern zu wählen, die
dann über die vom Landesfürsten beantragten Gegenstände unter einander be¬
rathen und ihr Gutachten dem Landtag zur Entscheidung nach Curien vorlegen
sollten. Von den Bischöfen war diesmal keiner erschienen, da beide, jener von
Brixen sogar nach seiner Herrschaft Beides in Krain, flüchtig geworden, auch
die übrigen vom Klerus durften ihre Sitze nicht einnehmen, weil die Bürger
und Bauern weder sie noch den Adel zulassen wollten. Gleich anfangs wur¬
den sie darüber einig, von der Wahl der Ausschüsse und der Abstimmung nach
Curien abzugehen; mit dem Adel kam es aber nach zweitägiger Verhandlung
zu einem Vergleiche, wodurch sich dieser verpflichtete, in allen ziemlichen und
billigen Sachen zu ihnen zu halten. Das dagegen ergangene Verbot des
Fürsten hatte keine Wirkung, da ihm keine Macht zum Schutze der Ritterschaft
zur Verfügung stand und diese aus dem Lande verjagt zu werden fürchtete. Am
meisten war der Bauer über Salamanca erbost, wenn man ihn hörte, hatte
er die Empörung nur gemacht, um diesen zu vertreiben. Ferdinand hing an
diesem Günstling wie an seinem besten Freunde, tagtäglich wechselte er mit ihm,
der sich in Schmieden, einer fuggerschen Herrschaft im Gerichte Landsberg,
verborgen hielt, insgeheim Posten, einige von der Landschaft drangen in ihn,
sich seiner zu entschlagen, aber vergebens. Er sann nur darauf, die Bauern
durch Begütigung hinzuhalten, bis die Dinge im Reiche eine andere Wendung
nähmen. Die Allgauer, mit denen er sich durch einen zu Füssen errichteten
Vertrag geeinigt alle ihre Beschwerden gegen die Herren aus einem Tag zu
Kaufbayern entscheiden zu lassen, gingen in ihrem Zutrauen so weit, sich bei
ihm Abgeordnete von den ihnen freundlich gesinnten Städten Meran. Hall und
Glurns zu erbitten, was er dann freilich versagte. Schon lange hatten jene
mit den Tirolern und Salzburgern ein Bündniß verabredet, ihre Sache ge¬
meinschaftlich zu führen, dies ließ in Ferdinand, der davon Kenntniß hatte,
den Entschluß entstehen, sich des Erzstiftes für den Bischof zu bemächtigen.
Er hatte bereits Boten zu ihm geschickt, sich seiner Zustimmung zu versichern,
nichts schien leichter, als die Rebellen auf diese Weise zur Ruhe zu bringen,
doch eben der Verdacht einer Gebietserweiterung erweckte die Eifersucht der
bayerischen Herzoge. Gleich bei Eröffnung des Landtags sandten sie vier Ab¬
geordnete nach Innsbruck, um die Maßnahmen gegen Salzburg wahrzunehmen,
während sie vorgaben, nur ihre Herzoge gegen den Vorwurf der Wiederaufnahme
des Krieges mit den Allgäuern rechtfertigen und die Tiroler der guten Nachbarschaft
Bayerns versichern zu wollen. Ihre Berichte an den Hof zu München geben ein
treues Bild von der den Ständen gegenüber beobachtenden Haltung Ferdinands.


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kcipitel den tirolischen Prälaten. Pröbsten. Aebtissinnen und dem Deutschordens-
comthur. dann allen immatriculirten Adeligen, Städten und Gerichten zu. Nach
der Prüfung der Vollmachten hatten sie unter Vorsitz des Landmarschalls den
großen Ausschuß von 40 und den kleinen von 8 Mitgliedern zu wählen, die
dann über die vom Landesfürsten beantragten Gegenstände unter einander be¬
rathen und ihr Gutachten dem Landtag zur Entscheidung nach Curien vorlegen
sollten. Von den Bischöfen war diesmal keiner erschienen, da beide, jener von
Brixen sogar nach seiner Herrschaft Beides in Krain, flüchtig geworden, auch
die übrigen vom Klerus durften ihre Sitze nicht einnehmen, weil die Bürger
und Bauern weder sie noch den Adel zulassen wollten. Gleich anfangs wur¬
den sie darüber einig, von der Wahl der Ausschüsse und der Abstimmung nach
Curien abzugehen; mit dem Adel kam es aber nach zweitägiger Verhandlung
zu einem Vergleiche, wodurch sich dieser verpflichtete, in allen ziemlichen und
billigen Sachen zu ihnen zu halten. Das dagegen ergangene Verbot des
Fürsten hatte keine Wirkung, da ihm keine Macht zum Schutze der Ritterschaft
zur Verfügung stand und diese aus dem Lande verjagt zu werden fürchtete. Am
meisten war der Bauer über Salamanca erbost, wenn man ihn hörte, hatte
er die Empörung nur gemacht, um diesen zu vertreiben. Ferdinand hing an
diesem Günstling wie an seinem besten Freunde, tagtäglich wechselte er mit ihm,
der sich in Schmieden, einer fuggerschen Herrschaft im Gerichte Landsberg,
verborgen hielt, insgeheim Posten, einige von der Landschaft drangen in ihn,
sich seiner zu entschlagen, aber vergebens. Er sann nur darauf, die Bauern
durch Begütigung hinzuhalten, bis die Dinge im Reiche eine andere Wendung
nähmen. Die Allgauer, mit denen er sich durch einen zu Füssen errichteten
Vertrag geeinigt alle ihre Beschwerden gegen die Herren aus einem Tag zu
Kaufbayern entscheiden zu lassen, gingen in ihrem Zutrauen so weit, sich bei
ihm Abgeordnete von den ihnen freundlich gesinnten Städten Meran. Hall und
Glurns zu erbitten, was er dann freilich versagte. Schon lange hatten jene
mit den Tirolern und Salzburgern ein Bündniß verabredet, ihre Sache ge¬
meinschaftlich zu führen, dies ließ in Ferdinand, der davon Kenntniß hatte,
den Entschluß entstehen, sich des Erzstiftes für den Bischof zu bemächtigen.
Er hatte bereits Boten zu ihm geschickt, sich seiner Zustimmung zu versichern,
nichts schien leichter, als die Rebellen auf diese Weise zur Ruhe zu bringen,
doch eben der Verdacht einer Gebietserweiterung erweckte die Eifersucht der
bayerischen Herzoge. Gleich bei Eröffnung des Landtags sandten sie vier Ab¬
geordnete nach Innsbruck, um die Maßnahmen gegen Salzburg wahrzunehmen,
während sie vorgaben, nur ihre Herzoge gegen den Vorwurf der Wiederaufnahme
des Krieges mit den Allgäuern rechtfertigen und die Tiroler der guten Nachbarschaft
Bayerns versichern zu wollen. Ihre Berichte an den Hof zu München geben ein
treues Bild von der den Ständen gegenüber beobachtenden Haltung Ferdinands.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/193>, abgerufen am 15.01.2025.