Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Betreffs der Bildung der Urlisten sind in den bestehenden Gesetzen wieder Betreffs Bildung der Dienstliste aus der Urliste unterscheidet man folgende Der heutige Besetzungsmodus in Preußen gründet sich auf die s§ 62 ff. Betreffs der Bildung der Urlisten sind in den bestehenden Gesetzen wieder Betreffs Bildung der Dienstliste aus der Urliste unterscheidet man folgende Der heutige Besetzungsmodus in Preußen gründet sich auf die s§ 62 ff. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283370"/> <p xml:id="ID_26"> Betreffs der Bildung der Urlisten sind in den bestehenden Gesetzen wieder<lb/> folgende Richtungen zu unterscheiden. — Die erste: Alle Staatsbürger, welche<lb/> ein gewisses Alter haben und sich im Vollgenusse der bürgerlichen<lb/> Rechte befinden, kommen in die Urliste. Dies geschah z. B. in Frankreich<lb/> seit 1848. — Die zweite: Nur diejenigen Personen, welche gewisse Steuern<lb/> zahlen, gehören in die Liste. Hierbei faßt man aber entweder den höheren<lb/> Census als Vermuthungsgrund auf. daß die denselben zahlenden Personen die<lb/> nöthigen Eigenschaften der Geschwornen besitzen, oder man will nur den ärmeren<lb/> Bürger von der Last des Geschwornendienstes befreien. In dem einen Falle<lb/> können nur die Höckstbesteuerten Geschworne sein, (so in den Gesetzen von<lb/> Hannover, Preußen. Oldenburg), während in dem andern Falle nur ein geringer<lb/> Census verlangt wird. — Die dritte: Man verbindet den Maßstab der<lb/> Steuern mit dem der geistigen Fähigkeiten, indem man gewisse Per¬<lb/> sonen, die nicht die sonst nöthige Steuerhöhe entrichten, doch wegen ihrer<lb/> Stellung im Staate auf die Urlisten setzt. So war es in Frankreich von<lb/> 1827—1848, und so ist es heute in den meisten Staaten Deutschlands. —<lb/> Die vierte: Die Wahl aller Bürger oder bestimmter Commissionen derselben<lb/> entscheidet in den einzelnen Bezirken über die Füllung der Urlisten. Erstere<lb/> Wahl gilt gesetzlich in der Schweiz, letztere speciell in Gens. Ein ganz eigen,<lb/> thümliches Gesetz gilt in Frankfurt, wo aus verschiedenen Körperschaften, von<lb/> denen jede eine gewisse politische Parteiung vertritt, die Wahlbehörde gebildet<lb/> wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Betreffs Bildung der Dienstliste aus der Urliste unterscheidet man folgende<lb/> Arten der Reduction. Man läßt nur das Loos entscheiden (so in Nordamerika,<lb/> in Braunschweiz, vrgl. oben), oder ein Volksbeamter reducirt die Urliste<lb/> (so der Sheriff in England), oder man überträgt das Amt einem Collegium<lb/> oder einzelnen Vertrauensmännern z. B. den Gemeinderäthen, Land¬<lb/> räthen, oder höhere Verwa ltungsb caude üben es aus. indem sie nur die<lb/> Fähigsten auf die Dienstliste setzen sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Der heutige Besetzungsmodus in Preußen gründet sich auf die s§ 62 ff.<lb/> des Gesetzes vom 3. Januar 1849 und Artikel 53 ff. des Gesetzes vom<lb/> 3. Mai 1852. Nach diesen Gesetzesstellen muß, wer die Fähigkeit eines Ge¬<lb/> schwornen haben soll, ein Preuße und 30 bis 70 Jahre alt sein, die bürger¬<lb/> lichen Rechte vollständig genießen, lesen und schreiben können, wenigstens ein<lb/> Jahr in der Gemeinde wohnen, in welcher er sich aufhält, und classificirte<lb/> Einkommensteuer oder wenigstens 16 Thlr. jährlich an Klassensteuer oder<lb/> 20 Thlr. an Grundsteuer, ausschließlich der Zuschlage oder 24 Thlr. an Ge-<lb/> Werbesteuer zahlen oder zu zahlen haben, falls eine dieser Besteuerungsarten<lb/> bestände. Letztere Censusschranke greift jedoch nicht Platz bei Rechtsanwälten,<lb/> Notaren, Professoren, approbirten Aerzten und den Beamten, welche entweder</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Betreffs der Bildung der Urlisten sind in den bestehenden Gesetzen wieder
folgende Richtungen zu unterscheiden. — Die erste: Alle Staatsbürger, welche
ein gewisses Alter haben und sich im Vollgenusse der bürgerlichen
Rechte befinden, kommen in die Urliste. Dies geschah z. B. in Frankreich
seit 1848. — Die zweite: Nur diejenigen Personen, welche gewisse Steuern
zahlen, gehören in die Liste. Hierbei faßt man aber entweder den höheren
Census als Vermuthungsgrund auf. daß die denselben zahlenden Personen die
nöthigen Eigenschaften der Geschwornen besitzen, oder man will nur den ärmeren
Bürger von der Last des Geschwornendienstes befreien. In dem einen Falle
können nur die Höckstbesteuerten Geschworne sein, (so in den Gesetzen von
Hannover, Preußen. Oldenburg), während in dem andern Falle nur ein geringer
Census verlangt wird. — Die dritte: Man verbindet den Maßstab der
Steuern mit dem der geistigen Fähigkeiten, indem man gewisse Per¬
sonen, die nicht die sonst nöthige Steuerhöhe entrichten, doch wegen ihrer
Stellung im Staate auf die Urlisten setzt. So war es in Frankreich von
1827—1848, und so ist es heute in den meisten Staaten Deutschlands. —
Die vierte: Die Wahl aller Bürger oder bestimmter Commissionen derselben
entscheidet in den einzelnen Bezirken über die Füllung der Urlisten. Erstere
Wahl gilt gesetzlich in der Schweiz, letztere speciell in Gens. Ein ganz eigen,
thümliches Gesetz gilt in Frankfurt, wo aus verschiedenen Körperschaften, von
denen jede eine gewisse politische Parteiung vertritt, die Wahlbehörde gebildet
wird.
Betreffs Bildung der Dienstliste aus der Urliste unterscheidet man folgende
Arten der Reduction. Man läßt nur das Loos entscheiden (so in Nordamerika,
in Braunschweiz, vrgl. oben), oder ein Volksbeamter reducirt die Urliste
(so der Sheriff in England), oder man überträgt das Amt einem Collegium
oder einzelnen Vertrauensmännern z. B. den Gemeinderäthen, Land¬
räthen, oder höhere Verwa ltungsb caude üben es aus. indem sie nur die
Fähigsten auf die Dienstliste setzen sollen.
Der heutige Besetzungsmodus in Preußen gründet sich auf die s§ 62 ff.
des Gesetzes vom 3. Januar 1849 und Artikel 53 ff. des Gesetzes vom
3. Mai 1852. Nach diesen Gesetzesstellen muß, wer die Fähigkeit eines Ge¬
schwornen haben soll, ein Preuße und 30 bis 70 Jahre alt sein, die bürger¬
lichen Rechte vollständig genießen, lesen und schreiben können, wenigstens ein
Jahr in der Gemeinde wohnen, in welcher er sich aufhält, und classificirte
Einkommensteuer oder wenigstens 16 Thlr. jährlich an Klassensteuer oder
20 Thlr. an Grundsteuer, ausschließlich der Zuschlage oder 24 Thlr. an Ge-
Werbesteuer zahlen oder zu zahlen haben, falls eine dieser Besteuerungsarten
bestände. Letztere Censusschranke greift jedoch nicht Platz bei Rechtsanwälten,
Notaren, Professoren, approbirten Aerzten und den Beamten, welche entweder
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