Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gerichtet. Nach den Aufzeichnungen des Dr. Angerer war es ebenfalls die luthe¬
rische Gesinnung, nach andern persönliche Rache, die Peter Päßler aus Antholz
im Juli 1524 antrieb, am Spital zu Bruneck einen Absagebrief anzuschlagen;
der Stadtrichter Ludwig Ochs wußte sich seines Lebens nicht mehr sicher. Eine
ganze Schaar von Mordbrennern hatte sich mit jenem vereinigt, und als er
mehre Orte bedrohte, befahl der Erzherzog dem Hauptmann Oswald von Wolken¬
stein, einen Preis von 60--100 si. auf seinen Kopf zu setzen. Noch im Herbst
desselben Jahres wurde er eingezogen, das Urtheil verzögerte sich aber wegen
der Menge von Mitschuldigen bis zum Mai 1525.

Der Erzherzog war zu Anfang dieses Jahres mit der ganzen bewaffneten
Macht, die er durch Darleihen der Welser in Augsburg aufgebracht, in Schwaben
beschäftigt, dort hatte sich der Aufstand vom Breisgau bis an den Bodensee,
vom Allgau bis ins Ries verbreitet, die Forderungen der Bauern beschränkten
sich in 16 Artikeln zwar nur auf Abhilfe weltlicher Beschwerden, doch schon am
23. September 1523 schrieb Wilhelm Truchzeß, der östreichische Statthalter zu
Stuttgart, an Salcnnanca: Der Ungehorsam entspringe allein aus der ver¬
fluchten lutherischen Secte. In Italien wurde das kaiserliche Heer durch König
Franz den Ersten von Frankreich in Schach gehalten. Tirol war von allem Kriegs¬
volk entblößt; so scharf Ferdinands Befehle lauteten, die er an seine Commis-
säre nach Stockach erließ, hier konnte er nur eine hinaufziehende Politik ein¬
schlagen. Durch einen Landtag, den er aus die Fasten nach Innsbruck berief,
dachte er die Ruhe wiederherzustellen. Allein noch vor dessen Beginn brachen
neue Unruhen unter den Knappen in Schwätz aus. Sie hatten einen Rück¬
stand Von 40,000 si. an Hilfs- und Gnadengeldern zu fordern, verlangten
deren Auszahlung, und die Schmelzer, die auf jede Mark Silber 21 Xr. einbe¬
halten durften, konnten bei Ermanglung dieser Zahlung in das Silber greifen.
Darüber war nun in der letzten Zeit vielfältiger Zwist entstanden, die Berg¬
leute verweigerten dem Richter und ihren Vorstehern den Gehorsam, viele da¬
von zogen Anfangs Februar 1525 gegen Innsbruck, um beim Erzherzog ihre
Klage anzubringen. Dieser ging ihnen bis Hall entgegen und ertheilte eine
tröstliche Antwort. Die unruhige Menge, der sie in einem Garten vorgelesen
wurde, fand sich dadurch nicht befriedigt, die Sturmglocke wurde geläutet, alle
waffenfähige Mannschaft ins Gewehr gerufen, man beschloß noch einmal nach
Innsbruck zu rücken, um einen bestimmteren Bescheid zu holen. Ferdinand eilte
in Begleitung des Bischofs Sperantius und mehrer Räthe der zu einigen
Tausenden angewachsenen Schaar wieder bis Hall entgegen und beschwichtigte
sie auch diesmal durch das feierliche Versprechen, ihre alten Rechte und Frei¬
heiten aufrecht zu halten. Damit ließen sie sich genügen und begaben sich
nach Hause.

Aus dem Landtag, der am ersten Sonntag in der Fasten eröffnet wurde,


gerichtet. Nach den Aufzeichnungen des Dr. Angerer war es ebenfalls die luthe¬
rische Gesinnung, nach andern persönliche Rache, die Peter Päßler aus Antholz
im Juli 1524 antrieb, am Spital zu Bruneck einen Absagebrief anzuschlagen;
der Stadtrichter Ludwig Ochs wußte sich seines Lebens nicht mehr sicher. Eine
ganze Schaar von Mordbrennern hatte sich mit jenem vereinigt, und als er
mehre Orte bedrohte, befahl der Erzherzog dem Hauptmann Oswald von Wolken¬
stein, einen Preis von 60—100 si. auf seinen Kopf zu setzen. Noch im Herbst
desselben Jahres wurde er eingezogen, das Urtheil verzögerte sich aber wegen
der Menge von Mitschuldigen bis zum Mai 1525.

Der Erzherzog war zu Anfang dieses Jahres mit der ganzen bewaffneten
Macht, die er durch Darleihen der Welser in Augsburg aufgebracht, in Schwaben
beschäftigt, dort hatte sich der Aufstand vom Breisgau bis an den Bodensee,
vom Allgau bis ins Ries verbreitet, die Forderungen der Bauern beschränkten
sich in 16 Artikeln zwar nur auf Abhilfe weltlicher Beschwerden, doch schon am
23. September 1523 schrieb Wilhelm Truchzeß, der östreichische Statthalter zu
Stuttgart, an Salcnnanca: Der Ungehorsam entspringe allein aus der ver¬
fluchten lutherischen Secte. In Italien wurde das kaiserliche Heer durch König
Franz den Ersten von Frankreich in Schach gehalten. Tirol war von allem Kriegs¬
volk entblößt; so scharf Ferdinands Befehle lauteten, die er an seine Commis-
säre nach Stockach erließ, hier konnte er nur eine hinaufziehende Politik ein¬
schlagen. Durch einen Landtag, den er aus die Fasten nach Innsbruck berief,
dachte er die Ruhe wiederherzustellen. Allein noch vor dessen Beginn brachen
neue Unruhen unter den Knappen in Schwätz aus. Sie hatten einen Rück¬
stand Von 40,000 si. an Hilfs- und Gnadengeldern zu fordern, verlangten
deren Auszahlung, und die Schmelzer, die auf jede Mark Silber 21 Xr. einbe¬
halten durften, konnten bei Ermanglung dieser Zahlung in das Silber greifen.
Darüber war nun in der letzten Zeit vielfältiger Zwist entstanden, die Berg¬
leute verweigerten dem Richter und ihren Vorstehern den Gehorsam, viele da¬
von zogen Anfangs Februar 1525 gegen Innsbruck, um beim Erzherzog ihre
Klage anzubringen. Dieser ging ihnen bis Hall entgegen und ertheilte eine
tröstliche Antwort. Die unruhige Menge, der sie in einem Garten vorgelesen
wurde, fand sich dadurch nicht befriedigt, die Sturmglocke wurde geläutet, alle
waffenfähige Mannschaft ins Gewehr gerufen, man beschloß noch einmal nach
Innsbruck zu rücken, um einen bestimmteren Bescheid zu holen. Ferdinand eilte
in Begleitung des Bischofs Sperantius und mehrer Räthe der zu einigen
Tausenden angewachsenen Schaar wieder bis Hall entgegen und beschwichtigte
sie auch diesmal durch das feierliche Versprechen, ihre alten Rechte und Frei¬
heiten aufrecht zu halten. Damit ließen sie sich genügen und begaben sich
nach Hause.

Aus dem Landtag, der am ersten Sonntag in der Fasten eröffnet wurde,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283519"/>
          <p xml:id="ID_498" prev="#ID_497"> gerichtet. Nach den Aufzeichnungen des Dr. Angerer war es ebenfalls die luthe¬<lb/>
rische Gesinnung, nach andern persönliche Rache, die Peter Päßler aus Antholz<lb/>
im Juli 1524 antrieb, am Spital zu Bruneck einen Absagebrief anzuschlagen;<lb/>
der Stadtrichter Ludwig Ochs wußte sich seines Lebens nicht mehr sicher. Eine<lb/>
ganze Schaar von Mordbrennern hatte sich mit jenem vereinigt, und als er<lb/>
mehre Orte bedrohte, befahl der Erzherzog dem Hauptmann Oswald von Wolken¬<lb/>
stein, einen Preis von 60&#x2014;100 si. auf seinen Kopf zu setzen. Noch im Herbst<lb/>
desselben Jahres wurde er eingezogen, das Urtheil verzögerte sich aber wegen<lb/>
der Menge von Mitschuldigen bis zum Mai 1525.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_499"> Der Erzherzog war zu Anfang dieses Jahres mit der ganzen bewaffneten<lb/>
Macht, die er durch Darleihen der Welser in Augsburg aufgebracht, in Schwaben<lb/>
beschäftigt, dort hatte sich der Aufstand vom Breisgau bis an den Bodensee,<lb/>
vom Allgau bis ins Ries verbreitet, die Forderungen der Bauern beschränkten<lb/>
sich in 16 Artikeln zwar nur auf Abhilfe weltlicher Beschwerden, doch schon am<lb/>
23. September 1523 schrieb Wilhelm Truchzeß, der östreichische Statthalter zu<lb/>
Stuttgart, an Salcnnanca: Der Ungehorsam entspringe allein aus der ver¬<lb/>
fluchten lutherischen Secte. In Italien wurde das kaiserliche Heer durch König<lb/>
Franz den Ersten von Frankreich in Schach gehalten. Tirol war von allem Kriegs¬<lb/>
volk entblößt; so scharf Ferdinands Befehle lauteten, die er an seine Commis-<lb/>
säre nach Stockach erließ, hier konnte er nur eine hinaufziehende Politik ein¬<lb/>
schlagen. Durch einen Landtag, den er aus die Fasten nach Innsbruck berief,<lb/>
dachte er die Ruhe wiederherzustellen. Allein noch vor dessen Beginn brachen<lb/>
neue Unruhen unter den Knappen in Schwätz aus. Sie hatten einen Rück¬<lb/>
stand Von 40,000 si. an Hilfs- und Gnadengeldern zu fordern, verlangten<lb/>
deren Auszahlung, und die Schmelzer, die auf jede Mark Silber 21 Xr. einbe¬<lb/>
halten durften, konnten bei Ermanglung dieser Zahlung in das Silber greifen.<lb/>
Darüber war nun in der letzten Zeit vielfältiger Zwist entstanden, die Berg¬<lb/>
leute verweigerten dem Richter und ihren Vorstehern den Gehorsam, viele da¬<lb/>
von zogen Anfangs Februar 1525 gegen Innsbruck, um beim Erzherzog ihre<lb/>
Klage anzubringen. Dieser ging ihnen bis Hall entgegen und ertheilte eine<lb/>
tröstliche Antwort. Die unruhige Menge, der sie in einem Garten vorgelesen<lb/>
wurde, fand sich dadurch nicht befriedigt, die Sturmglocke wurde geläutet, alle<lb/>
waffenfähige Mannschaft ins Gewehr gerufen, man beschloß noch einmal nach<lb/>
Innsbruck zu rücken, um einen bestimmteren Bescheid zu holen. Ferdinand eilte<lb/>
in Begleitung des Bischofs Sperantius und mehrer Räthe der zu einigen<lb/>
Tausenden angewachsenen Schaar wieder bis Hall entgegen und beschwichtigte<lb/>
sie auch diesmal durch das feierliche Versprechen, ihre alten Rechte und Frei¬<lb/>
heiten aufrecht zu halten. Damit ließen sie sich genügen und begaben sich<lb/>
nach Hause.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500" next="#ID_501"> Aus dem Landtag, der am ersten Sonntag in der Fasten eröffnet wurde,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0166] gerichtet. Nach den Aufzeichnungen des Dr. Angerer war es ebenfalls die luthe¬ rische Gesinnung, nach andern persönliche Rache, die Peter Päßler aus Antholz im Juli 1524 antrieb, am Spital zu Bruneck einen Absagebrief anzuschlagen; der Stadtrichter Ludwig Ochs wußte sich seines Lebens nicht mehr sicher. Eine ganze Schaar von Mordbrennern hatte sich mit jenem vereinigt, und als er mehre Orte bedrohte, befahl der Erzherzog dem Hauptmann Oswald von Wolken¬ stein, einen Preis von 60—100 si. auf seinen Kopf zu setzen. Noch im Herbst desselben Jahres wurde er eingezogen, das Urtheil verzögerte sich aber wegen der Menge von Mitschuldigen bis zum Mai 1525. Der Erzherzog war zu Anfang dieses Jahres mit der ganzen bewaffneten Macht, die er durch Darleihen der Welser in Augsburg aufgebracht, in Schwaben beschäftigt, dort hatte sich der Aufstand vom Breisgau bis an den Bodensee, vom Allgau bis ins Ries verbreitet, die Forderungen der Bauern beschränkten sich in 16 Artikeln zwar nur auf Abhilfe weltlicher Beschwerden, doch schon am 23. September 1523 schrieb Wilhelm Truchzeß, der östreichische Statthalter zu Stuttgart, an Salcnnanca: Der Ungehorsam entspringe allein aus der ver¬ fluchten lutherischen Secte. In Italien wurde das kaiserliche Heer durch König Franz den Ersten von Frankreich in Schach gehalten. Tirol war von allem Kriegs¬ volk entblößt; so scharf Ferdinands Befehle lauteten, die er an seine Commis- säre nach Stockach erließ, hier konnte er nur eine hinaufziehende Politik ein¬ schlagen. Durch einen Landtag, den er aus die Fasten nach Innsbruck berief, dachte er die Ruhe wiederherzustellen. Allein noch vor dessen Beginn brachen neue Unruhen unter den Knappen in Schwätz aus. Sie hatten einen Rück¬ stand Von 40,000 si. an Hilfs- und Gnadengeldern zu fordern, verlangten deren Auszahlung, und die Schmelzer, die auf jede Mark Silber 21 Xr. einbe¬ halten durften, konnten bei Ermanglung dieser Zahlung in das Silber greifen. Darüber war nun in der letzten Zeit vielfältiger Zwist entstanden, die Berg¬ leute verweigerten dem Richter und ihren Vorstehern den Gehorsam, viele da¬ von zogen Anfangs Februar 1525 gegen Innsbruck, um beim Erzherzog ihre Klage anzubringen. Dieser ging ihnen bis Hall entgegen und ertheilte eine tröstliche Antwort. Die unruhige Menge, der sie in einem Garten vorgelesen wurde, fand sich dadurch nicht befriedigt, die Sturmglocke wurde geläutet, alle waffenfähige Mannschaft ins Gewehr gerufen, man beschloß noch einmal nach Innsbruck zu rücken, um einen bestimmteren Bescheid zu holen. Ferdinand eilte in Begleitung des Bischofs Sperantius und mehrer Räthe der zu einigen Tausenden angewachsenen Schaar wieder bis Hall entgegen und beschwichtigte sie auch diesmal durch das feierliche Versprechen, ihre alten Rechte und Frei¬ heiten aufrecht zu halten. Damit ließen sie sich genügen und begaben sich nach Hause. Aus dem Landtag, der am ersten Sonntag in der Fasten eröffnet wurde,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/166
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/166>, abgerufen am 15.01.2025.