Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ein Paar ganz verständige Menschen, die die Prinzen aus ihren Strand¬
reisen zu sehen Gelegenheit gehabt, sagten vorgestern zu mir, schad um den
Kronprinzen, daß man seine Geistesfähigkeiten nicht besser zu benutzen sucht
und sich der Gefahr aussetzt, ihn bey längerer Versäumnis; in der Folge nicht
mehr gehörig bilden zu können. --

Durch ein schon mündlich abgelegtes Bekenntniß hab ich E. K. M. bereits
zu bezeugen gewagt, wie sehr mir dieser Punkt an und auf dem Herzen liegt
-- so oft ich den Minister Stein spreche wird seiner erwähnt, aber wenn im
Mutterherzen nicht Muth genug ist beym Vater auf eine Abänderung anzutragen
und darauf zu bestehen, wer wird es denn vermögen?"

Endlich folgen die von der Königin erbetenen Erklärungen der ihr beim
Lesen des süvernschen Manuscripts unverständlich gebliebenen Ausdrücke und
Anspielungen. Auch sie sind ziemlich charakteristisch, und so mögen sie zum
Schlüsse dieser Auszüge aus dem Briefwechsel wörtlich hier stehn. Scheffner
erwidert:

"Die punischen Kriege wurden in 3 Reprisen von den Römern gegen
Carthago geführt. Im zweiten glänzte Hannibal, im dritten wurde Carthago
zerstöhrt.

Die Gracchen waren 2 Brüder aus einem vornehmen römischen Geschlecht,
ihre Mutter war die berühmte Cornelia, die einer andern Römerin, die ihr"
Kostbarkeiten zu sehen wünschte, diese ihre beyden Söhne vorstellte. Beyde
Gracchen waren höchst edle Menschen, aber ein gewisser excentrisirender Stolz
Verleitete sie ein wenig g, 1s, Mrabög.u zu handeln, manche dem Volk günstige
Gesezze, unter andern das über die gleiche Vertheilung der Aecker in Vorschlag
zu bringen. Beyde konnten ihren Plan nicht durchsezzen, sondern verlohren
durch die Hand roher Verwandten das Leben.

Das Wort Hierarchie wird am gewöhnlichsten vom Priester-Regiment
und -Ordnung gebraucht, man bedient sich aber seiner auch bey anderen Negie-
rungsordnungen mit Beysetzung ein Beyworts; so giebt es denn eine Hierarchie
wilitaire, Hierarchie ac xolies, ne ^ustiee :c. Die angekreuzte Stelle möchte
wohl nicht das Zeitalter der Rilterzeitblüthe betreffen, sondern eine Zeit, die nur
existiren kann und wird unter einer Königin wie E. M., die durch Einsicht, Muth
und Beispiel alles Ihr ähnlich adel und gemüthlich zu machen gebohren ist. Schade
ist es freylich um die Griechen- und Römerwelt; da aber E. K. M. sehr gut
getroffen haben, daß durch zu fein gewordene Gefühle und durch ungezügelte
Phantasie-Bedürfnisse das glücklichste Zeitalter der Germanen aufgelöst sey, so
müste die jezzige Zeit um so mehr darnach streben die Einfachheit der Griechen
und die Stärke der Römer sich anzueignen."




„Ein Paar ganz verständige Menschen, die die Prinzen aus ihren Strand¬
reisen zu sehen Gelegenheit gehabt, sagten vorgestern zu mir, schad um den
Kronprinzen, daß man seine Geistesfähigkeiten nicht besser zu benutzen sucht
und sich der Gefahr aussetzt, ihn bey längerer Versäumnis; in der Folge nicht
mehr gehörig bilden zu können. —

Durch ein schon mündlich abgelegtes Bekenntniß hab ich E. K. M. bereits
zu bezeugen gewagt, wie sehr mir dieser Punkt an und auf dem Herzen liegt
— so oft ich den Minister Stein spreche wird seiner erwähnt, aber wenn im
Mutterherzen nicht Muth genug ist beym Vater auf eine Abänderung anzutragen
und darauf zu bestehen, wer wird es denn vermögen?"

Endlich folgen die von der Königin erbetenen Erklärungen der ihr beim
Lesen des süvernschen Manuscripts unverständlich gebliebenen Ausdrücke und
Anspielungen. Auch sie sind ziemlich charakteristisch, und so mögen sie zum
Schlüsse dieser Auszüge aus dem Briefwechsel wörtlich hier stehn. Scheffner
erwidert:

„Die punischen Kriege wurden in 3 Reprisen von den Römern gegen
Carthago geführt. Im zweiten glänzte Hannibal, im dritten wurde Carthago
zerstöhrt.

Die Gracchen waren 2 Brüder aus einem vornehmen römischen Geschlecht,
ihre Mutter war die berühmte Cornelia, die einer andern Römerin, die ihr«
Kostbarkeiten zu sehen wünschte, diese ihre beyden Söhne vorstellte. Beyde
Gracchen waren höchst edle Menschen, aber ein gewisser excentrisirender Stolz
Verleitete sie ein wenig g, 1s, Mrabög.u zu handeln, manche dem Volk günstige
Gesezze, unter andern das über die gleiche Vertheilung der Aecker in Vorschlag
zu bringen. Beyde konnten ihren Plan nicht durchsezzen, sondern verlohren
durch die Hand roher Verwandten das Leben.

Das Wort Hierarchie wird am gewöhnlichsten vom Priester-Regiment
und -Ordnung gebraucht, man bedient sich aber seiner auch bey anderen Negie-
rungsordnungen mit Beysetzung ein Beyworts; so giebt es denn eine Hierarchie
wilitaire, Hierarchie ac xolies, ne ^ustiee :c. Die angekreuzte Stelle möchte
wohl nicht das Zeitalter der Rilterzeitblüthe betreffen, sondern eine Zeit, die nur
existiren kann und wird unter einer Königin wie E. M., die durch Einsicht, Muth
und Beispiel alles Ihr ähnlich adel und gemüthlich zu machen gebohren ist. Schade
ist es freylich um die Griechen- und Römerwelt; da aber E. K. M. sehr gut
getroffen haben, daß durch zu fein gewordene Gefühle und durch ungezügelte
Phantasie-Bedürfnisse das glücklichste Zeitalter der Germanen aufgelöst sey, so
müste die jezzige Zeit um so mehr darnach streben die Einfachheit der Griechen
und die Stärke der Römer sich anzueignen."




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283506"/>
          <p xml:id="ID_461"> &#x201E;Ein Paar ganz verständige Menschen, die die Prinzen aus ihren Strand¬<lb/>
reisen zu sehen Gelegenheit gehabt, sagten vorgestern zu mir, schad um den<lb/>
Kronprinzen, daß man seine Geistesfähigkeiten nicht besser zu benutzen sucht<lb/>
und sich der Gefahr aussetzt, ihn bey längerer Versäumnis; in der Folge nicht<lb/>
mehr gehörig bilden zu können. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_462"> Durch ein schon mündlich abgelegtes Bekenntniß hab ich E. K. M. bereits<lb/>
zu bezeugen gewagt, wie sehr mir dieser Punkt an und auf dem Herzen liegt<lb/>
&#x2014; so oft ich den Minister Stein spreche wird seiner erwähnt, aber wenn im<lb/>
Mutterherzen nicht Muth genug ist beym Vater auf eine Abänderung anzutragen<lb/>
und darauf zu bestehen, wer wird es denn vermögen?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_463"> Endlich folgen die von der Königin erbetenen Erklärungen der ihr beim<lb/>
Lesen des süvernschen Manuscripts unverständlich gebliebenen Ausdrücke und<lb/>
Anspielungen. Auch sie sind ziemlich charakteristisch, und so mögen sie zum<lb/>
Schlüsse dieser Auszüge aus dem Briefwechsel wörtlich hier stehn. Scheffner<lb/>
erwidert:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_464"> &#x201E;Die punischen Kriege wurden in 3 Reprisen von den Römern gegen<lb/>
Carthago geführt. Im zweiten glänzte Hannibal, im dritten wurde Carthago<lb/>
zerstöhrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_465"> Die Gracchen waren 2 Brüder aus einem vornehmen römischen Geschlecht,<lb/>
ihre Mutter war die berühmte Cornelia, die einer andern Römerin, die ihr«<lb/>
Kostbarkeiten zu sehen wünschte, diese ihre beyden Söhne vorstellte. Beyde<lb/>
Gracchen waren höchst edle Menschen, aber ein gewisser excentrisirender Stolz<lb/>
Verleitete sie ein wenig g, 1s, Mrabög.u zu handeln, manche dem Volk günstige<lb/>
Gesezze, unter andern das über die gleiche Vertheilung der Aecker in Vorschlag<lb/>
zu bringen. Beyde konnten ihren Plan nicht durchsezzen, sondern verlohren<lb/>
durch die Hand roher Verwandten das Leben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_466"> Das Wort Hierarchie wird am gewöhnlichsten vom Priester-Regiment<lb/>
und -Ordnung gebraucht, man bedient sich aber seiner auch bey anderen Negie-<lb/>
rungsordnungen mit Beysetzung ein Beyworts; so giebt es denn eine Hierarchie<lb/>
wilitaire, Hierarchie ac xolies, ne ^ustiee :c. Die angekreuzte Stelle möchte<lb/>
wohl nicht das Zeitalter der Rilterzeitblüthe betreffen, sondern eine Zeit, die nur<lb/>
existiren kann und wird unter einer Königin wie E. M., die durch Einsicht, Muth<lb/>
und Beispiel alles Ihr ähnlich adel und gemüthlich zu machen gebohren ist. Schade<lb/>
ist es freylich um die Griechen- und Römerwelt; da aber E. K. M. sehr gut<lb/>
getroffen haben, daß durch zu fein gewordene Gefühle und durch ungezügelte<lb/>
Phantasie-Bedürfnisse das glücklichste Zeitalter der Germanen aufgelöst sey, so<lb/>
müste die jezzige Zeit um so mehr darnach streben die Einfachheit der Griechen<lb/>
und die Stärke der Römer sich anzueignen."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0153] „Ein Paar ganz verständige Menschen, die die Prinzen aus ihren Strand¬ reisen zu sehen Gelegenheit gehabt, sagten vorgestern zu mir, schad um den Kronprinzen, daß man seine Geistesfähigkeiten nicht besser zu benutzen sucht und sich der Gefahr aussetzt, ihn bey längerer Versäumnis; in der Folge nicht mehr gehörig bilden zu können. — Durch ein schon mündlich abgelegtes Bekenntniß hab ich E. K. M. bereits zu bezeugen gewagt, wie sehr mir dieser Punkt an und auf dem Herzen liegt — so oft ich den Minister Stein spreche wird seiner erwähnt, aber wenn im Mutterherzen nicht Muth genug ist beym Vater auf eine Abänderung anzutragen und darauf zu bestehen, wer wird es denn vermögen?" Endlich folgen die von der Königin erbetenen Erklärungen der ihr beim Lesen des süvernschen Manuscripts unverständlich gebliebenen Ausdrücke und Anspielungen. Auch sie sind ziemlich charakteristisch, und so mögen sie zum Schlüsse dieser Auszüge aus dem Briefwechsel wörtlich hier stehn. Scheffner erwidert: „Die punischen Kriege wurden in 3 Reprisen von den Römern gegen Carthago geführt. Im zweiten glänzte Hannibal, im dritten wurde Carthago zerstöhrt. Die Gracchen waren 2 Brüder aus einem vornehmen römischen Geschlecht, ihre Mutter war die berühmte Cornelia, die einer andern Römerin, die ihr« Kostbarkeiten zu sehen wünschte, diese ihre beyden Söhne vorstellte. Beyde Gracchen waren höchst edle Menschen, aber ein gewisser excentrisirender Stolz Verleitete sie ein wenig g, 1s, Mrabög.u zu handeln, manche dem Volk günstige Gesezze, unter andern das über die gleiche Vertheilung der Aecker in Vorschlag zu bringen. Beyde konnten ihren Plan nicht durchsezzen, sondern verlohren durch die Hand roher Verwandten das Leben. Das Wort Hierarchie wird am gewöhnlichsten vom Priester-Regiment und -Ordnung gebraucht, man bedient sich aber seiner auch bey anderen Negie- rungsordnungen mit Beysetzung ein Beyworts; so giebt es denn eine Hierarchie wilitaire, Hierarchie ac xolies, ne ^ustiee :c. Die angekreuzte Stelle möchte wohl nicht das Zeitalter der Rilterzeitblüthe betreffen, sondern eine Zeit, die nur existiren kann und wird unter einer Königin wie E. M., die durch Einsicht, Muth und Beispiel alles Ihr ähnlich adel und gemüthlich zu machen gebohren ist. Schade ist es freylich um die Griechen- und Römerwelt; da aber E. K. M. sehr gut getroffen haben, daß durch zu fein gewordene Gefühle und durch ungezügelte Phantasie-Bedürfnisse das glücklichste Zeitalter der Germanen aufgelöst sey, so müste die jezzige Zeit um so mehr darnach streben die Einfachheit der Griechen und die Stärke der Römer sich anzueignen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/153
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/153>, abgerufen am 15.01.2025.