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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Vermischte Literatur.
Cäsariana. Apercus eines Despoien. Von A. Nogeard. Verfasser der
"Les xroxos as I^vierms". Einzige vom Verfasser autoristrte deutsche Ausgabe.
1. Heft. Prag, A. G. Steinhauser. 1865.

Will, indem es gewisse Aussprüche Cäsars erörtert, "noch ein Commentar zur
Geschichte Julius Cäsars von Napoleon dem Dritten" sein. Der Verfasser ist ein
Mann von Geist und Wissen, seine Betrachtungsweise aber ist durchaus tendenziös,
Cäsar für ihn nichts als ein großer Verbrecher, wie "alle jene Elenden, die in den
modernen Zeiten seine Maske wieder aufgenommen und seine Rolle weiter gespielt
haben." Von größerem Interesse ist uns die vorausgesandte Biographie Nogcards,
der vor einigen Wochen bekanntlich durch eine kleine Broschüre und gewissermaßen
über Nacht für einige Zeit zu einer europäischen Berühmtheit wurde, und von dem
wir hoffen dürfen, daß er sich nicht so rasch wieder in Vergessenheit sinken lassen
wird, wie der gute Nikolaus Becker, dem mit seinem Nheinlicd ein ähnliches Glück
widerfuhr. Wir geben aus dieser Biographie einen Auszug.

Louis Auguste Rogcard wurde am 25. April 1820 zu Chartres geboren.
Sein Vater war Offizier. 1840 war er Lehrer der Normalschule, dann Professor in
Obernay im Bas-Rhin, wo er sich 1842 zur Messe zu gehen weigerte. Später
lehrte er zu Libourne in der Gironde, zu Angoulsmc, zu Brives und zu Pan.
Am letzterem Orte erlaubte er sich scharfe Bemerkungen über die Verwaltung der
Armcngelder durch die Geistlichkeit, die sehr übel vermerkt wurden, 1849 nahm er
Urlaub, um nach Paris zu gehen, wo er sich lebhaft an allen Kundgebungen der
revolutionären Parteien betheiligte. Nach Pan zurückgekehrt und zum Lehrer in der
Tertia aufgerückt, erhielt er vier Monate nach dem Staatsstreiche wegen Eidesver¬
weigerung seine Entlassung, worauf er zuerst wieder nach Paris, dann auf fünf
Monate als Hauslehrer nach England ging. Dann war er in gleicher Eigenschaft
zwei Jahre wieder in Paris. Endlich solcher abhängigen Stellungen müde, machte
er sich zum protessLur lidrs. Jetzt versuchte er sich auch zum ersten Mal in der
Literatur. 1853 erschien im "Avenir" von ihm eine Studie "vu rükt 6s la litts-
raturv äaos Iss öoeiötös". 1855 wurde er wegen Betheiligung an den Unruhen, die bei
Nisärds Vorlesungen in der Sorbonne stattfanden, in Anklagestand versetzt und erst
zu vier Monat Einsparung ver urtheilt, dann auf eine Vertheidigung durch Emile
Ollivier freigesprochen. 2. Februar 1856 wurde Nogeard abermals und zwar dies¬
mal des Nachts in seiner Wohnung verhaftet. Er sollte eine geheime Gesellschaft
gestiftet haben, und fo brachte man ihn nach Mazas, wo er einen vollen Monat
saß, ohne verhört zu werden. Dann wurde er ohne Erklärung entlassen.

Natürlich erhitzte diese Maßregel Nogeard nur zu größerem Haß gegen das
herrschende System. Er hegte den glühendsten Wunsch, sich zu rächen, nur wußte
er lange nicht, wie er den empfindlichsten Schlag führen sollte und auf welchem
Felde. Er wandte sich jetzt entschiedener der Literatur zu und trat mit dem Quartier


Vermischte Literatur.
Cäsariana. Apercus eines Despoien. Von A. Nogeard. Verfasser der
„Les xroxos as I^vierms". Einzige vom Verfasser autoristrte deutsche Ausgabe.
1. Heft. Prag, A. G. Steinhauser. 1865.

Will, indem es gewisse Aussprüche Cäsars erörtert, „noch ein Commentar zur
Geschichte Julius Cäsars von Napoleon dem Dritten" sein. Der Verfasser ist ein
Mann von Geist und Wissen, seine Betrachtungsweise aber ist durchaus tendenziös,
Cäsar für ihn nichts als ein großer Verbrecher, wie „alle jene Elenden, die in den
modernen Zeiten seine Maske wieder aufgenommen und seine Rolle weiter gespielt
haben." Von größerem Interesse ist uns die vorausgesandte Biographie Nogcards,
der vor einigen Wochen bekanntlich durch eine kleine Broschüre und gewissermaßen
über Nacht für einige Zeit zu einer europäischen Berühmtheit wurde, und von dem
wir hoffen dürfen, daß er sich nicht so rasch wieder in Vergessenheit sinken lassen
wird, wie der gute Nikolaus Becker, dem mit seinem Nheinlicd ein ähnliches Glück
widerfuhr. Wir geben aus dieser Biographie einen Auszug.

Louis Auguste Rogcard wurde am 25. April 1820 zu Chartres geboren.
Sein Vater war Offizier. 1840 war er Lehrer der Normalschule, dann Professor in
Obernay im Bas-Rhin, wo er sich 1842 zur Messe zu gehen weigerte. Später
lehrte er zu Libourne in der Gironde, zu Angoulsmc, zu Brives und zu Pan.
Am letzterem Orte erlaubte er sich scharfe Bemerkungen über die Verwaltung der
Armcngelder durch die Geistlichkeit, die sehr übel vermerkt wurden, 1849 nahm er
Urlaub, um nach Paris zu gehen, wo er sich lebhaft an allen Kundgebungen der
revolutionären Parteien betheiligte. Nach Pan zurückgekehrt und zum Lehrer in der
Tertia aufgerückt, erhielt er vier Monate nach dem Staatsstreiche wegen Eidesver¬
weigerung seine Entlassung, worauf er zuerst wieder nach Paris, dann auf fünf
Monate als Hauslehrer nach England ging. Dann war er in gleicher Eigenschaft
zwei Jahre wieder in Paris. Endlich solcher abhängigen Stellungen müde, machte
er sich zum protessLur lidrs. Jetzt versuchte er sich auch zum ersten Mal in der
Literatur. 1853 erschien im „Avenir" von ihm eine Studie „vu rükt 6s la litts-
raturv äaos Iss öoeiötös". 1855 wurde er wegen Betheiligung an den Unruhen, die bei
Nisärds Vorlesungen in der Sorbonne stattfanden, in Anklagestand versetzt und erst
zu vier Monat Einsparung ver urtheilt, dann auf eine Vertheidigung durch Emile
Ollivier freigesprochen. 2. Februar 1856 wurde Nogeard abermals und zwar dies¬
mal des Nachts in seiner Wohnung verhaftet. Er sollte eine geheime Gesellschaft
gestiftet haben, und fo brachte man ihn nach Mazas, wo er einen vollen Monat
saß, ohne verhört zu werden. Dann wurde er ohne Erklärung entlassen.

Natürlich erhitzte diese Maßregel Nogeard nur zu größerem Haß gegen das
herrschende System. Er hegte den glühendsten Wunsch, sich zu rächen, nur wußte
er lange nicht, wie er den empfindlichsten Schlag führen sollte und auf welchem
Felde. Er wandte sich jetzt entschiedener der Literatur zu und trat mit dem Quartier


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[0126] Vermischte Literatur. Cäsariana. Apercus eines Despoien. Von A. Nogeard. Verfasser der „Les xroxos as I^vierms". Einzige vom Verfasser autoristrte deutsche Ausgabe. 1. Heft. Prag, A. G. Steinhauser. 1865. Will, indem es gewisse Aussprüche Cäsars erörtert, „noch ein Commentar zur Geschichte Julius Cäsars von Napoleon dem Dritten" sein. Der Verfasser ist ein Mann von Geist und Wissen, seine Betrachtungsweise aber ist durchaus tendenziös, Cäsar für ihn nichts als ein großer Verbrecher, wie „alle jene Elenden, die in den modernen Zeiten seine Maske wieder aufgenommen und seine Rolle weiter gespielt haben." Von größerem Interesse ist uns die vorausgesandte Biographie Nogcards, der vor einigen Wochen bekanntlich durch eine kleine Broschüre und gewissermaßen über Nacht für einige Zeit zu einer europäischen Berühmtheit wurde, und von dem wir hoffen dürfen, daß er sich nicht so rasch wieder in Vergessenheit sinken lassen wird, wie der gute Nikolaus Becker, dem mit seinem Nheinlicd ein ähnliches Glück widerfuhr. Wir geben aus dieser Biographie einen Auszug. Louis Auguste Rogcard wurde am 25. April 1820 zu Chartres geboren. Sein Vater war Offizier. 1840 war er Lehrer der Normalschule, dann Professor in Obernay im Bas-Rhin, wo er sich 1842 zur Messe zu gehen weigerte. Später lehrte er zu Libourne in der Gironde, zu Angoulsmc, zu Brives und zu Pan. Am letzterem Orte erlaubte er sich scharfe Bemerkungen über die Verwaltung der Armcngelder durch die Geistlichkeit, die sehr übel vermerkt wurden, 1849 nahm er Urlaub, um nach Paris zu gehen, wo er sich lebhaft an allen Kundgebungen der revolutionären Parteien betheiligte. Nach Pan zurückgekehrt und zum Lehrer in der Tertia aufgerückt, erhielt er vier Monate nach dem Staatsstreiche wegen Eidesver¬ weigerung seine Entlassung, worauf er zuerst wieder nach Paris, dann auf fünf Monate als Hauslehrer nach England ging. Dann war er in gleicher Eigenschaft zwei Jahre wieder in Paris. Endlich solcher abhängigen Stellungen müde, machte er sich zum protessLur lidrs. Jetzt versuchte er sich auch zum ersten Mal in der Literatur. 1853 erschien im „Avenir" von ihm eine Studie „vu rükt 6s la litts- raturv äaos Iss öoeiötös". 1855 wurde er wegen Betheiligung an den Unruhen, die bei Nisärds Vorlesungen in der Sorbonne stattfanden, in Anklagestand versetzt und erst zu vier Monat Einsparung ver urtheilt, dann auf eine Vertheidigung durch Emile Ollivier freigesprochen. 2. Februar 1856 wurde Nogeard abermals und zwar dies¬ mal des Nachts in seiner Wohnung verhaftet. Er sollte eine geheime Gesellschaft gestiftet haben, und fo brachte man ihn nach Mazas, wo er einen vollen Monat saß, ohne verhört zu werden. Dann wurde er ohne Erklärung entlassen. Natürlich erhitzte diese Maßregel Nogeard nur zu größerem Haß gegen das herrschende System. Er hegte den glühendsten Wunsch, sich zu rächen, nur wußte er lange nicht, wie er den empfindlichsten Schlag führen sollte und auf welchem Felde. Er wandte sich jetzt entschiedener der Literatur zu und trat mit dem Quartier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/126>, abgerufen am 15.01.2025.