Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Um dies klar zu machen, fragen wir mit der Denkschrift: was fordern
merkantile und militärisch-politische Zwecke von dem Kanal? Die Antwort
lautet: möglichste Abkürzung des Weges von der Ostsee in die Nordsee und
möglichste Verminderung der Gefahren der Seefahrt, also möglichstes Vermeiden
der besonders gefahrreichen Westküste der cimbrischen Halbinsel. Dann an
beiden Endpunkten sichere Häfen und Rheden und vor denselben möglichst freies
Fahrwasser zu unbehindertem An- und Aussegeln. Ein ferneres Erforderniß
ist eine hinreichende Tiefe für die Passage großer Schiffe. Sodann muß der
Kanal der für ihn zu erwartenden starken Frequenz vollkommen genügen, an
seinen beiden Mündungen Raum zur Anlage von Werften, Docks, Marine¬
etablissements und Handelsdepots bieten, die vollständig sichere Befestigung
dieser Bauten sammt den vor ihnen liegenden Flottenhäfen gestatten und --
eine Hauptforderung -- sich in seiner ganzen Ausdehnung auf einer strategisch
thunlichst gedeckten Linie befinden. Endlich muh der Kanal rentabel sein, d. h.
seine Bau- und Unterhaltungskosten müssen sich durch die zu erhebende Kanal¬
abgabe verzinsen.

Giebt man die Richtigkeit dieser Sätze zu, so wird dasjenige Project,
welches in Betreff des einen oder des andern große Mängel zeigt, bedenklich,
dasjenige, welches gegen mehre verstößt, sofort zu streichen sein, und damit
fällt der Plan des Herrn v. Puttkammer, was auch die vielcolportirte "Ge¬
horsamste Vorstellung der alten bei der Schifffahrt ergrauten Schiffskapitäne"
vom 20. Januar dieses Jahres Schönes und Wunderbares über die Vor¬
züglichkeit desselben dem Ministerium und dem Landtag in Berlin ans Herz
gelegt hat, ohne Weiteres zu Boden.

Es ist richtig, die Linie Husum-Schleswig-Eckernförde empfiehlt
sich unter anderm dadurch, daß sie die bei Weitem kürzeste und. falls man an
einen Kanal, nicht mit Herrn v. Puttkammer an einen einfachen Durchstich dächte,
zwischen Husum und Eckernförde am wohlfeilsten ausführbar sein würde. Sie
leidet aber erstens sowohl für die Interessen des Handels als für die der
Kriegsmarine an wesentlichen Mängeln. Sie ist ohne strategische Deckung gegen
Norden hin, worüber später ausführlich zu sprechen sein wird, und die Hever
ist kein Flußlauf, der einem Gefälle des Wassers vom Lande her seine Ent¬
stehung verdankt, also nicht etwa als Fortsetzung der husumer An zu betrachten,
sondern ein Waldstrom, abhängig von den durch Ebbe und Fluth veranlaßten
Meeresbewegungen zwischen dem Festland und den Inseln Westschleswigs.
Jede Veränderung in den Verhältnissen zwischen diesen Punkten der Westküste
muß umgestaltend auf die Hever wirken, die z. B. wenn die Insel Nordstrand
landfest würde oder wenn sich nur zwischen dieser und dem Continent höhere
Watten bildeten, Richtung und Tiefe völlig ändern müßte. Gesetzt ferner, es
Wäre wirklich, wie verlautet, jetzt eine Tiefe von 22 Fuß und darüber auf der


Um dies klar zu machen, fragen wir mit der Denkschrift: was fordern
merkantile und militärisch-politische Zwecke von dem Kanal? Die Antwort
lautet: möglichste Abkürzung des Weges von der Ostsee in die Nordsee und
möglichste Verminderung der Gefahren der Seefahrt, also möglichstes Vermeiden
der besonders gefahrreichen Westküste der cimbrischen Halbinsel. Dann an
beiden Endpunkten sichere Häfen und Rheden und vor denselben möglichst freies
Fahrwasser zu unbehindertem An- und Aussegeln. Ein ferneres Erforderniß
ist eine hinreichende Tiefe für die Passage großer Schiffe. Sodann muß der
Kanal der für ihn zu erwartenden starken Frequenz vollkommen genügen, an
seinen beiden Mündungen Raum zur Anlage von Werften, Docks, Marine¬
etablissements und Handelsdepots bieten, die vollständig sichere Befestigung
dieser Bauten sammt den vor ihnen liegenden Flottenhäfen gestatten und —
eine Hauptforderung — sich in seiner ganzen Ausdehnung auf einer strategisch
thunlichst gedeckten Linie befinden. Endlich muh der Kanal rentabel sein, d. h.
seine Bau- und Unterhaltungskosten müssen sich durch die zu erhebende Kanal¬
abgabe verzinsen.

Giebt man die Richtigkeit dieser Sätze zu, so wird dasjenige Project,
welches in Betreff des einen oder des andern große Mängel zeigt, bedenklich,
dasjenige, welches gegen mehre verstößt, sofort zu streichen sein, und damit
fällt der Plan des Herrn v. Puttkammer, was auch die vielcolportirte „Ge¬
horsamste Vorstellung der alten bei der Schifffahrt ergrauten Schiffskapitäne"
vom 20. Januar dieses Jahres Schönes und Wunderbares über die Vor¬
züglichkeit desselben dem Ministerium und dem Landtag in Berlin ans Herz
gelegt hat, ohne Weiteres zu Boden.

Es ist richtig, die Linie Husum-Schleswig-Eckernförde empfiehlt
sich unter anderm dadurch, daß sie die bei Weitem kürzeste und. falls man an
einen Kanal, nicht mit Herrn v. Puttkammer an einen einfachen Durchstich dächte,
zwischen Husum und Eckernförde am wohlfeilsten ausführbar sein würde. Sie
leidet aber erstens sowohl für die Interessen des Handels als für die der
Kriegsmarine an wesentlichen Mängeln. Sie ist ohne strategische Deckung gegen
Norden hin, worüber später ausführlich zu sprechen sein wird, und die Hever
ist kein Flußlauf, der einem Gefälle des Wassers vom Lande her seine Ent¬
stehung verdankt, also nicht etwa als Fortsetzung der husumer An zu betrachten,
sondern ein Waldstrom, abhängig von den durch Ebbe und Fluth veranlaßten
Meeresbewegungen zwischen dem Festland und den Inseln Westschleswigs.
Jede Veränderung in den Verhältnissen zwischen diesen Punkten der Westküste
muß umgestaltend auf die Hever wirken, die z. B. wenn die Insel Nordstrand
landfest würde oder wenn sich nur zwischen dieser und dem Continent höhere
Watten bildeten, Richtung und Tiefe völlig ändern müßte. Gesetzt ferner, es
Wäre wirklich, wie verlautet, jetzt eine Tiefe von 22 Fuß und darüber auf der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282895"/>
          <p xml:id="ID_291"> Um dies klar zu machen, fragen wir mit der Denkschrift: was fordern<lb/>
merkantile und militärisch-politische Zwecke von dem Kanal? Die Antwort<lb/>
lautet: möglichste Abkürzung des Weges von der Ostsee in die Nordsee und<lb/>
möglichste Verminderung der Gefahren der Seefahrt, also möglichstes Vermeiden<lb/>
der besonders gefahrreichen Westküste der cimbrischen Halbinsel. Dann an<lb/>
beiden Endpunkten sichere Häfen und Rheden und vor denselben möglichst freies<lb/>
Fahrwasser zu unbehindertem An- und Aussegeln. Ein ferneres Erforderniß<lb/>
ist eine hinreichende Tiefe für die Passage großer Schiffe. Sodann muß der<lb/>
Kanal der für ihn zu erwartenden starken Frequenz vollkommen genügen, an<lb/>
seinen beiden Mündungen Raum zur Anlage von Werften, Docks, Marine¬<lb/>
etablissements und Handelsdepots bieten, die vollständig sichere Befestigung<lb/>
dieser Bauten sammt den vor ihnen liegenden Flottenhäfen gestatten und &#x2014;<lb/>
eine Hauptforderung &#x2014; sich in seiner ganzen Ausdehnung auf einer strategisch<lb/>
thunlichst gedeckten Linie befinden. Endlich muh der Kanal rentabel sein, d. h.<lb/>
seine Bau- und Unterhaltungskosten müssen sich durch die zu erhebende Kanal¬<lb/>
abgabe verzinsen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_292"> Giebt man die Richtigkeit dieser Sätze zu, so wird dasjenige Project,<lb/>
welches in Betreff des einen oder des andern große Mängel zeigt, bedenklich,<lb/>
dasjenige, welches gegen mehre verstößt, sofort zu streichen sein, und damit<lb/>
fällt der Plan des Herrn v. Puttkammer, was auch die vielcolportirte &#x201E;Ge¬<lb/>
horsamste Vorstellung der alten bei der Schifffahrt ergrauten Schiffskapitäne"<lb/>
vom 20. Januar dieses Jahres Schönes und Wunderbares über die Vor¬<lb/>
züglichkeit desselben dem Ministerium und dem Landtag in Berlin ans Herz<lb/>
gelegt hat, ohne Weiteres zu Boden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_293" next="#ID_294"> Es ist richtig, die Linie Husum-Schleswig-Eckernförde empfiehlt<lb/>
sich unter anderm dadurch, daß sie die bei Weitem kürzeste und. falls man an<lb/>
einen Kanal, nicht mit Herrn v. Puttkammer an einen einfachen Durchstich dächte,<lb/>
zwischen Husum und Eckernförde am wohlfeilsten ausführbar sein würde. Sie<lb/>
leidet aber erstens sowohl für die Interessen des Handels als für die der<lb/>
Kriegsmarine an wesentlichen Mängeln. Sie ist ohne strategische Deckung gegen<lb/>
Norden hin, worüber später ausführlich zu sprechen sein wird, und die Hever<lb/>
ist kein Flußlauf, der einem Gefälle des Wassers vom Lande her seine Ent¬<lb/>
stehung verdankt, also nicht etwa als Fortsetzung der husumer An zu betrachten,<lb/>
sondern ein Waldstrom, abhängig von den durch Ebbe und Fluth veranlaßten<lb/>
Meeresbewegungen zwischen dem Festland und den Inseln Westschleswigs.<lb/>
Jede Veränderung in den Verhältnissen zwischen diesen Punkten der Westküste<lb/>
muß umgestaltend auf die Hever wirken, die z. B. wenn die Insel Nordstrand<lb/>
landfest würde oder wenn sich nur zwischen dieser und dem Continent höhere<lb/>
Watten bildeten, Richtung und Tiefe völlig ändern müßte. Gesetzt ferner, es<lb/>
Wäre wirklich, wie verlautet, jetzt eine Tiefe von 22 Fuß und darüber auf der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0098] Um dies klar zu machen, fragen wir mit der Denkschrift: was fordern merkantile und militärisch-politische Zwecke von dem Kanal? Die Antwort lautet: möglichste Abkürzung des Weges von der Ostsee in die Nordsee und möglichste Verminderung der Gefahren der Seefahrt, also möglichstes Vermeiden der besonders gefahrreichen Westküste der cimbrischen Halbinsel. Dann an beiden Endpunkten sichere Häfen und Rheden und vor denselben möglichst freies Fahrwasser zu unbehindertem An- und Aussegeln. Ein ferneres Erforderniß ist eine hinreichende Tiefe für die Passage großer Schiffe. Sodann muß der Kanal der für ihn zu erwartenden starken Frequenz vollkommen genügen, an seinen beiden Mündungen Raum zur Anlage von Werften, Docks, Marine¬ etablissements und Handelsdepots bieten, die vollständig sichere Befestigung dieser Bauten sammt den vor ihnen liegenden Flottenhäfen gestatten und — eine Hauptforderung — sich in seiner ganzen Ausdehnung auf einer strategisch thunlichst gedeckten Linie befinden. Endlich muh der Kanal rentabel sein, d. h. seine Bau- und Unterhaltungskosten müssen sich durch die zu erhebende Kanal¬ abgabe verzinsen. Giebt man die Richtigkeit dieser Sätze zu, so wird dasjenige Project, welches in Betreff des einen oder des andern große Mängel zeigt, bedenklich, dasjenige, welches gegen mehre verstößt, sofort zu streichen sein, und damit fällt der Plan des Herrn v. Puttkammer, was auch die vielcolportirte „Ge¬ horsamste Vorstellung der alten bei der Schifffahrt ergrauten Schiffskapitäne" vom 20. Januar dieses Jahres Schönes und Wunderbares über die Vor¬ züglichkeit desselben dem Ministerium und dem Landtag in Berlin ans Herz gelegt hat, ohne Weiteres zu Boden. Es ist richtig, die Linie Husum-Schleswig-Eckernförde empfiehlt sich unter anderm dadurch, daß sie die bei Weitem kürzeste und. falls man an einen Kanal, nicht mit Herrn v. Puttkammer an einen einfachen Durchstich dächte, zwischen Husum und Eckernförde am wohlfeilsten ausführbar sein würde. Sie leidet aber erstens sowohl für die Interessen des Handels als für die der Kriegsmarine an wesentlichen Mängeln. Sie ist ohne strategische Deckung gegen Norden hin, worüber später ausführlich zu sprechen sein wird, und die Hever ist kein Flußlauf, der einem Gefälle des Wassers vom Lande her seine Ent¬ stehung verdankt, also nicht etwa als Fortsetzung der husumer An zu betrachten, sondern ein Waldstrom, abhängig von den durch Ebbe und Fluth veranlaßten Meeresbewegungen zwischen dem Festland und den Inseln Westschleswigs. Jede Veränderung in den Verhältnissen zwischen diesen Punkten der Westküste muß umgestaltend auf die Hever wirken, die z. B. wenn die Insel Nordstrand landfest würde oder wenn sich nur zwischen dieser und dem Continent höhere Watten bildeten, Richtung und Tiefe völlig ändern müßte. Gesetzt ferner, es Wäre wirklich, wie verlautet, jetzt eine Tiefe von 22 Fuß und darüber auf der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/98
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/98>, abgerufen am 26.06.2024.