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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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an denen sich die Härte der neuen Untersuchungshaft vornehmlich oft zeigen wird,
erfreuen sich letzterer Ausnahme nicht.

In der dem § 213 der Criminalordnung von der Schlägerei und dem Auflaufe
entsprechenden Bestimmung des neuen Entwurfs wird vornehmlich Gewicht ge¬
legt auf den "Aufruhr oder einen als Aufruhr zu bestrafenden Auflauf" (?),
auf "andere strafbare öffentliche Zusammenrottungen". In allen diesen Fällen
kann gegen alle dann verwickelten Personen die Untersuchungshaft bis auf
Weiteres verhängt werden, wenn die Personen sich von dem Verdacht einer
strafbaren Betheiligung nicht sofort reinigen. Auch hier ist -- abgesehen von
der vorwaltenden politischen Färbung -- der neue Entwurf strenger, als die
oben zu vergleichende Criminalordnung.

Endlich fügt der neue Entwurf noch einen Grund der Untersuchungshaft
an. Eröffnet die Anklagekammer (zweite Instanz) gegen einen Angeschuldigten das
Hauptverfahren und verweist sie ihn, wenn auch nur wegen eines Vergehens, vor
den Schwurgerichtshof, so muß sie die Verhaftung desselben stets dann be¬
schließen , wenn aus seinem Ausbleiben in der Hauptverhandlung ein Nachtheil
für einen Mitangeklagten entstehen kann. Hierbei kann sie aber bestimmen,
daß die Haft erst nach Anberaumung der Hauptverhandlung erfolgen soll. Diese
neue Vorschrift bedarf wohl keiner Bemerkungen.

Soweit die Gründe der in Aussicht genommenen Untersuchungshaft. Wie
Viele weiteren Fälle der Criminalordnung hierbei fortgelassen sind, ergiebt der
Vergleich mit der obigen kurzen Zusammenstellung; derselbe lehrt auch, daß
dieses Fortlassen in einigen wesentlichen Punkten den neuen Entwurf lückenhaft
macht, in andern, z. B. in den Ausnahmebestimmungen für die Mitglieder des
Königshauses und andere ihn der Gegenwart anpaßt. Ein endgiltiges Urtheil
hierüber ist erst nach Einsicht der Aufhebungsbestimmungen des neuen Ent¬
wurfs zu fällen, welche indeß noch nicht vorliegen, sondern der Schlußredaction
des Entwurfes als Gesetz vorbehalten sind.

Die Befreiung von der Untersuchungshaft durch Caution ist ebenfalls'
erheblich beschränkt. Zulässig bleibt sie nur, falls keine Gefahr der Verdunk¬
lung der Sache obwaltet und der Verlust der Caution wahrscheinlich den Be¬
schuldigten empfindlicher, als die zu erwartende Strafe träfe. Gar nicht statt¬
haft ist sie bei voraussichtlicher oder erkannter Zuchthaus- oder schwerer Strafe,
geleistet wird sie nur in Geld und inländischen Staatspapieren (nach dem Ta-
gescurse, doch nicht über den Nennwerth). Denn, wie die Note ausführt,
Bürgen verhinderten nicht wirksam die Flucht des Beschuldigten, dieser
schadet zunächst damit nur jenen, nicht sich. (!) Durch Hypothekencaution er¬
wachsen dem Strafrichter ungehörige Verwicklungen bei Prüfung der Sicherheit,
Substanzänderungen, Subhastationen. Trotz dieser eingreifenden Schranken meint
der Entwurf, die Ausschließung der Caution bei Zuchthausstrafe (gerade bei dieser


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an denen sich die Härte der neuen Untersuchungshaft vornehmlich oft zeigen wird,
erfreuen sich letzterer Ausnahme nicht.

In der dem § 213 der Criminalordnung von der Schlägerei und dem Auflaufe
entsprechenden Bestimmung des neuen Entwurfs wird vornehmlich Gewicht ge¬
legt auf den „Aufruhr oder einen als Aufruhr zu bestrafenden Auflauf" (?),
auf „andere strafbare öffentliche Zusammenrottungen". In allen diesen Fällen
kann gegen alle dann verwickelten Personen die Untersuchungshaft bis auf
Weiteres verhängt werden, wenn die Personen sich von dem Verdacht einer
strafbaren Betheiligung nicht sofort reinigen. Auch hier ist — abgesehen von
der vorwaltenden politischen Färbung — der neue Entwurf strenger, als die
oben zu vergleichende Criminalordnung.

Endlich fügt der neue Entwurf noch einen Grund der Untersuchungshaft
an. Eröffnet die Anklagekammer (zweite Instanz) gegen einen Angeschuldigten das
Hauptverfahren und verweist sie ihn, wenn auch nur wegen eines Vergehens, vor
den Schwurgerichtshof, so muß sie die Verhaftung desselben stets dann be¬
schließen , wenn aus seinem Ausbleiben in der Hauptverhandlung ein Nachtheil
für einen Mitangeklagten entstehen kann. Hierbei kann sie aber bestimmen,
daß die Haft erst nach Anberaumung der Hauptverhandlung erfolgen soll. Diese
neue Vorschrift bedarf wohl keiner Bemerkungen.

Soweit die Gründe der in Aussicht genommenen Untersuchungshaft. Wie
Viele weiteren Fälle der Criminalordnung hierbei fortgelassen sind, ergiebt der
Vergleich mit der obigen kurzen Zusammenstellung; derselbe lehrt auch, daß
dieses Fortlassen in einigen wesentlichen Punkten den neuen Entwurf lückenhaft
macht, in andern, z. B. in den Ausnahmebestimmungen für die Mitglieder des
Königshauses und andere ihn der Gegenwart anpaßt. Ein endgiltiges Urtheil
hierüber ist erst nach Einsicht der Aufhebungsbestimmungen des neuen Ent¬
wurfs zu fällen, welche indeß noch nicht vorliegen, sondern der Schlußredaction
des Entwurfes als Gesetz vorbehalten sind.

Die Befreiung von der Untersuchungshaft durch Caution ist ebenfalls'
erheblich beschränkt. Zulässig bleibt sie nur, falls keine Gefahr der Verdunk¬
lung der Sache obwaltet und der Verlust der Caution wahrscheinlich den Be¬
schuldigten empfindlicher, als die zu erwartende Strafe träfe. Gar nicht statt¬
haft ist sie bei voraussichtlicher oder erkannter Zuchthaus- oder schwerer Strafe,
geleistet wird sie nur in Geld und inländischen Staatspapieren (nach dem Ta-
gescurse, doch nicht über den Nennwerth). Denn, wie die Note ausführt,
Bürgen verhinderten nicht wirksam die Flucht des Beschuldigten, dieser
schadet zunächst damit nur jenen, nicht sich. (!) Durch Hypothekencaution er¬
wachsen dem Strafrichter ungehörige Verwicklungen bei Prüfung der Sicherheit,
Substanzänderungen, Subhastationen. Trotz dieser eingreifenden Schranken meint
der Entwurf, die Ausschließung der Caution bei Zuchthausstrafe (gerade bei dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/83>, abgerufen am 26.06.2024.