Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

alle diejenigen, welche an dem Auflaufe oder an der Schlägerei Theil nahmen,
bis zur Entdeckung des Urhebers in Verhaft genommen. Nur derjenige Teil¬
nehmer ist hiervon ausgenommen, welcher wegen seiner bekannten Rechtlichkeit
oder anderer Verhältnisse das Verbrechen füglich nicht begangen haben kann (§213).
-- Daran schließen sich die Vorschriften über die Verhaftung einer Person auf
Requisition der Vorgesetzten, des Richters und der in- oder ausländischen Ge¬
richte; über Freistätten gegen Verhaftung; über die Verhaftung derer, welche
der Gerichtsbarkeit des Verhaftenden nicht unterworfen sind, in dringenden!
Fällen, über die Verhaftung von Militcnrpersonen (§ 212--16); von Mit¬
gliedern des königlichen Hauses, des Fürstenstandes, der Gesandtschaften, von
Fremden (§ 231 -- 59); endlich ausführliche Bestimmungen über die Caution
und andere Mittel zur vorläufigen Befreiung des Verhafteten (§ 223 -- 36).
auf welche unten besonders Rücksicht genommen werden soll.

Vergleichen wir mit diesen wichtigen Vorschriften nun den neuen Entwurf.
In seinem II. Abschnitt, § 119--160 behandelt er die bisherigen drei Arten
der Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Untersuchungshaft, die vor¬
läufige Festnahme und die polizeiliche Verwahrung. Es ist zu billigen, daß er
nicht, wie das unserer heutigen Habeas-Corpus-Acte vorausgehende Gesetz vom
24. September 1848, die beiden ersten wesentlich unterschiedenen Beschrän¬
kungen zusammenfaßte. Die Bedingungen der Untersuchungshaft sind hier
fast wörtlich dieselben, wie im Gesetze vom 12. Februar 1850. man hat eben
letzteres Gesetz anerkennungswertherweise in die neue Strafproceßordnung
Verarbeitet.

Hören wir nun aber die neuen Gründe der Untersuchungshaft, gegenüber
den obigen der alten Criminalordnung. In beiden Gesetzen setzt die Haft
die wahrscheinliche Existenz einer strafbaren Handlung voraus, sowie die ge¬
gründete Besorgniß der Flucht und der Verdunklung der Wahrheit. Der Flucht
gleich stellt der neue Entwurf die Verheimlichung des Aufenthaltes; die Ver¬
dunkjung specialisirt er durch Verabredung mit Zeugen, Mitschuldigen oder
durch Vernichtung der Spuren der That. Da diese Specialisirung höchstens
durch ganz allgemeine und nicht beabsichtigte Auslegung der letzten Worte
die Möglichkeiten der Verdunklung erschöpft, so ist die alte, einfache Ausdrucks¬
weise richtiger und vorzuziehen.

Nun die Ausführung dieser zwei Rubriken. Bei Urkundenfälschung,
sagt der neue Entwurf, in gewinnsüchtiger Absicht, Diebstahl, Betrug
und Hehlerei ist die Besorgniß der erschwerten Untersuchung immer als vor¬
handen anzunehmen, wenn sie nicht durch besondere Umstände ausgeschlossen
erscheint. Die sehr weitgreifende Zufügung der Criminal-Ordnung: "und ähn¬
liche Verbrecher" ist hier allerdings glücklicherweise beseitigt; warum bei den
einzelnen angegebenen strafbaren Handlungen die Urkundenfälschung so nach-


alle diejenigen, welche an dem Auflaufe oder an der Schlägerei Theil nahmen,
bis zur Entdeckung des Urhebers in Verhaft genommen. Nur derjenige Teil¬
nehmer ist hiervon ausgenommen, welcher wegen seiner bekannten Rechtlichkeit
oder anderer Verhältnisse das Verbrechen füglich nicht begangen haben kann (§213).
— Daran schließen sich die Vorschriften über die Verhaftung einer Person auf
Requisition der Vorgesetzten, des Richters und der in- oder ausländischen Ge¬
richte; über Freistätten gegen Verhaftung; über die Verhaftung derer, welche
der Gerichtsbarkeit des Verhaftenden nicht unterworfen sind, in dringenden!
Fällen, über die Verhaftung von Militcnrpersonen (§ 212—16); von Mit¬
gliedern des königlichen Hauses, des Fürstenstandes, der Gesandtschaften, von
Fremden (§ 231 — 59); endlich ausführliche Bestimmungen über die Caution
und andere Mittel zur vorläufigen Befreiung des Verhafteten (§ 223 — 36).
auf welche unten besonders Rücksicht genommen werden soll.

Vergleichen wir mit diesen wichtigen Vorschriften nun den neuen Entwurf.
In seinem II. Abschnitt, § 119—160 behandelt er die bisherigen drei Arten
der Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Untersuchungshaft, die vor¬
läufige Festnahme und die polizeiliche Verwahrung. Es ist zu billigen, daß er
nicht, wie das unserer heutigen Habeas-Corpus-Acte vorausgehende Gesetz vom
24. September 1848, die beiden ersten wesentlich unterschiedenen Beschrän¬
kungen zusammenfaßte. Die Bedingungen der Untersuchungshaft sind hier
fast wörtlich dieselben, wie im Gesetze vom 12. Februar 1850. man hat eben
letzteres Gesetz anerkennungswertherweise in die neue Strafproceßordnung
Verarbeitet.

Hören wir nun aber die neuen Gründe der Untersuchungshaft, gegenüber
den obigen der alten Criminalordnung. In beiden Gesetzen setzt die Haft
die wahrscheinliche Existenz einer strafbaren Handlung voraus, sowie die ge¬
gründete Besorgniß der Flucht und der Verdunklung der Wahrheit. Der Flucht
gleich stellt der neue Entwurf die Verheimlichung des Aufenthaltes; die Ver¬
dunkjung specialisirt er durch Verabredung mit Zeugen, Mitschuldigen oder
durch Vernichtung der Spuren der That. Da diese Specialisirung höchstens
durch ganz allgemeine und nicht beabsichtigte Auslegung der letzten Worte
die Möglichkeiten der Verdunklung erschöpft, so ist die alte, einfache Ausdrucks¬
weise richtiger und vorzuziehen.

Nun die Ausführung dieser zwei Rubriken. Bei Urkundenfälschung,
sagt der neue Entwurf, in gewinnsüchtiger Absicht, Diebstahl, Betrug
und Hehlerei ist die Besorgniß der erschwerten Untersuchung immer als vor¬
handen anzunehmen, wenn sie nicht durch besondere Umstände ausgeschlossen
erscheint. Die sehr weitgreifende Zufügung der Criminal-Ordnung: „und ähn¬
liche Verbrecher" ist hier allerdings glücklicherweise beseitigt; warum bei den
einzelnen angegebenen strafbaren Handlungen die Urkundenfälschung so nach-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282876"/>
          <p xml:id="ID_238" prev="#ID_237"> alle diejenigen, welche an dem Auflaufe oder an der Schlägerei Theil nahmen,<lb/>
bis zur Entdeckung des Urhebers in Verhaft genommen. Nur derjenige Teil¬<lb/>
nehmer ist hiervon ausgenommen, welcher wegen seiner bekannten Rechtlichkeit<lb/>
oder anderer Verhältnisse das Verbrechen füglich nicht begangen haben kann (§213).<lb/>
&#x2014; Daran schließen sich die Vorschriften über die Verhaftung einer Person auf<lb/>
Requisition der Vorgesetzten, des Richters und der in- oder ausländischen Ge¬<lb/>
richte; über Freistätten gegen Verhaftung; über die Verhaftung derer, welche<lb/>
der Gerichtsbarkeit des Verhaftenden nicht unterworfen sind, in dringenden!<lb/>
Fällen, über die Verhaftung von Militcnrpersonen (§ 212&#x2014;16); von Mit¬<lb/>
gliedern des königlichen Hauses, des Fürstenstandes, der Gesandtschaften, von<lb/>
Fremden (§ 231 &#x2014; 59); endlich ausführliche Bestimmungen über die Caution<lb/>
und andere Mittel zur vorläufigen Befreiung des Verhafteten (§ 223 &#x2014; 36).<lb/>
auf welche unten besonders Rücksicht genommen werden soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_239"> Vergleichen wir mit diesen wichtigen Vorschriften nun den neuen Entwurf.<lb/>
In seinem II. Abschnitt, § 119&#x2014;160 behandelt er die bisherigen drei Arten<lb/>
der Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Untersuchungshaft, die vor¬<lb/>
läufige Festnahme und die polizeiliche Verwahrung. Es ist zu billigen, daß er<lb/>
nicht, wie das unserer heutigen Habeas-Corpus-Acte vorausgehende Gesetz vom<lb/>
24. September 1848, die beiden ersten wesentlich unterschiedenen Beschrän¬<lb/>
kungen zusammenfaßte. Die Bedingungen der Untersuchungshaft sind hier<lb/>
fast wörtlich dieselben, wie im Gesetze vom 12. Februar 1850. man hat eben<lb/>
letzteres Gesetz anerkennungswertherweise in die neue Strafproceßordnung<lb/>
Verarbeitet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_240"> Hören wir nun aber die neuen Gründe der Untersuchungshaft, gegenüber<lb/>
den obigen der alten Criminalordnung. In beiden Gesetzen setzt die Haft<lb/>
die wahrscheinliche Existenz einer strafbaren Handlung voraus, sowie die ge¬<lb/>
gründete Besorgniß der Flucht und der Verdunklung der Wahrheit. Der Flucht<lb/>
gleich stellt der neue Entwurf die Verheimlichung des Aufenthaltes; die Ver¬<lb/>
dunkjung specialisirt er durch Verabredung mit Zeugen, Mitschuldigen oder<lb/>
durch Vernichtung der Spuren der That. Da diese Specialisirung höchstens<lb/>
durch ganz allgemeine und nicht beabsichtigte Auslegung der letzten Worte<lb/>
die Möglichkeiten der Verdunklung erschöpft, so ist die alte, einfache Ausdrucks¬<lb/>
weise richtiger und vorzuziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_241" next="#ID_242"> Nun die Ausführung dieser zwei Rubriken. Bei Urkundenfälschung,<lb/>
sagt der neue Entwurf, in gewinnsüchtiger Absicht, Diebstahl, Betrug<lb/>
und Hehlerei ist die Besorgniß der erschwerten Untersuchung immer als vor¬<lb/>
handen anzunehmen, wenn sie nicht durch besondere Umstände ausgeschlossen<lb/>
erscheint. Die sehr weitgreifende Zufügung der Criminal-Ordnung: &#x201E;und ähn¬<lb/>
liche Verbrecher" ist hier allerdings glücklicherweise beseitigt; warum bei den<lb/>
einzelnen angegebenen strafbaren Handlungen die Urkundenfälschung so nach-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] alle diejenigen, welche an dem Auflaufe oder an der Schlägerei Theil nahmen, bis zur Entdeckung des Urhebers in Verhaft genommen. Nur derjenige Teil¬ nehmer ist hiervon ausgenommen, welcher wegen seiner bekannten Rechtlichkeit oder anderer Verhältnisse das Verbrechen füglich nicht begangen haben kann (§213). — Daran schließen sich die Vorschriften über die Verhaftung einer Person auf Requisition der Vorgesetzten, des Richters und der in- oder ausländischen Ge¬ richte; über Freistätten gegen Verhaftung; über die Verhaftung derer, welche der Gerichtsbarkeit des Verhaftenden nicht unterworfen sind, in dringenden! Fällen, über die Verhaftung von Militcnrpersonen (§ 212—16); von Mit¬ gliedern des königlichen Hauses, des Fürstenstandes, der Gesandtschaften, von Fremden (§ 231 — 59); endlich ausführliche Bestimmungen über die Caution und andere Mittel zur vorläufigen Befreiung des Verhafteten (§ 223 — 36). auf welche unten besonders Rücksicht genommen werden soll. Vergleichen wir mit diesen wichtigen Vorschriften nun den neuen Entwurf. In seinem II. Abschnitt, § 119—160 behandelt er die bisherigen drei Arten der Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Untersuchungshaft, die vor¬ läufige Festnahme und die polizeiliche Verwahrung. Es ist zu billigen, daß er nicht, wie das unserer heutigen Habeas-Corpus-Acte vorausgehende Gesetz vom 24. September 1848, die beiden ersten wesentlich unterschiedenen Beschrän¬ kungen zusammenfaßte. Die Bedingungen der Untersuchungshaft sind hier fast wörtlich dieselben, wie im Gesetze vom 12. Februar 1850. man hat eben letzteres Gesetz anerkennungswertherweise in die neue Strafproceßordnung Verarbeitet. Hören wir nun aber die neuen Gründe der Untersuchungshaft, gegenüber den obigen der alten Criminalordnung. In beiden Gesetzen setzt die Haft die wahrscheinliche Existenz einer strafbaren Handlung voraus, sowie die ge¬ gründete Besorgniß der Flucht und der Verdunklung der Wahrheit. Der Flucht gleich stellt der neue Entwurf die Verheimlichung des Aufenthaltes; die Ver¬ dunkjung specialisirt er durch Verabredung mit Zeugen, Mitschuldigen oder durch Vernichtung der Spuren der That. Da diese Specialisirung höchstens durch ganz allgemeine und nicht beabsichtigte Auslegung der letzten Worte die Möglichkeiten der Verdunklung erschöpft, so ist die alte, einfache Ausdrucks¬ weise richtiger und vorzuziehen. Nun die Ausführung dieser zwei Rubriken. Bei Urkundenfälschung, sagt der neue Entwurf, in gewinnsüchtiger Absicht, Diebstahl, Betrug und Hehlerei ist die Besorgniß der erschwerten Untersuchung immer als vor¬ handen anzunehmen, wenn sie nicht durch besondere Umstände ausgeschlossen erscheint. Die sehr weitgreifende Zufügung der Criminal-Ordnung: „und ähn¬ liche Verbrecher" ist hier allerdings glücklicherweise beseitigt; warum bei den einzelnen angegebenen strafbaren Handlungen die Urkundenfälschung so nach-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/79
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/79>, abgerufen am 12.12.2024.