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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Häufiger begegnet man, wenigstens in Mona und Kiel, der "Nessel"
des Herrn Marr, die mit großem Eifer für die Annexion Propaganda zu
machen sucht, damit aber schwerlich bis jetzt Erfolg gehabt hat, noch eher haben
wird, als bis sie sich entschließen kann, eine anständigere Sprache zu reden.
Der Herausgeber des Blattes ist ohne Zweifel ein Mann von Geist. Er hat
manche sehr beachtenswerthe Wahrheit gesagt, manchen guten Einfall, manchen
gelungenen Witz vorgebracht. Er versteht sogar als Gentleman, ja glänzend
zu schreiben. Leider aber mangelt ihm, wie es scheint, in der Regel die
Neigung, von letzterer Fähigkeit Gebrauch zu machen, und wenn er seine
Wahrheiten in der Sprache der Grogschenken vorträgt, so können sie die,
welche in solchen Instituten nicht Verkehren, nur abstoßen, nicht überzeugen.

Das "Neue Hamburg", ein noch junges Blatt und herzoglich ge¬
sinnt, kommt wenig in Betracht, da es bis jetzt mehr ausgeboten und ver¬
schenkt, als gehalten wird. Dasselbe gilt in noch höherem Grade von der
"Hamburger Zeitung"^, einem vor etwa drei Jahren entstandenen und
jetzt, wie allgemein bekannt, aus den Mitteln des Herzogs von Augustenburg
erhaltenen Journal, welches den starrsten Particularismus auf seine Fahne
geschrieben hat. Mit großer Liberalität gratis vertheilt, findet es gleichwohl
kaum dankbare Gemüther, die es lesen mögen, und so nützt es wohl nur
dem Redacteur und dem linker Agenten des erlauchten Patrons, welcher
letztere auch vor 1848 in der Wahl seiner Preßwerkzeuge keine recht glückliche
Hand hatte. Der Ton des Blattes ist unbillig langweilig. In dem Streit
um die Gewerbefreiheit vertrat es die Partei der Zünftler -- natürlich,
es galt ja, das "alte gute Recht" gegen die Ansprüche der neuen Zeit zu
vertheidigen, Hauptmitarbeiter soll jener Agent sein, und gutem Vernehmen
nach gönnt auch eine vornehmere Hand der Zeitung bisweilen einen eigen¬
händigen Leitartikel. Hoffen wir, daß gewisse Auslassungen gegen Preußen, die
namentlich in der letzten Zeit die Spalten des Blattes verunzierten, nicht von
dieser Hand gewesen sind. Lesen zu müssen, wie die gegenwärtigen Bestrebungen
Preußens zur Gründung einer Marine als "Flottenschwindel" bezeichnet werden,
stärkt dem Patrioten nicht gerade die etwa noch vorhandene Neigung, bis zu
einem gewissen Grade das selbständige Schleswig-Holstein unter der Dynastie
zu empfehlen, unter deren Aegide solche Redensarten ins Land gehen. Aehn-
liches aber leistet die Hamburgerin fast alle Tage.

Die in Schleswig-Holstein selbst erscheinenden Zeitungen (von den kleinen
Stadt- und Kreisblättern, deren es hier einige zwanzig giebt, reden wir nicht)
sind, nach der Größe ihrer Abonnentenzahl in absteigender Linie geordnet,
folgende: die "Jtzchoer Nachrichten", die "Schleswig-Holsteinische Zeitung",
der "Altonaer Mercur", die "norddeutsche Zeitung", die "Kieler Zeitung",
die "Schleswiger Nachrichten" und die dänisch geschriebene "Nordslesvigsk


Häufiger begegnet man, wenigstens in Mona und Kiel, der „Nessel"
des Herrn Marr, die mit großem Eifer für die Annexion Propaganda zu
machen sucht, damit aber schwerlich bis jetzt Erfolg gehabt hat, noch eher haben
wird, als bis sie sich entschließen kann, eine anständigere Sprache zu reden.
Der Herausgeber des Blattes ist ohne Zweifel ein Mann von Geist. Er hat
manche sehr beachtenswerthe Wahrheit gesagt, manchen guten Einfall, manchen
gelungenen Witz vorgebracht. Er versteht sogar als Gentleman, ja glänzend
zu schreiben. Leider aber mangelt ihm, wie es scheint, in der Regel die
Neigung, von letzterer Fähigkeit Gebrauch zu machen, und wenn er seine
Wahrheiten in der Sprache der Grogschenken vorträgt, so können sie die,
welche in solchen Instituten nicht Verkehren, nur abstoßen, nicht überzeugen.

Das „Neue Hamburg", ein noch junges Blatt und herzoglich ge¬
sinnt, kommt wenig in Betracht, da es bis jetzt mehr ausgeboten und ver¬
schenkt, als gehalten wird. Dasselbe gilt in noch höherem Grade von der
„Hamburger Zeitung"^, einem vor etwa drei Jahren entstandenen und
jetzt, wie allgemein bekannt, aus den Mitteln des Herzogs von Augustenburg
erhaltenen Journal, welches den starrsten Particularismus auf seine Fahne
geschrieben hat. Mit großer Liberalität gratis vertheilt, findet es gleichwohl
kaum dankbare Gemüther, die es lesen mögen, und so nützt es wohl nur
dem Redacteur und dem linker Agenten des erlauchten Patrons, welcher
letztere auch vor 1848 in der Wahl seiner Preßwerkzeuge keine recht glückliche
Hand hatte. Der Ton des Blattes ist unbillig langweilig. In dem Streit
um die Gewerbefreiheit vertrat es die Partei der Zünftler — natürlich,
es galt ja, das „alte gute Recht" gegen die Ansprüche der neuen Zeit zu
vertheidigen, Hauptmitarbeiter soll jener Agent sein, und gutem Vernehmen
nach gönnt auch eine vornehmere Hand der Zeitung bisweilen einen eigen¬
händigen Leitartikel. Hoffen wir, daß gewisse Auslassungen gegen Preußen, die
namentlich in der letzten Zeit die Spalten des Blattes verunzierten, nicht von
dieser Hand gewesen sind. Lesen zu müssen, wie die gegenwärtigen Bestrebungen
Preußens zur Gründung einer Marine als „Flottenschwindel" bezeichnet werden,
stärkt dem Patrioten nicht gerade die etwa noch vorhandene Neigung, bis zu
einem gewissen Grade das selbständige Schleswig-Holstein unter der Dynastie
zu empfehlen, unter deren Aegide solche Redensarten ins Land gehen. Aehn-
liches aber leistet die Hamburgerin fast alle Tage.

Die in Schleswig-Holstein selbst erscheinenden Zeitungen (von den kleinen
Stadt- und Kreisblättern, deren es hier einige zwanzig giebt, reden wir nicht)
sind, nach der Größe ihrer Abonnentenzahl in absteigender Linie geordnet,
folgende: die „Jtzchoer Nachrichten", die „Schleswig-Holsteinische Zeitung",
der „Altonaer Mercur", die „norddeutsche Zeitung", die „Kieler Zeitung",
die „Schleswiger Nachrichten" und die dänisch geschriebene „Nordslesvigsk


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/56>, abgerufen am 26.06.2024.