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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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so berichtet Beitzke --- ließ er die sächsische Generalität und sämmtliche Stabs¬
offiziere zu sich entbieten und sprach ihnen in kameradschaftlicher Weise zu: er
werde keinen Unterschied "zachen zwischen ihnen und den Preußen, alle sollten
gleiche Ehren und Belohnungen erhalten, wenn sie bereitwillig zu dem großen
Zwecke mitwirkten; alles Politische bleibe füglich der Weisheit der Monarchen
in'Wien überlassen. Die sächsischen Commandeure hörten diese Rede kühl an
und gaben keine Antwort. Obwohl dies auffiel, hegte man preußischerseits
noch keinen Argwohn. Auch als bald nachher der sächsische Major v. Weiters¬
hausen bei Blüchers Adjutanten, dem Grafen Nostitz, der mit dem Feldmarschall
im Präfecturgebäude am Kanal wohnte, mit der Warnung erschien, daß unter
den Sachsen eine sehr üble Stimmung herrsche und ein Aufstand drohe,
glaubte weder Nostitz noch Blücher selbst an diese Befürchtung, und es wurden
keine Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Da traf gegen Ende des Monats der General Grolmann mit der Verfügung
Friedrich Wilhelms vom 22. April in Lüttich ein, nach welcher des bevorstehenden
Krieges wegen die Theilung des Heeres vollzogen werden sollte. Noch immer hatte
der König von Sachsen -- vermuthlich in der Hoffnung auf einen Sieg Na¬
poleons über die Deutschen -- seine Einwilligung zu der Maßregel nicht er¬
klärt. Es stand also der Eid, der ihm geschworen war, entgegen,
und die Offiziere hatten in jener Adresse vom September 1814 zwar Gehorsam
gegen die verbündeten Monarchen versprochen, sich aber zugleich als an diesen Eid ge¬
bunden erkält. Allein die Theilung sollte auch mit Rücksicht hieraus vollzogen werden.
Blücher ordnete am 1. Mai an, daß aus dem Corps zwei Brigaden gebildet
werden sollten, eine für den preußischen und eine für den sächsischen Dienst.
In Beziehung auf Eid und Feldzeichen sollte bis zur Einwilligung des Königs
von Sachsen keine Veränderung stattfinden, auch sollten beide Brigaden un¬
mittelbar unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls beisammen bleiben. Ja die
Theilung sollte bis auf Weiteres nur in den Listen bemerkt werden.

Am Abend des zweiten Mai waren die sächsischen Commandeure bei
Gneisenau. um diese Anordnungen zum Behuf ihrer Ausführung in Empfang
zu nehmen. Sie äußerten Bedenken und machten darauf aufmerksam, daß
man auf Widerstand stoßen werde. Noch waren sie bei dem General, als sich
auf einmal die Soldaten des Gardebataillons mit lautem Toben vor dem
Hause sammeln, und man durch den Lärm die Worte vernimmt: "Vivat!
unser König soll leben! Wir lassen uns nicht theilen!" Die sächsischen Offiziere
(bei Beitzke Graf Nostitz, Blüchers Adjutant) eilen hinaus, um Ruhe zu stiften.
Der Ruf "preußische Spitzbuben!" wildes Geschrei, wüste Drohungen ant-
Worten ihnen, nach Ryssel wird geworfen. Auf den Zuruf, es werde Alarm
geschlagen, läuft endlich die tumultuirende Rotte auseinander.

Mittlerweile war Blücher geweckt worden. Er befahl sofortigen Abmarsch


so berichtet Beitzke —- ließ er die sächsische Generalität und sämmtliche Stabs¬
offiziere zu sich entbieten und sprach ihnen in kameradschaftlicher Weise zu: er
werde keinen Unterschied »zachen zwischen ihnen und den Preußen, alle sollten
gleiche Ehren und Belohnungen erhalten, wenn sie bereitwillig zu dem großen
Zwecke mitwirkten; alles Politische bleibe füglich der Weisheit der Monarchen
in'Wien überlassen. Die sächsischen Commandeure hörten diese Rede kühl an
und gaben keine Antwort. Obwohl dies auffiel, hegte man preußischerseits
noch keinen Argwohn. Auch als bald nachher der sächsische Major v. Weiters¬
hausen bei Blüchers Adjutanten, dem Grafen Nostitz, der mit dem Feldmarschall
im Präfecturgebäude am Kanal wohnte, mit der Warnung erschien, daß unter
den Sachsen eine sehr üble Stimmung herrsche und ein Aufstand drohe,
glaubte weder Nostitz noch Blücher selbst an diese Befürchtung, und es wurden
keine Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Da traf gegen Ende des Monats der General Grolmann mit der Verfügung
Friedrich Wilhelms vom 22. April in Lüttich ein, nach welcher des bevorstehenden
Krieges wegen die Theilung des Heeres vollzogen werden sollte. Noch immer hatte
der König von Sachsen — vermuthlich in der Hoffnung auf einen Sieg Na¬
poleons über die Deutschen — seine Einwilligung zu der Maßregel nicht er¬
klärt. Es stand also der Eid, der ihm geschworen war, entgegen,
und die Offiziere hatten in jener Adresse vom September 1814 zwar Gehorsam
gegen die verbündeten Monarchen versprochen, sich aber zugleich als an diesen Eid ge¬
bunden erkält. Allein die Theilung sollte auch mit Rücksicht hieraus vollzogen werden.
Blücher ordnete am 1. Mai an, daß aus dem Corps zwei Brigaden gebildet
werden sollten, eine für den preußischen und eine für den sächsischen Dienst.
In Beziehung auf Eid und Feldzeichen sollte bis zur Einwilligung des Königs
von Sachsen keine Veränderung stattfinden, auch sollten beide Brigaden un¬
mittelbar unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls beisammen bleiben. Ja die
Theilung sollte bis auf Weiteres nur in den Listen bemerkt werden.

Am Abend des zweiten Mai waren die sächsischen Commandeure bei
Gneisenau. um diese Anordnungen zum Behuf ihrer Ausführung in Empfang
zu nehmen. Sie äußerten Bedenken und machten darauf aufmerksam, daß
man auf Widerstand stoßen werde. Noch waren sie bei dem General, als sich
auf einmal die Soldaten des Gardebataillons mit lautem Toben vor dem
Hause sammeln, und man durch den Lärm die Worte vernimmt: „Vivat!
unser König soll leben! Wir lassen uns nicht theilen!" Die sächsischen Offiziere
(bei Beitzke Graf Nostitz, Blüchers Adjutant) eilen hinaus, um Ruhe zu stiften.
Der Ruf „preußische Spitzbuben!" wildes Geschrei, wüste Drohungen ant-
Worten ihnen, nach Ryssel wird geworfen. Auf den Zuruf, es werde Alarm
geschlagen, läuft endlich die tumultuirende Rotte auseinander.

Mittlerweile war Blücher geweckt worden. Er befahl sofortigen Abmarsch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/530>, abgerufen am 29.06.2024.