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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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etwas Neues, sondern auch die Wahrheit gesagt hätte. Aber wird man u,us
ebenso Erfreuliches über die Augustenburger überhaupt berichten können, etwa
über den alten Herrn in Nienstcidten, den Herausgeber der "Hamburger Zeitung",
oder über den Prinzen von Noer, der seinen eigenen Worten nach jedes Na¬
tionalgefühls baar ist, ja es für ein Zeichen von Bornirtheit hält, national zu
denken? Es ist vieles möglich in einer Zeit, wo preußische Abgeordnete wie
Herr Duncker Reden übers Herz bringen, die ein Abgeordneter vom kieler Sophien¬
blatt ebenfalls halten könnte. Jene Durchlauchten aber zu Preußischgesinnten zu
machen, möchte doch wohl unmöglich sein, und wären sie gute Preußen, so
hätte man auch damit nicht viel gewonnen; denn noch immer befände man sich
dann im Unklaren über die Gesinnung des Nachwuchses der zu begründenden
Dynastie. Der dem preußischen König geleistete Fahneneid macht aller solcher
Ungewißheit von vornherein ein Ende -- also sind wir als Freunde von Ab¬
machungen ohne Rest und als Gegner aller Vertrauensseligkeit in Dingen der
Politik dafür, daß er zu leisten ist.

Statt weiterer Gründe lassen wir für unsre Ansicht ein Beispiel sprechen,
welches allerdings nicht in allen, aber in vielen und wesentlichen Beziehungen
hierher paßt und so jedenfalls zur Klärung der Meinungen unter denen bei¬
tragen wird, die sich überhaupt aufklären zu lassen geneigt sind. Wir entnehmen
dasselbe in der Hauptsache der obengenannten Schrift, die wir als eine Arbeit,
Welche sich nach ihrem Inhalt wie größtentheils auch nach ihrer Form, in Be¬
treff der Darstellung der militärischen Ereignisse wie hinsichtlich der Behandlung
der diplomatischen Vorgänge sehr wohl neben Hauffer und selbst neben Bernhardt
sehen lassen kann *), den Lesern d. Bl. angelegentlich empfehlen. Einige Neben¬
sachen fügen wir aus Beitzkes "Geschichte des Jahres 1815" hinzu,
deren zweiter Band soeben erschienen ist. Nicht überflüssig wird sein, noch
darauf aufmerksam zu machen, daß Königer kein Preuße, sondern ein mittel¬
staatlicher Offizier (großherzoglich hessischer Jnsanteriehyuptmannj ist -- freilich
ein, vorurtheilsloser.

Unser Beispiel ist das Verhalten der sächsischen Truppen in der Zeit
zwischen der Schlacht bei Leipzig und der Schlacht hei Waterloo, und besonders
die Meuterei derselben in Lüttich. Um dieses Ereigniß in das rechte Licht zu
stellen, müssen wir auf die Verhältnisse in Sachsen selbst nach der Gefangen.
nehmung König Friedrich Augusts und auf die Verhandlungen über die sächsische
Frage beim wiener Congreß zurückgehen, wobei sich wieder Parallelen zwischen



") Der Verfasser ergänzt beide Historiker in nicht unwesentlichen Dingen. Bernhardi z. B.
in Bezug auf die Schlacht bet yuatrebrns. Er hat verschiedene Quellen , vor allem da" Archiv
des großen Generalstabe" in Berlin und das darmstädter Kriegsarchiv, fleißig benutzt und
dabei namentlich auch in Bezug aus die ihm hier nacherzählten Vorgänge werthvolles Neue
"u Tage gefördert, ,
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etwas Neues, sondern auch die Wahrheit gesagt hätte. Aber wird man u,us
ebenso Erfreuliches über die Augustenburger überhaupt berichten können, etwa
über den alten Herrn in Nienstcidten, den Herausgeber der „Hamburger Zeitung",
oder über den Prinzen von Noer, der seinen eigenen Worten nach jedes Na¬
tionalgefühls baar ist, ja es für ein Zeichen von Bornirtheit hält, national zu
denken? Es ist vieles möglich in einer Zeit, wo preußische Abgeordnete wie
Herr Duncker Reden übers Herz bringen, die ein Abgeordneter vom kieler Sophien¬
blatt ebenfalls halten könnte. Jene Durchlauchten aber zu Preußischgesinnten zu
machen, möchte doch wohl unmöglich sein, und wären sie gute Preußen, so
hätte man auch damit nicht viel gewonnen; denn noch immer befände man sich
dann im Unklaren über die Gesinnung des Nachwuchses der zu begründenden
Dynastie. Der dem preußischen König geleistete Fahneneid macht aller solcher
Ungewißheit von vornherein ein Ende — also sind wir als Freunde von Ab¬
machungen ohne Rest und als Gegner aller Vertrauensseligkeit in Dingen der
Politik dafür, daß er zu leisten ist.

Statt weiterer Gründe lassen wir für unsre Ansicht ein Beispiel sprechen,
welches allerdings nicht in allen, aber in vielen und wesentlichen Beziehungen
hierher paßt und so jedenfalls zur Klärung der Meinungen unter denen bei¬
tragen wird, die sich überhaupt aufklären zu lassen geneigt sind. Wir entnehmen
dasselbe in der Hauptsache der obengenannten Schrift, die wir als eine Arbeit,
Welche sich nach ihrem Inhalt wie größtentheils auch nach ihrer Form, in Be¬
treff der Darstellung der militärischen Ereignisse wie hinsichtlich der Behandlung
der diplomatischen Vorgänge sehr wohl neben Hauffer und selbst neben Bernhardt
sehen lassen kann *), den Lesern d. Bl. angelegentlich empfehlen. Einige Neben¬
sachen fügen wir aus Beitzkes „Geschichte des Jahres 1815" hinzu,
deren zweiter Band soeben erschienen ist. Nicht überflüssig wird sein, noch
darauf aufmerksam zu machen, daß Königer kein Preuße, sondern ein mittel¬
staatlicher Offizier (großherzoglich hessischer Jnsanteriehyuptmannj ist — freilich
ein, vorurtheilsloser.

Unser Beispiel ist das Verhalten der sächsischen Truppen in der Zeit
zwischen der Schlacht bei Leipzig und der Schlacht hei Waterloo, und besonders
die Meuterei derselben in Lüttich. Um dieses Ereigniß in das rechte Licht zu
stellen, müssen wir auf die Verhältnisse in Sachsen selbst nach der Gefangen.
nehmung König Friedrich Augusts und auf die Verhandlungen über die sächsische
Frage beim wiener Congreß zurückgehen, wobei sich wieder Parallelen zwischen



") Der Verfasser ergänzt beide Historiker in nicht unwesentlichen Dingen. Bernhardi z. B.
in Bezug auf die Schlacht bet yuatrebrns. Er hat verschiedene Quellen , vor allem da« Archiv
des großen Generalstabe« in Berlin und das darmstädter Kriegsarchiv, fleißig benutzt und
dabei namentlich auch in Bezug aus die ihm hier nacherzählten Vorgänge werthvolles Neue
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[0521] etwas Neues, sondern auch die Wahrheit gesagt hätte. Aber wird man u,us ebenso Erfreuliches über die Augustenburger überhaupt berichten können, etwa über den alten Herrn in Nienstcidten, den Herausgeber der „Hamburger Zeitung", oder über den Prinzen von Noer, der seinen eigenen Worten nach jedes Na¬ tionalgefühls baar ist, ja es für ein Zeichen von Bornirtheit hält, national zu denken? Es ist vieles möglich in einer Zeit, wo preußische Abgeordnete wie Herr Duncker Reden übers Herz bringen, die ein Abgeordneter vom kieler Sophien¬ blatt ebenfalls halten könnte. Jene Durchlauchten aber zu Preußischgesinnten zu machen, möchte doch wohl unmöglich sein, und wären sie gute Preußen, so hätte man auch damit nicht viel gewonnen; denn noch immer befände man sich dann im Unklaren über die Gesinnung des Nachwuchses der zu begründenden Dynastie. Der dem preußischen König geleistete Fahneneid macht aller solcher Ungewißheit von vornherein ein Ende — also sind wir als Freunde von Ab¬ machungen ohne Rest und als Gegner aller Vertrauensseligkeit in Dingen der Politik dafür, daß er zu leisten ist. Statt weiterer Gründe lassen wir für unsre Ansicht ein Beispiel sprechen, welches allerdings nicht in allen, aber in vielen und wesentlichen Beziehungen hierher paßt und so jedenfalls zur Klärung der Meinungen unter denen bei¬ tragen wird, die sich überhaupt aufklären zu lassen geneigt sind. Wir entnehmen dasselbe in der Hauptsache der obengenannten Schrift, die wir als eine Arbeit, Welche sich nach ihrem Inhalt wie größtentheils auch nach ihrer Form, in Be¬ treff der Darstellung der militärischen Ereignisse wie hinsichtlich der Behandlung der diplomatischen Vorgänge sehr wohl neben Hauffer und selbst neben Bernhardt sehen lassen kann *), den Lesern d. Bl. angelegentlich empfehlen. Einige Neben¬ sachen fügen wir aus Beitzkes „Geschichte des Jahres 1815" hinzu, deren zweiter Band soeben erschienen ist. Nicht überflüssig wird sein, noch darauf aufmerksam zu machen, daß Königer kein Preuße, sondern ein mittel¬ staatlicher Offizier (großherzoglich hessischer Jnsanteriehyuptmannj ist — freilich ein, vorurtheilsloser. Unser Beispiel ist das Verhalten der sächsischen Truppen in der Zeit zwischen der Schlacht bei Leipzig und der Schlacht hei Waterloo, und besonders die Meuterei derselben in Lüttich. Um dieses Ereigniß in das rechte Licht zu stellen, müssen wir auf die Verhältnisse in Sachsen selbst nach der Gefangen. nehmung König Friedrich Augusts und auf die Verhandlungen über die sächsische Frage beim wiener Congreß zurückgehen, wobei sich wieder Parallelen zwischen ") Der Verfasser ergänzt beide Historiker in nicht unwesentlichen Dingen. Bernhardi z. B. in Bezug auf die Schlacht bet yuatrebrns. Er hat verschiedene Quellen , vor allem da« Archiv des großen Generalstabe« in Berlin und das darmstädter Kriegsarchiv, fleißig benutzt und dabei namentlich auch in Bezug aus die ihm hier nacherzählten Vorgänge werthvolles Neue »u Tage gefördert, , 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/521>, abgerufen am 28.09.2024.