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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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kunst zu verschaffen, statistische Tabellen anzulegen, neue ökonomische Systeme
und Verbesserungen einzuführen, Sümpfe und Sandflächen zur Cultur zu
bringen, kurz nach jeder Richtung hin für die Steigerung der Landeswohlfahrt in
Friedrichs umfassenden, nach allen Richtungen hin wirkenden Sinne zu sorgen.
Die Ernennung erfolgt auf ständische Präsentation durch königliche Bestätigung
(gegen das frühere Verhältniß ein Fortschritt). Zugleich wurde das Institut,
das sich gut bewährte, auch über fast alle übrigen Theile der Monarchie aus¬
gedehnt. Die Reformgesetzgebung traf mit den Kreisverfassungen auf das In¬
stitut der Landräthe, doch kam das Gensdarmerieedict vom 30. Juli 1812,
durch welches bestimmt wurde, daß an Stelle der Landräthe vom Könige er¬
nannte Kreisdirectoren treten sollten, nur in wenigen Punkten zur Ausführung.
1816 wurden die Landräthe als Regierungsorgan wiederhergestellt. Indessen
wurde die Reaction gegen Hardenberg immer heftiger und erlangte allmälig
bedeutende Concessionen, so auch die Wiederherstellung der Kreisstände, jedoch
mit der Modification, daß zu den Rittergutsbesitzern auch eine, verhältnißmäßig
allerdings sehr geringe Anzahl von Abgeordneten der Städte und Landgemeinden
treten sollte. Die Ausführung der Beschlüsse der Kreistage steht dem Landrath
zu, für dessen Ernennung das alte Präsentationsverfahren, soweit solches früher
bestanden hatte (d. h. im Allgemeinen in den alten Provinzen) wiederhergestellt
wurde. Die Verfassung von 1860 behielt in Artikel 105 besondere Gesetze über
die Verwaltung der Kreise vor, und stellte nur als Grundsatz für dieselbe auf,
daß Versammlungen von gewählten Vertretern über die inneren Angelegenheiten
der Kreise zu beschließen hätten, und daß die Ausführung der Beschlüsse vom
Könige ernannten Vorstehern der Kreise zustehen solle. Dieser Artikel, sowie
das zur Ausführung desselben bestimmte Gesetz vom 11. März 1850 wurde
durch das Gesetz vom 24. Mai 1853 aufgehoben; die frühern Kreisordnungen
wurden wiederhergestellt und bald darauf auch das Präsentationsrecht der Stände
bei Ernennung des Landraths, wie es vor 1848 bestanden hatte, d.. h. also
in den alten Provinzen unter alleiniger Betheiligung der Rittergutsbesitzer,
während in denjenigen Landestheilen, in denen vor der Besitzergreifung daS
Institut der Landräthe nicht bestanden hatte, die Präsentation von den ge-
sammten Kreisversammlungen ausgeht. Daß selbst in diesem letztern Falle das
Uebergewicht der größeren Grundbesitzer unverhältnißmäßig groß ist, ergiebt sich
aus der einen Thatsache, daß unter den 11,954 Mitgliedern der Kreisstände sich
neben etwa 10,000 Rittergutsbesitzern nur 979 Abgeordnete der Städte und 976
der Landgemeinden befinden"). Spätere Versuche, die Abnormität durch Einführung
des königlichen Ernennungsrechts zu beseitigen, sind bis jetzt gescheitert. Offenbar



*) S. Rönne. Bd. I. ". S. 420.

kunst zu verschaffen, statistische Tabellen anzulegen, neue ökonomische Systeme
und Verbesserungen einzuführen, Sümpfe und Sandflächen zur Cultur zu
bringen, kurz nach jeder Richtung hin für die Steigerung der Landeswohlfahrt in
Friedrichs umfassenden, nach allen Richtungen hin wirkenden Sinne zu sorgen.
Die Ernennung erfolgt auf ständische Präsentation durch königliche Bestätigung
(gegen das frühere Verhältniß ein Fortschritt). Zugleich wurde das Institut,
das sich gut bewährte, auch über fast alle übrigen Theile der Monarchie aus¬
gedehnt. Die Reformgesetzgebung traf mit den Kreisverfassungen auf das In¬
stitut der Landräthe, doch kam das Gensdarmerieedict vom 30. Juli 1812,
durch welches bestimmt wurde, daß an Stelle der Landräthe vom Könige er¬
nannte Kreisdirectoren treten sollten, nur in wenigen Punkten zur Ausführung.
1816 wurden die Landräthe als Regierungsorgan wiederhergestellt. Indessen
wurde die Reaction gegen Hardenberg immer heftiger und erlangte allmälig
bedeutende Concessionen, so auch die Wiederherstellung der Kreisstände, jedoch
mit der Modification, daß zu den Rittergutsbesitzern auch eine, verhältnißmäßig
allerdings sehr geringe Anzahl von Abgeordneten der Städte und Landgemeinden
treten sollte. Die Ausführung der Beschlüsse der Kreistage steht dem Landrath
zu, für dessen Ernennung das alte Präsentationsverfahren, soweit solches früher
bestanden hatte (d. h. im Allgemeinen in den alten Provinzen) wiederhergestellt
wurde. Die Verfassung von 1860 behielt in Artikel 105 besondere Gesetze über
die Verwaltung der Kreise vor, und stellte nur als Grundsatz für dieselbe auf,
daß Versammlungen von gewählten Vertretern über die inneren Angelegenheiten
der Kreise zu beschließen hätten, und daß die Ausführung der Beschlüsse vom
Könige ernannten Vorstehern der Kreise zustehen solle. Dieser Artikel, sowie
das zur Ausführung desselben bestimmte Gesetz vom 11. März 1850 wurde
durch das Gesetz vom 24. Mai 1853 aufgehoben; die frühern Kreisordnungen
wurden wiederhergestellt und bald darauf auch das Präsentationsrecht der Stände
bei Ernennung des Landraths, wie es vor 1848 bestanden hatte, d.. h. also
in den alten Provinzen unter alleiniger Betheiligung der Rittergutsbesitzer,
während in denjenigen Landestheilen, in denen vor der Besitzergreifung daS
Institut der Landräthe nicht bestanden hatte, die Präsentation von den ge-
sammten Kreisversammlungen ausgeht. Daß selbst in diesem letztern Falle das
Uebergewicht der größeren Grundbesitzer unverhältnißmäßig groß ist, ergiebt sich
aus der einen Thatsache, daß unter den 11,954 Mitgliedern der Kreisstände sich
neben etwa 10,000 Rittergutsbesitzern nur 979 Abgeordnete der Städte und 976
der Landgemeinden befinden"). Spätere Versuche, die Abnormität durch Einführung
des königlichen Ernennungsrechts zu beseitigen, sind bis jetzt gescheitert. Offenbar



*) S. Rönne. Bd. I. ». S. 420.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/506>, abgerufen am 29.06.2024.