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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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des Oberpräsidenten abhängen, was er aus seiner Stellung machen will,
und es hat bekanntlich unter den Oberpräsidenten mehre gegeben, die eine
überaus segensreiche Thätigkeit in ihren Provinzen ausgeübt haben und sich
den glänzendsten Erscheinungen des altpreußischen Beamtenthums würdig an¬
reihen. Andrerseits aber liegt die Gefahr nahe, daß gerade die Unbestimmtheit
des Wirkungskreises zu dem Bestreben verleitet, den eigentlichen Beruf des
Amtes in der Leitung des öffentlichen Geistes der Provinz zu finden --
eine Thätigkeit, die dem Beamtenthum im constitutionellen Staate nur in
ganz besonderen Fällen zukommt, und die übrigens, wo sie, wie oft un¬
vermeidlich, in vexatorischer Weise geübt wird, in der Regel gerade das
Gegentheil von dem erzielt, was beabsichtigt wird. Die Leitung des öffentlichen
Geistes, soweit eine solche überhaupt in den Bereich der Negierungssphäre fällt,
ist Sache des Ministeriums durch Vermittelung der Kammern. Eine directe Ein¬
wirkung durch das Beamtenthum ist der Regierung meist schädlich, unschädlich
nur in Zeiten der Abspannung, wo sie völlig unnöthig und überflüssig ist.
Indessen ist zuzugeben, daß alle diese Bedenken noch nicht ausreichend sind,
um die Frage kategorisch zu entscheiden, ob eine Aufhebung der Provinzial-
centralisation und folglich die Abschaffung der Oberpräsidentenstellen zweckmä¬
ßig sei oder nicht: die Frage wird vielmehr zu ihrer völligen Erledigung noch der
sorgfältigsten und allseitigsten Prüfung vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt aus, der
hier allein maßgebend ist, bedürfen. Was dagegen die Provinzialstände betrifft,
so ist es unter allen Umständen bedenklich, Körperschaften mit überaus geringen
verfassungsmäßigen Befugnissen (das Gutachten, welches sie über Gesetze von
rein provinzieller Bedeutung abzugeben haben, ist weder für die Regierung
noch für den Landtag irgendwie maßgebend) und sehr hohen Ansprüchen fort¬
bestehen zu lassen. Sie haben jede positive Bedeutung verloren, seit der Versuch,
aus ihnen eine reichsständische Versammlung hervorgehen zu lassen, nach einem
hoffnungsvollen und vielversprechenden Anfange infolge der Stürme des Jahres
1848 gescheitert ist; mit Einführung der gegenwärtig bestehenden Verfassung ist
ihnen die Wurzel abgeschnitten, da es unmöglich ist, sie in den Verfassungs¬
staat organisch einzufügen. Sie sind in dem gegenwärtigen Staate ein fremder
Bestandtheil, dessen völlige verfassungsmäßige Beseitigung, welcher durchaus
kein Rechtsgrund, ja nicht einmal die Rücksicht auf den wahren Vortheil der
Provinzen entgegensteht, vom Staatsinteresse geboten ist.

Man hört zuweilen den Wunsch aussprechen nach Umbildung der Pro¬
vinzialstände zu einer wirklichen Provinzialpräsentation, durch Einführung
eines freien Wahlgesetzes. Auch hiergegen müssen wir uns nachdrücklich erklären.
Wir wollen überhaupt keine Provinzialrepräsentation, da eine solche entweder
Völlig bedeutungslos bleiben würde, oder, wenn sie eine gewisse Bedeutung


des Oberpräsidenten abhängen, was er aus seiner Stellung machen will,
und es hat bekanntlich unter den Oberpräsidenten mehre gegeben, die eine
überaus segensreiche Thätigkeit in ihren Provinzen ausgeübt haben und sich
den glänzendsten Erscheinungen des altpreußischen Beamtenthums würdig an¬
reihen. Andrerseits aber liegt die Gefahr nahe, daß gerade die Unbestimmtheit
des Wirkungskreises zu dem Bestreben verleitet, den eigentlichen Beruf des
Amtes in der Leitung des öffentlichen Geistes der Provinz zu finden —
eine Thätigkeit, die dem Beamtenthum im constitutionellen Staate nur in
ganz besonderen Fällen zukommt, und die übrigens, wo sie, wie oft un¬
vermeidlich, in vexatorischer Weise geübt wird, in der Regel gerade das
Gegentheil von dem erzielt, was beabsichtigt wird. Die Leitung des öffentlichen
Geistes, soweit eine solche überhaupt in den Bereich der Negierungssphäre fällt,
ist Sache des Ministeriums durch Vermittelung der Kammern. Eine directe Ein¬
wirkung durch das Beamtenthum ist der Regierung meist schädlich, unschädlich
nur in Zeiten der Abspannung, wo sie völlig unnöthig und überflüssig ist.
Indessen ist zuzugeben, daß alle diese Bedenken noch nicht ausreichend sind,
um die Frage kategorisch zu entscheiden, ob eine Aufhebung der Provinzial-
centralisation und folglich die Abschaffung der Oberpräsidentenstellen zweckmä¬
ßig sei oder nicht: die Frage wird vielmehr zu ihrer völligen Erledigung noch der
sorgfältigsten und allseitigsten Prüfung vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt aus, der
hier allein maßgebend ist, bedürfen. Was dagegen die Provinzialstände betrifft,
so ist es unter allen Umständen bedenklich, Körperschaften mit überaus geringen
verfassungsmäßigen Befugnissen (das Gutachten, welches sie über Gesetze von
rein provinzieller Bedeutung abzugeben haben, ist weder für die Regierung
noch für den Landtag irgendwie maßgebend) und sehr hohen Ansprüchen fort¬
bestehen zu lassen. Sie haben jede positive Bedeutung verloren, seit der Versuch,
aus ihnen eine reichsständische Versammlung hervorgehen zu lassen, nach einem
hoffnungsvollen und vielversprechenden Anfange infolge der Stürme des Jahres
1848 gescheitert ist; mit Einführung der gegenwärtig bestehenden Verfassung ist
ihnen die Wurzel abgeschnitten, da es unmöglich ist, sie in den Verfassungs¬
staat organisch einzufügen. Sie sind in dem gegenwärtigen Staate ein fremder
Bestandtheil, dessen völlige verfassungsmäßige Beseitigung, welcher durchaus
kein Rechtsgrund, ja nicht einmal die Rücksicht auf den wahren Vortheil der
Provinzen entgegensteht, vom Staatsinteresse geboten ist.

Man hört zuweilen den Wunsch aussprechen nach Umbildung der Pro¬
vinzialstände zu einer wirklichen Provinzialpräsentation, durch Einführung
eines freien Wahlgesetzes. Auch hiergegen müssen wir uns nachdrücklich erklären.
Wir wollen überhaupt keine Provinzialrepräsentation, da eine solche entweder
Völlig bedeutungslos bleiben würde, oder, wenn sie eine gewisse Bedeutung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/504>, abgerufen am 29.06.2024.