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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Das Ineinandergreifen des büreaukratischen und feudcilen Elements macht
sich vorzugsweise geltend in der Verwaltung der Gemeinden und Kreise, schwächer
in der der Provinzen, während die Regierungsbezirke aUsschießlichnachbüreaUkratisch-
administrativen Grundsätzen verwaltet werden. Wir können hier nicht erschöpfend
eingehen auf die Bedenken, die sich gegen den sehr complicirten Organismus
der preußischen Verwaltungsmaschine im Allgemeinen erheben lassen, und die
wiederholentlich den Wunsch erweckt haben, die Eintheilung in Provinzen und
das Institut der Oberpräsidenten ganz zu beseitigen. Einige Bemerkungen
seien indessen gestattet. Wenn für die Beibehaltung der Provinzen als ad¬
ministrativer Bezirke die historische Bedeutung derselben angeführt wird, so will
dies Argument nicht viel besagen, da die Provinzen zum Theil aus sehr ver-
schiedenartigen Elementen bestehen, die erst in neuerer Zeit zu administrativen
Körperschaften verschmolzen sind. Auch ist der Werth der historischen Zusammen-
geHörigkeit für die Einrichtung von Verwaltungsbezirken sehr zweifelhaft. Wo
Besonderheiten des Volkslebens kräftig genug sind, um sich unter dem nivelliren-
den Einfluß der Zusammengehörigkeit mit einem größeren Ganzen lebendig zu
erhalten, wäre es ein brutaler Despotismus, dieselben, wofern sie nicht die Einheit
des Staatcsbedrohen.vernichten zuwollen; dagegen Besonderheiten noch ausdrücklich
zu patronisuen, ist durchaus nicht Sache der Staatskunst, wenigstens nicht in Preußen,
welches gar keine Ursache hat, das Äiviäe etiillxvrazum Wahlspruch seinerinneren
Politik zu machen. -- In der That ist die historisch -romantische Vertheidigung
der provinziellen Selbständigkeit nicht viel mehr als ein Aushängeschild für das
Bestreben, möglichst weiten Spielraum für die feudalständische Opposition gegen
die einheitlich-constitutionelle Entwickelung des Staats zu gewinnen. Nicht
also vom historischen, sondern vom rein administrativen Gesichtspunkte aus
wird die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Instituts zu erwägen sein. Hier
ist nun zuzugeben, daß in einigen Provinzen gemeinschaftliche auf korporativer
Einigung beruhende Institute und Interessen bestehen. Indessen bestehen der¬
artige Jnteressenverbände auch in einzelnen Landestheilen, die in anderen Be-
Ziehungen keine, Einheit bilden, und es läßt sich im Allgemeinen nicht wohl
behaupten, daß eine Zusammengehörigkeit in gewissen Beziehungen die volle
administrative Einheit der Provinzen zur nothwendigen Voraussehung habe.
Was nun die Stellung des ersten Beamten der Provinz betrifft, so ist dieselbe
bei der Unmittelbarkeit der Beziehungen zwischen dem Ministerium und den
Regierungen eine ziemlich unbestimmte und schwer zu begrenzende. Er soll haupt¬
sächlich den Gang der Verwaltung beleben, für Uebereinstimmung in Ver-
waltungsgrundsätzen Sorge tragen (dies ist aber doch wohl Sache des Ministe-
nums). gewisse Angelegenheiten, z. B. die ständischen, unmittelbar verwalten
"- s- w. Es wird also bis zu einem gewissen Grade von der Persönlichkeit


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Das Ineinandergreifen des büreaukratischen und feudcilen Elements macht
sich vorzugsweise geltend in der Verwaltung der Gemeinden und Kreise, schwächer
in der der Provinzen, während die Regierungsbezirke aUsschießlichnachbüreaUkratisch-
administrativen Grundsätzen verwaltet werden. Wir können hier nicht erschöpfend
eingehen auf die Bedenken, die sich gegen den sehr complicirten Organismus
der preußischen Verwaltungsmaschine im Allgemeinen erheben lassen, und die
wiederholentlich den Wunsch erweckt haben, die Eintheilung in Provinzen und
das Institut der Oberpräsidenten ganz zu beseitigen. Einige Bemerkungen
seien indessen gestattet. Wenn für die Beibehaltung der Provinzen als ad¬
ministrativer Bezirke die historische Bedeutung derselben angeführt wird, so will
dies Argument nicht viel besagen, da die Provinzen zum Theil aus sehr ver-
schiedenartigen Elementen bestehen, die erst in neuerer Zeit zu administrativen
Körperschaften verschmolzen sind. Auch ist der Werth der historischen Zusammen-
geHörigkeit für die Einrichtung von Verwaltungsbezirken sehr zweifelhaft. Wo
Besonderheiten des Volkslebens kräftig genug sind, um sich unter dem nivelliren-
den Einfluß der Zusammengehörigkeit mit einem größeren Ganzen lebendig zu
erhalten, wäre es ein brutaler Despotismus, dieselben, wofern sie nicht die Einheit
des Staatcsbedrohen.vernichten zuwollen; dagegen Besonderheiten noch ausdrücklich
zu patronisuen, ist durchaus nicht Sache der Staatskunst, wenigstens nicht in Preußen,
welches gar keine Ursache hat, das Äiviäe etiillxvrazum Wahlspruch seinerinneren
Politik zu machen. — In der That ist die historisch -romantische Vertheidigung
der provinziellen Selbständigkeit nicht viel mehr als ein Aushängeschild für das
Bestreben, möglichst weiten Spielraum für die feudalständische Opposition gegen
die einheitlich-constitutionelle Entwickelung des Staats zu gewinnen. Nicht
also vom historischen, sondern vom rein administrativen Gesichtspunkte aus
wird die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Instituts zu erwägen sein. Hier
ist nun zuzugeben, daß in einigen Provinzen gemeinschaftliche auf korporativer
Einigung beruhende Institute und Interessen bestehen. Indessen bestehen der¬
artige Jnteressenverbände auch in einzelnen Landestheilen, die in anderen Be-
Ziehungen keine, Einheit bilden, und es läßt sich im Allgemeinen nicht wohl
behaupten, daß eine Zusammengehörigkeit in gewissen Beziehungen die volle
administrative Einheit der Provinzen zur nothwendigen Voraussehung habe.
Was nun die Stellung des ersten Beamten der Provinz betrifft, so ist dieselbe
bei der Unmittelbarkeit der Beziehungen zwischen dem Ministerium und den
Regierungen eine ziemlich unbestimmte und schwer zu begrenzende. Er soll haupt¬
sächlich den Gang der Verwaltung beleben, für Uebereinstimmung in Ver-
waltungsgrundsätzen Sorge tragen (dies ist aber doch wohl Sache des Ministe-
nums). gewisse Angelegenheiten, z. B. die ständischen, unmittelbar verwalten
«- s- w. Es wird also bis zu einem gewissen Grade von der Persönlichkeit


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[0503] Das Ineinandergreifen des büreaukratischen und feudcilen Elements macht sich vorzugsweise geltend in der Verwaltung der Gemeinden und Kreise, schwächer in der der Provinzen, während die Regierungsbezirke aUsschießlichnachbüreaUkratisch- administrativen Grundsätzen verwaltet werden. Wir können hier nicht erschöpfend eingehen auf die Bedenken, die sich gegen den sehr complicirten Organismus der preußischen Verwaltungsmaschine im Allgemeinen erheben lassen, und die wiederholentlich den Wunsch erweckt haben, die Eintheilung in Provinzen und das Institut der Oberpräsidenten ganz zu beseitigen. Einige Bemerkungen seien indessen gestattet. Wenn für die Beibehaltung der Provinzen als ad¬ ministrativer Bezirke die historische Bedeutung derselben angeführt wird, so will dies Argument nicht viel besagen, da die Provinzen zum Theil aus sehr ver- schiedenartigen Elementen bestehen, die erst in neuerer Zeit zu administrativen Körperschaften verschmolzen sind. Auch ist der Werth der historischen Zusammen- geHörigkeit für die Einrichtung von Verwaltungsbezirken sehr zweifelhaft. Wo Besonderheiten des Volkslebens kräftig genug sind, um sich unter dem nivelliren- den Einfluß der Zusammengehörigkeit mit einem größeren Ganzen lebendig zu erhalten, wäre es ein brutaler Despotismus, dieselben, wofern sie nicht die Einheit des Staatcsbedrohen.vernichten zuwollen; dagegen Besonderheiten noch ausdrücklich zu patronisuen, ist durchaus nicht Sache der Staatskunst, wenigstens nicht in Preußen, welches gar keine Ursache hat, das Äiviäe etiillxvrazum Wahlspruch seinerinneren Politik zu machen. — In der That ist die historisch -romantische Vertheidigung der provinziellen Selbständigkeit nicht viel mehr als ein Aushängeschild für das Bestreben, möglichst weiten Spielraum für die feudalständische Opposition gegen die einheitlich-constitutionelle Entwickelung des Staats zu gewinnen. Nicht also vom historischen, sondern vom rein administrativen Gesichtspunkte aus wird die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Instituts zu erwägen sein. Hier ist nun zuzugeben, daß in einigen Provinzen gemeinschaftliche auf korporativer Einigung beruhende Institute und Interessen bestehen. Indessen bestehen der¬ artige Jnteressenverbände auch in einzelnen Landestheilen, die in anderen Be- Ziehungen keine, Einheit bilden, und es läßt sich im Allgemeinen nicht wohl behaupten, daß eine Zusammengehörigkeit in gewissen Beziehungen die volle administrative Einheit der Provinzen zur nothwendigen Voraussehung habe. Was nun die Stellung des ersten Beamten der Provinz betrifft, so ist dieselbe bei der Unmittelbarkeit der Beziehungen zwischen dem Ministerium und den Regierungen eine ziemlich unbestimmte und schwer zu begrenzende. Er soll haupt¬ sächlich den Gang der Verwaltung beleben, für Uebereinstimmung in Ver- waltungsgrundsätzen Sorge tragen (dies ist aber doch wohl Sache des Ministe- nums). gewisse Angelegenheiten, z. B. die ständischen, unmittelbar verwalten «- s- w. Es wird also bis zu einem gewissen Grade von der Persönlichkeit 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/503>, abgerufen am 28.09.2024.