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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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wird. Allerdings muß, um diese Maßregel zu einer alle Fälle der Amts-
Verletzungen betreffenden zu machen, auch das Anklagemonopol der Staats¬
anwaltschaft fortfallen; denn so lange dies besteht würde es in einer großen
Anzahl von Fällen der Amtsüberschreitung an einem legitimirten Kläger fehlen.
Der Einwand, daß die Aufhebung des Gesetzes vom 13. Februar 1854, sowie
die Aufhebung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft die Ordnung und
Sicherheit der Verwaltung gefährden würde, ist unbegründet. Es beruht auf
der irrigen Voraussetzung, daß die beständige Furcht vor gerichtlicher Verant¬
wortung die Thatkraft und Selbständigkeit der Beamten lähmen würde.
Allerdings wird der Beamte die Legalität eines jeden Schrittes, den er zu thun
im Begriff ist, aufs Strengste prüfen müssen; dies ist aber eine unerläßliche
Forderung des Rechtsstaates, und es ist nicht abzusehen, wie eine Admini¬
stration, von der mit Recht gefordert werden kann, daß sie sich innerhalb der
Schranken der Gesetze halte, dadurch geschwächt werden soll, daß sie für jede
Überschreitung dieser Grenzen verantwortlich ist und wirklich zur Verantwortung
gezogen werden kann. Es läßt sich im Gegentheil behaupten, daß das Ver-
trauen zu den Beamten und damit ihr Einfluß bedeutend steigen wird, sobald
die Institutionen selbst eine sichere Garantie gegen Beamtenwillkür gewähren.
Die Schranke, welche wir für die Vollmacht der Beamten fordern, ist eine
ebenso heilsame, wie nothwendige; sie erlaubt innerhalb der Gesetze denselben
die freieste Bewegung, und dieselben Gesetze, die der Willkür den Zügel an¬
legen, gewähren dem Beamten, der, soweit es das Recht des Landes gestattet,
seine Befugnisse mit kräftigster Energie ausübt, eine sicherere und festere Stellung,
als sie der deckende Schutz seiner vorgesetzten Behörde zu gewähren vermag.
Natürlich ist, wie schon bemerkt, mit dieser Stellung das Anklagemonopol der Staats¬
anwaltschaft unvereinbar, welches überhaupt ein dem deutschen Rechtswesen durchaus
nicht entsprechendes Institut ist, über welches wir uns aber, da dieser Gegenstand
bereits von anderer Seite in d. Bl. eingehend behandelt ist, weiterer Be¬
merkungen enthalten. Uebrigens bemerken wir. daß, was wir in Bezug auf
den Fall einer von einem Beamten ausgeübten speciellen Rechtsverletzung er¬
örtert haben, im Allgemeinen auf jeden Conflict zwischen Gerichten und Ver¬
waltungsbehörden seine Anwendung findet. Denn es ist unzweifelhaft, daß
die einzige Garantie für die Gesetzlichkeit der Verwaltung in der uneingeschränkten
Berechtigung der Gerichte, über ihre Kompetenz zu entscheiden, gesunden werden
kann. Daß die völlige Beseitigung des Competenzconflicthofes nur auf dem
für Verfassungsveränderungen vorgeschriebenen Wege möglich ist, haben wir
schon bemerkt.

Nur auf diese Weise wird es möglich sein, dem Beamtentum die rühm-
lichen Eigenschaften, die zu verschiedenen Zeiten dasselbe zum Vorbild für


Grenzboten II. 186S.

wird. Allerdings muß, um diese Maßregel zu einer alle Fälle der Amts-
Verletzungen betreffenden zu machen, auch das Anklagemonopol der Staats¬
anwaltschaft fortfallen; denn so lange dies besteht würde es in einer großen
Anzahl von Fällen der Amtsüberschreitung an einem legitimirten Kläger fehlen.
Der Einwand, daß die Aufhebung des Gesetzes vom 13. Februar 1854, sowie
die Aufhebung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft die Ordnung und
Sicherheit der Verwaltung gefährden würde, ist unbegründet. Es beruht auf
der irrigen Voraussetzung, daß die beständige Furcht vor gerichtlicher Verant¬
wortung die Thatkraft und Selbständigkeit der Beamten lähmen würde.
Allerdings wird der Beamte die Legalität eines jeden Schrittes, den er zu thun
im Begriff ist, aufs Strengste prüfen müssen; dies ist aber eine unerläßliche
Forderung des Rechtsstaates, und es ist nicht abzusehen, wie eine Admini¬
stration, von der mit Recht gefordert werden kann, daß sie sich innerhalb der
Schranken der Gesetze halte, dadurch geschwächt werden soll, daß sie für jede
Überschreitung dieser Grenzen verantwortlich ist und wirklich zur Verantwortung
gezogen werden kann. Es läßt sich im Gegentheil behaupten, daß das Ver-
trauen zu den Beamten und damit ihr Einfluß bedeutend steigen wird, sobald
die Institutionen selbst eine sichere Garantie gegen Beamtenwillkür gewähren.
Die Schranke, welche wir für die Vollmacht der Beamten fordern, ist eine
ebenso heilsame, wie nothwendige; sie erlaubt innerhalb der Gesetze denselben
die freieste Bewegung, und dieselben Gesetze, die der Willkür den Zügel an¬
legen, gewähren dem Beamten, der, soweit es das Recht des Landes gestattet,
seine Befugnisse mit kräftigster Energie ausübt, eine sicherere und festere Stellung,
als sie der deckende Schutz seiner vorgesetzten Behörde zu gewähren vermag.
Natürlich ist, wie schon bemerkt, mit dieser Stellung das Anklagemonopol der Staats¬
anwaltschaft unvereinbar, welches überhaupt ein dem deutschen Rechtswesen durchaus
nicht entsprechendes Institut ist, über welches wir uns aber, da dieser Gegenstand
bereits von anderer Seite in d. Bl. eingehend behandelt ist, weiterer Be¬
merkungen enthalten. Uebrigens bemerken wir. daß, was wir in Bezug auf
den Fall einer von einem Beamten ausgeübten speciellen Rechtsverletzung er¬
örtert haben, im Allgemeinen auf jeden Conflict zwischen Gerichten und Ver¬
waltungsbehörden seine Anwendung findet. Denn es ist unzweifelhaft, daß
die einzige Garantie für die Gesetzlichkeit der Verwaltung in der uneingeschränkten
Berechtigung der Gerichte, über ihre Kompetenz zu entscheiden, gesunden werden
kann. Daß die völlige Beseitigung des Competenzconflicthofes nur auf dem
für Verfassungsveränderungen vorgeschriebenen Wege möglich ist, haben wir
schon bemerkt.

Nur auf diese Weise wird es möglich sein, dem Beamtentum die rühm-
lichen Eigenschaften, die zu verschiedenen Zeiten dasselbe zum Vorbild für


Grenzboten II. 186S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/501>, abgerufen am 29.06.2024.