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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ist aber eben unmöglich; eine jede Regierung bedarf der Hilfe einer Partei;
eine Regierung., die von keiner Partei unterstützt wird, müßte es bereits mit
allen Parteien verdorben haben. Aus diesem unzweifelhaften Satze folgt aber,
daß jede Regirrung, da die Parteien nicht geneigt sind, ihre Unterstützung um-
sonst zu bieten, mehr oder weniger im Sinne der befreundeten Partei regieren
muß. so daß das angebliche königliche Regiment unwiderstehlich in der Richtung
gewisser Parteitendenzen, mögen diese nun parlamentarisch oder antiparlamen¬
tarisch sein, gedrängt wird. Diesem Schicksal ist auch das Ministerium der
Revisionsperiode verfallen; es konnte in absolutistischen Sinne nur wirken,
wenn es sich, was ursprünglich offenbar nicht in seiner Absicht lag. auf die
feudale Partei stützte, was natürlich weitgehende Concessionen zur Folge hatte.
Somit nahm die Reactionsperiode der fünfziger Jahre das doppelte Gepräge
einer verschärften büreaukratischen Centralisation und zugleich einer Begünstigung
der feudalen Interessen an, letzteres natürlich nur in beschränktem Maße, da die
Orgcmisationsideen der feudalen Doktrinäre einfach Hirngespinnste sind, an
deren Verwirklichung, wenige Fanatiker ausgenommen, in Preußen kein Mensch
glaubt. Diese doppelte Tendenz (und dies ist in hohem Grade charakteristisch
für die preußischen Verhältnisse) muß in Preußen jeder Reaction beiwohnen.
Denn jede Reaction, mag sie der leidenschaftlichen Spannung, mag sie der Ab¬
spannung des öffentlichen Geistes ihre Entstehung verdanken, kann sich auf
die Dauer immer nur auf die feudale Partei 'stützen, worin eben der Grund
liegt, daß das conservative bürgerliche Element immer nur vorübergehend der
Reaction eine Stütze bieten wird.

Sehen wir nun etwas näher, worin die Erfolge des Ministeriums Man-
ieuffel aus dem Gebiete des Verwaltungsrechtes bestanden haben, womit zugleich
die Punkte bezeichnet sind, welche jede besonnene und bewußte Reformpolitik
Vorzugsweise ins Auge zu fassen hat.

Die Thätigkeit des büreaukratischen Abso'utismus richtete sich besonders auf
Zwei Punkte 1) das Urtheil über Maßregln der Verwaltung möglichst der
Cognition der Gerichte zu entziehen; 2) die Verwaltung der Kreise und Ge¬
meinden völlig von dem herrschenden Regierungssystem abhängig zu machen.
Was den ersteren Punkt betrifft, so ist co klar, daß ein den Anforderungen
des Rechtsstaats vollkommen entsprechender Zustand nur da besteht, wo der
Beamte wegen jeder Überschreitung seiner dienstlichen Befugnisse auf Antrag
des durch ihn in seinen Rechten Beeinträchtigten vor den Gerichten Rechenschaft
zu geben hat. Daß ein derartiger Zustand keineswegs ein bloßes Ideal ist,
beweist das Beispiel Englands, wo das Urtheil über die Legalität aller
Verwaltungsmaßregeln in letzter Instanz den Gerichten zufällt. Auch in
Preußen kennt das allgemeine Landrecht noch keine Schranken für die gerichtliche
Verfolgung solcher Amtshandlungen, durch die Einzelne sich verletzt glauben.


ist aber eben unmöglich; eine jede Regierung bedarf der Hilfe einer Partei;
eine Regierung., die von keiner Partei unterstützt wird, müßte es bereits mit
allen Parteien verdorben haben. Aus diesem unzweifelhaften Satze folgt aber,
daß jede Regirrung, da die Parteien nicht geneigt sind, ihre Unterstützung um-
sonst zu bieten, mehr oder weniger im Sinne der befreundeten Partei regieren
muß. so daß das angebliche königliche Regiment unwiderstehlich in der Richtung
gewisser Parteitendenzen, mögen diese nun parlamentarisch oder antiparlamen¬
tarisch sein, gedrängt wird. Diesem Schicksal ist auch das Ministerium der
Revisionsperiode verfallen; es konnte in absolutistischen Sinne nur wirken,
wenn es sich, was ursprünglich offenbar nicht in seiner Absicht lag. auf die
feudale Partei stützte, was natürlich weitgehende Concessionen zur Folge hatte.
Somit nahm die Reactionsperiode der fünfziger Jahre das doppelte Gepräge
einer verschärften büreaukratischen Centralisation und zugleich einer Begünstigung
der feudalen Interessen an, letzteres natürlich nur in beschränktem Maße, da die
Orgcmisationsideen der feudalen Doktrinäre einfach Hirngespinnste sind, an
deren Verwirklichung, wenige Fanatiker ausgenommen, in Preußen kein Mensch
glaubt. Diese doppelte Tendenz (und dies ist in hohem Grade charakteristisch
für die preußischen Verhältnisse) muß in Preußen jeder Reaction beiwohnen.
Denn jede Reaction, mag sie der leidenschaftlichen Spannung, mag sie der Ab¬
spannung des öffentlichen Geistes ihre Entstehung verdanken, kann sich auf
die Dauer immer nur auf die feudale Partei 'stützen, worin eben der Grund
liegt, daß das conservative bürgerliche Element immer nur vorübergehend der
Reaction eine Stütze bieten wird.

Sehen wir nun etwas näher, worin die Erfolge des Ministeriums Man-
ieuffel aus dem Gebiete des Verwaltungsrechtes bestanden haben, womit zugleich
die Punkte bezeichnet sind, welche jede besonnene und bewußte Reformpolitik
Vorzugsweise ins Auge zu fassen hat.

Die Thätigkeit des büreaukratischen Abso'utismus richtete sich besonders auf
Zwei Punkte 1) das Urtheil über Maßregln der Verwaltung möglichst der
Cognition der Gerichte zu entziehen; 2) die Verwaltung der Kreise und Ge¬
meinden völlig von dem herrschenden Regierungssystem abhängig zu machen.
Was den ersteren Punkt betrifft, so ist co klar, daß ein den Anforderungen
des Rechtsstaats vollkommen entsprechender Zustand nur da besteht, wo der
Beamte wegen jeder Überschreitung seiner dienstlichen Befugnisse auf Antrag
des durch ihn in seinen Rechten Beeinträchtigten vor den Gerichten Rechenschaft
zu geben hat. Daß ein derartiger Zustand keineswegs ein bloßes Ideal ist,
beweist das Beispiel Englands, wo das Urtheil über die Legalität aller
Verwaltungsmaßregeln in letzter Instanz den Gerichten zufällt. Auch in
Preußen kennt das allgemeine Landrecht noch keine Schranken für die gerichtliche
Verfolgung solcher Amtshandlungen, durch die Einzelne sich verletzt glauben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/497>, abgerufen am 29.06.2024.