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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ehelichen Vereinigung, Raphael hat unterdessen ein Grab gegraben, um den
Tobias heimlich zu bestatten, wenn es ihm gehen sollte, wie den frühern
sieben Männern. Als aber eine zum Spähen ausgesandte Magd entdeckt, daß
die Beiden in Frieden schlafen, läßt er das Grab zuschulden.

Raguel schwört darauf, er wolle den Tobias nicht vor 14 Tagen weglassen.
Damit nun die Zeit nicht zu lange für seinen alten Vater werde, der in banger
Erwartung seiner Rückkehr harrt, wird Raphael zum Gabaei nach Ragä geschickt.
Dieser erhält das Geld des Tobie gegen den mitgebrachten Schuldschein und
bringt den Gabael selbst mit zu dem Feste in Ekbatana.

Nach Ablauf der 14 Tage läßt sich Tobias nicht länger halten, und
Raguel entläßt ihn mit seiner Tochter und der Hälfte aller seiner Güter.
Tobie hat unterdeß auf seinen Sohn mit großer Angst gewartet. Anna schon
an seiner Rückkehr verzweifelt. Das Wiedersehn mit den Aeltern findet unter all¬
gemeiner Rührung statt. Durch Bestreichung mit der Galle des Fisches werden
Tobits Augen geöffnet. Allgemeine Freude unter den Bekannten des Hauses.

Als Tobie und Tobias dem treuen Begleiter weit mehr als den bedungenen
Lohn überreichen wollen, giebt sich dieser als den Engel Raphael zu erkennen
und verschwindet. Tobie preist den Herrn in längerer Rede, lebt dann noch
lange in Frieden und stirbt im Alter von 158 Jahren. Als auch Anna ge¬
storben und neben ihrem Mann begraben ist, wandert Tobias mit Sara dem
letzten Willen seines Vaters gemäß nach Ekbatana zu den Schwiegerältern.
Auch diese beerbt er. Er stirbt in Ehren 127 Jahr alt, nachdem er noch vor
seinem Tode erfahren, daß Ninive von den Königen der' Chaldäer und Meter
Zerstört ist, wie es sein Vater vorausgesagt hatte, gestützt auf die Weissagungen
des Propheten Jonas.

. Daß diese schöne Erzählung geschichtlich wäre, könnte nur jemand meinen,
der qu die Möglichkeit glaubte, daß der Engel Raphael einen Menschen in
Menschengestalt begleiten und ein böser Geist nicht nur Menschen tödten, sondern
auch durch Gestank Vertrieben und gefesselt werden könnte. Wer so etwas
glaubt, dem ist mit wissenschaftlichen Gründen schwerlich beizukommen. Für
uns genügen diese für die Erzählung sehr wesentlichen Züge zu dem Beweis,
daß wir hier aus d^in Boden der Dichtung stehen. Ob der Dichter aber etwa
überlieferte Nachrichten über einen Tobie und Tobias benutzt oder ob er alles
frei aus seiner Phantasie gestaltet hat, das entzieht sich unsrer Entscheidung.
Die historische Situation ist übrigens der geschichtlichen Ueberlieferung entlehnt
und nicht übel beobachtet. Als eine Figur, die dem Erzähler von fremd-
her übergekommen ist, haben wir übrigens die des Achiachar anzusehn. Die
Geschichte desselben wird als bekannt vorausgesetzt und mehrmals wird auf sie
angespielt; er steht gar nicht in inniger Verbindung mit der Haupterzählung:
kurz es wird uns deutlich, daß wir hier eine Person haben, die dem Versasser


ehelichen Vereinigung, Raphael hat unterdessen ein Grab gegraben, um den
Tobias heimlich zu bestatten, wenn es ihm gehen sollte, wie den frühern
sieben Männern. Als aber eine zum Spähen ausgesandte Magd entdeckt, daß
die Beiden in Frieden schlafen, läßt er das Grab zuschulden.

Raguel schwört darauf, er wolle den Tobias nicht vor 14 Tagen weglassen.
Damit nun die Zeit nicht zu lange für seinen alten Vater werde, der in banger
Erwartung seiner Rückkehr harrt, wird Raphael zum Gabaei nach Ragä geschickt.
Dieser erhält das Geld des Tobie gegen den mitgebrachten Schuldschein und
bringt den Gabael selbst mit zu dem Feste in Ekbatana.

Nach Ablauf der 14 Tage läßt sich Tobias nicht länger halten, und
Raguel entläßt ihn mit seiner Tochter und der Hälfte aller seiner Güter.
Tobie hat unterdeß auf seinen Sohn mit großer Angst gewartet. Anna schon
an seiner Rückkehr verzweifelt. Das Wiedersehn mit den Aeltern findet unter all¬
gemeiner Rührung statt. Durch Bestreichung mit der Galle des Fisches werden
Tobits Augen geöffnet. Allgemeine Freude unter den Bekannten des Hauses.

Als Tobie und Tobias dem treuen Begleiter weit mehr als den bedungenen
Lohn überreichen wollen, giebt sich dieser als den Engel Raphael zu erkennen
und verschwindet. Tobie preist den Herrn in längerer Rede, lebt dann noch
lange in Frieden und stirbt im Alter von 158 Jahren. Als auch Anna ge¬
storben und neben ihrem Mann begraben ist, wandert Tobias mit Sara dem
letzten Willen seines Vaters gemäß nach Ekbatana zu den Schwiegerältern.
Auch diese beerbt er. Er stirbt in Ehren 127 Jahr alt, nachdem er noch vor
seinem Tode erfahren, daß Ninive von den Königen der' Chaldäer und Meter
Zerstört ist, wie es sein Vater vorausgesagt hatte, gestützt auf die Weissagungen
des Propheten Jonas.

. Daß diese schöne Erzählung geschichtlich wäre, könnte nur jemand meinen,
der qu die Möglichkeit glaubte, daß der Engel Raphael einen Menschen in
Menschengestalt begleiten und ein böser Geist nicht nur Menschen tödten, sondern
auch durch Gestank Vertrieben und gefesselt werden könnte. Wer so etwas
glaubt, dem ist mit wissenschaftlichen Gründen schwerlich beizukommen. Für
uns genügen diese für die Erzählung sehr wesentlichen Züge zu dem Beweis,
daß wir hier aus d^in Boden der Dichtung stehen. Ob der Dichter aber etwa
überlieferte Nachrichten über einen Tobie und Tobias benutzt oder ob er alles
frei aus seiner Phantasie gestaltet hat, das entzieht sich unsrer Entscheidung.
Die historische Situation ist übrigens der geschichtlichen Ueberlieferung entlehnt
und nicht übel beobachtet. Als eine Figur, die dem Erzähler von fremd-
her übergekommen ist, haben wir übrigens die des Achiachar anzusehn. Die
Geschichte desselben wird als bekannt vorausgesetzt und mehrmals wird auf sie
angespielt; er steht gar nicht in inniger Verbindung mit der Haupterzählung:
kurz es wird uns deutlich, daß wir hier eine Person haben, die dem Versasser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/489>, abgerufen am 29.06.2024.