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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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auf das aus der Makkabäerzeit stammende Fest der Tempelweihe oder
Reinigung. Nachdem hier erst erzählt ist, wie Juda aus dem Hasmonäer --
(d. i. Maccabäer --) Hause den Feldherrn des Königs der Griechen erschlagen
habe, als dieser an seiner Schwester, der Tochter des hohen Priester Johannes
(Jochanan) M primao iroetis habe ausüben wollen, heißt es, aus Rache sei
der König selbst gegen Jerusalem gezogen und nun habe die Wittwe Judith
Jerusalem (auf die im Buche Judith geschilderte Weise) gerettet. Alle wesent¬
lichen Züge unsrer Geschichte finden wir in der kurzen Erzählung wieder, nur
daß der (ungenannte) König selbst und Jerusalem statt des Olophernes und Be-
tyluas auftreten. Die Verknüpfung mit der ersten Geschichte ist ganz lose,
und ich möchte daher durchaus kein großes Gewicht darauf legen. Ganz falsch
ist es, wenn man in neuerer Zeit behauptet, die Juden identificiren die Judith
mit jener hasmonäischen Hohenpriesterstochter, da sie deutlich von ihr unter¬
schieden wird. Wenn daher die Geschichte dieser noch in verschiednen Verstonen
auftaucht, in denen der, welcher den Feldherrn erschlägt, bald als Eleazar, bald als
Mattathia, Sohn des hohen Priesters Johannes, erscheint und in deren einer
die Tochter den Namen Hanna führt, so ist das zwar sehr interessant als Beleg dafür,
wie verwirrt die jüdischen Erinnerungen an ihr größtes Heldengeschlecht, insbe¬
sondere den gewaltigen Johannes Hyrkanus -- denn das ist der hohe Priester
Johannes*) -- waren, aber Schlüsse auf die Abfassung und ursprüngliche
Form des Buches Judith darf man daraus nicht ziehen. Das Wichtige ist
eben nur die Verbindung der Judithgeschichte mit der der Makkabäer, wodurch
die Verwandlung der Assyrer in die Griechen bedingt ist.

Auf eine solche Verbindung der Judith mit der Makkabäergeschichte und
dem Fest der Tempelweihe weist eine kurze Notiz aus talmudischer Zeit hin
(Tosefta, Megilla sol. 4a). Die Geschichte Judiths nach der eben genannten
Version, aber aus der Verbindung mit der Geschichte von der Tochter des
hohen Priesters gelöst, finden wir in einem kleinem Tractat in gutem Hebräisch-

Eine andere weitläufige Erzählung von Judith geht dagegen unmittelbar auf
unser Buch und zwar, wie sich deutlich nachweisen läßt, auf den Text des
Hieronymus zurück. Aus jenen jüdischen Erinnerungen hat der Bearbeiter bloß
das behalten, daß die belagerte Stadt Jerusalem und das feindliche Volk das
griechische ist; er benutzt außerdem die in mehren Bearbeitungen bekannte
"Rolle des Antiochus", eine kurze ziemlich fabelhaste Erzählung der makkabäischen
Kriege, bestimmt zur Vorlesung am Fest der Tempelweihe. Im Uebrigen folgt
er dem lateinischen Text, aber mit großer Freiheit. Was ihn stört oder über¬
flüssig ist, läßt er weg. Von Nebukadnezar ist keine Rede; Olophernes ist bei



") In einer dieser Versionen (in dem Schoten zu der alten Fastenchronik 17, Etui) wi
dieser Johannes zum Vater des Mattathias d. i. seines Großvaters gemacht.

auf das aus der Makkabäerzeit stammende Fest der Tempelweihe oder
Reinigung. Nachdem hier erst erzählt ist, wie Juda aus dem Hasmonäer —
(d. i. Maccabäer —) Hause den Feldherrn des Königs der Griechen erschlagen
habe, als dieser an seiner Schwester, der Tochter des hohen Priester Johannes
(Jochanan) M primao iroetis habe ausüben wollen, heißt es, aus Rache sei
der König selbst gegen Jerusalem gezogen und nun habe die Wittwe Judith
Jerusalem (auf die im Buche Judith geschilderte Weise) gerettet. Alle wesent¬
lichen Züge unsrer Geschichte finden wir in der kurzen Erzählung wieder, nur
daß der (ungenannte) König selbst und Jerusalem statt des Olophernes und Be-
tyluas auftreten. Die Verknüpfung mit der ersten Geschichte ist ganz lose,
und ich möchte daher durchaus kein großes Gewicht darauf legen. Ganz falsch
ist es, wenn man in neuerer Zeit behauptet, die Juden identificiren die Judith
mit jener hasmonäischen Hohenpriesterstochter, da sie deutlich von ihr unter¬
schieden wird. Wenn daher die Geschichte dieser noch in verschiednen Verstonen
auftaucht, in denen der, welcher den Feldherrn erschlägt, bald als Eleazar, bald als
Mattathia, Sohn des hohen Priesters Johannes, erscheint und in deren einer
die Tochter den Namen Hanna führt, so ist das zwar sehr interessant als Beleg dafür,
wie verwirrt die jüdischen Erinnerungen an ihr größtes Heldengeschlecht, insbe¬
sondere den gewaltigen Johannes Hyrkanus — denn das ist der hohe Priester
Johannes*) — waren, aber Schlüsse auf die Abfassung und ursprüngliche
Form des Buches Judith darf man daraus nicht ziehen. Das Wichtige ist
eben nur die Verbindung der Judithgeschichte mit der der Makkabäer, wodurch
die Verwandlung der Assyrer in die Griechen bedingt ist.

Auf eine solche Verbindung der Judith mit der Makkabäergeschichte und
dem Fest der Tempelweihe weist eine kurze Notiz aus talmudischer Zeit hin
(Tosefta, Megilla sol. 4a). Die Geschichte Judiths nach der eben genannten
Version, aber aus der Verbindung mit der Geschichte von der Tochter des
hohen Priesters gelöst, finden wir in einem kleinem Tractat in gutem Hebräisch-

Eine andere weitläufige Erzählung von Judith geht dagegen unmittelbar auf
unser Buch und zwar, wie sich deutlich nachweisen läßt, auf den Text des
Hieronymus zurück. Aus jenen jüdischen Erinnerungen hat der Bearbeiter bloß
das behalten, daß die belagerte Stadt Jerusalem und das feindliche Volk das
griechische ist; er benutzt außerdem die in mehren Bearbeitungen bekannte
„Rolle des Antiochus", eine kurze ziemlich fabelhaste Erzählung der makkabäischen
Kriege, bestimmt zur Vorlesung am Fest der Tempelweihe. Im Uebrigen folgt
er dem lateinischen Text, aber mit großer Freiheit. Was ihn stört oder über¬
flüssig ist, läßt er weg. Von Nebukadnezar ist keine Rede; Olophernes ist bei



") In einer dieser Versionen (in dem Schoten zu der alten Fastenchronik 17, Etui) wi
dieser Johannes zum Vater des Mattathias d. i. seines Großvaters gemacht.
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[0486] auf das aus der Makkabäerzeit stammende Fest der Tempelweihe oder Reinigung. Nachdem hier erst erzählt ist, wie Juda aus dem Hasmonäer — (d. i. Maccabäer —) Hause den Feldherrn des Königs der Griechen erschlagen habe, als dieser an seiner Schwester, der Tochter des hohen Priester Johannes (Jochanan) M primao iroetis habe ausüben wollen, heißt es, aus Rache sei der König selbst gegen Jerusalem gezogen und nun habe die Wittwe Judith Jerusalem (auf die im Buche Judith geschilderte Weise) gerettet. Alle wesent¬ lichen Züge unsrer Geschichte finden wir in der kurzen Erzählung wieder, nur daß der (ungenannte) König selbst und Jerusalem statt des Olophernes und Be- tyluas auftreten. Die Verknüpfung mit der ersten Geschichte ist ganz lose, und ich möchte daher durchaus kein großes Gewicht darauf legen. Ganz falsch ist es, wenn man in neuerer Zeit behauptet, die Juden identificiren die Judith mit jener hasmonäischen Hohenpriesterstochter, da sie deutlich von ihr unter¬ schieden wird. Wenn daher die Geschichte dieser noch in verschiednen Verstonen auftaucht, in denen der, welcher den Feldherrn erschlägt, bald als Eleazar, bald als Mattathia, Sohn des hohen Priesters Johannes, erscheint und in deren einer die Tochter den Namen Hanna führt, so ist das zwar sehr interessant als Beleg dafür, wie verwirrt die jüdischen Erinnerungen an ihr größtes Heldengeschlecht, insbe¬ sondere den gewaltigen Johannes Hyrkanus — denn das ist der hohe Priester Johannes*) — waren, aber Schlüsse auf die Abfassung und ursprüngliche Form des Buches Judith darf man daraus nicht ziehen. Das Wichtige ist eben nur die Verbindung der Judithgeschichte mit der der Makkabäer, wodurch die Verwandlung der Assyrer in die Griechen bedingt ist. Auf eine solche Verbindung der Judith mit der Makkabäergeschichte und dem Fest der Tempelweihe weist eine kurze Notiz aus talmudischer Zeit hin (Tosefta, Megilla sol. 4a). Die Geschichte Judiths nach der eben genannten Version, aber aus der Verbindung mit der Geschichte von der Tochter des hohen Priesters gelöst, finden wir in einem kleinem Tractat in gutem Hebräisch- Eine andere weitläufige Erzählung von Judith geht dagegen unmittelbar auf unser Buch und zwar, wie sich deutlich nachweisen läßt, auf den Text des Hieronymus zurück. Aus jenen jüdischen Erinnerungen hat der Bearbeiter bloß das behalten, daß die belagerte Stadt Jerusalem und das feindliche Volk das griechische ist; er benutzt außerdem die in mehren Bearbeitungen bekannte „Rolle des Antiochus", eine kurze ziemlich fabelhaste Erzählung der makkabäischen Kriege, bestimmt zur Vorlesung am Fest der Tempelweihe. Im Uebrigen folgt er dem lateinischen Text, aber mit großer Freiheit. Was ihn stört oder über¬ flüssig ist, läßt er weg. Von Nebukadnezar ist keine Rede; Olophernes ist bei ") In einer dieser Versionen (in dem Schoten zu der alten Fastenchronik 17, Etui) wi dieser Johannes zum Vater des Mattathias d. i. seines Großvaters gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/486>, abgerufen am 29.06.2024.