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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ordentlich fördernd auf den Gang der Verhandlungen einwirkte, und des Capitän
Werner zu gedenken ist, dessen nüchterner und praktischer Enthusiasmus für die
Sache in Vieler Augen nicht unnatürlich durch die populäre Uniform unterstützt
wurde, in welcher er sich dieser Gesellschaft von Seeleuten und Freunden des
Seemannsstandes zeigte. Er vertrat mit zwei andern Herren den danziger Verein,
der, eben gebildet, doch auch schon seine Abneigung verrieth, in dem Central-
verein völlig auszugehen. Man hatte in Danzig einige Mittel zusammengebracht
mit der Bestimmung, an den besonders drohenden Punkten der benachbarten
Küste verwendet zu werden; und obwohl natürlich danziger Kapitäne und
Matrosen ebensogut an der schleswigschen oder pommerschen Küste stranden
können wie bei Leba oder Hela, scheute man doch vor dem Satze des bremer
Verfassungsentwurfs zurück, welcher alle im Einzelnen gesammelten Gelder für
die gemeinschaftliche Kasse in Anspruch nahm und deren Verwendung dem
Centralvorstcmde vorbehielt.

AIs die Vorbesprechung der sich näher interessirenden Theilnehmer am
Morgen des 29. Mai an diesen kritischen Punkt gekommen war, drohte der
Bruch einzutreten. Ein Compromißvorschlag wollte nicht auftauchen. Ein
binnenländisches Mitglied der Versammlung, Redacteur Lammers aus Elberfeld,
schlug daher vor, je ein Vertreter der schon vorhandenen fünf Einzelvereine
außer den älteren und Danzig noch Rostock -- die Meistbetheiligten also sozu¬
sagen, möchten in Commission zusammentreten, um eine Ausgleichung zu suchen
und der öffentlichen Versammlung demnächst vorzulegen. Aber dermaßen hatte
man sich doch bereits erhitzt, daß der Sprecher Ostfrieslands im voraus erklärte,
auch dieser Versuch werde unfruchtbar bleibe". Der Versuch wurde gleichwohl
angestellt, und als Frucht ging aus ihm eine vollkommene, ja man darf sagen
innerliche und herzliche Einigung der streitenden Theile hervor, auf welche die
Hauptversammlung nachher nur noch das Siegel ihrer Zustimmung zu drücken
hatte.

Um den getroffenen Kompromiß richtig zu würdigen, muß man Folgendes
bedenken. Einem Mehrheitsbeschluß für die Centralisation im Sinne der bremer
Vorlage würden sich die dissentirenden Vereine nicht gefügt haben -- der ost¬
friesische Verein nicht, um nicht seine ganze finanzielle und moralische Basis zu
gefährden, der Hamburger Verein nicht aus Mißtrauen und Eifersucht gegen
Bremen, der danziger Verein nicht wegen der Clausel in seiner Aufforderung
zu Beiträgen, daß das dort gesammelte Geld auch dort in der Nähe verwendet
werden solle. Hätte die Versammlung sich nun aber durch diese Einwände be¬
stimmen lassen wollen, auf den Gedanken eines förmlichen Centralvereins über¬
haupt zu verzichten, sich mit der ostfriesischen Idee eines bloßen Vcreinstages
zu begnügen, so hätte sie damit ohne Noth die wesentlichsten Vortheile fahren
lassen. Es wäre schwer, wo nicht unmöglich geworden, die Theilnahme des


ordentlich fördernd auf den Gang der Verhandlungen einwirkte, und des Capitän
Werner zu gedenken ist, dessen nüchterner und praktischer Enthusiasmus für die
Sache in Vieler Augen nicht unnatürlich durch die populäre Uniform unterstützt
wurde, in welcher er sich dieser Gesellschaft von Seeleuten und Freunden des
Seemannsstandes zeigte. Er vertrat mit zwei andern Herren den danziger Verein,
der, eben gebildet, doch auch schon seine Abneigung verrieth, in dem Central-
verein völlig auszugehen. Man hatte in Danzig einige Mittel zusammengebracht
mit der Bestimmung, an den besonders drohenden Punkten der benachbarten
Küste verwendet zu werden; und obwohl natürlich danziger Kapitäne und
Matrosen ebensogut an der schleswigschen oder pommerschen Küste stranden
können wie bei Leba oder Hela, scheute man doch vor dem Satze des bremer
Verfassungsentwurfs zurück, welcher alle im Einzelnen gesammelten Gelder für
die gemeinschaftliche Kasse in Anspruch nahm und deren Verwendung dem
Centralvorstcmde vorbehielt.

AIs die Vorbesprechung der sich näher interessirenden Theilnehmer am
Morgen des 29. Mai an diesen kritischen Punkt gekommen war, drohte der
Bruch einzutreten. Ein Compromißvorschlag wollte nicht auftauchen. Ein
binnenländisches Mitglied der Versammlung, Redacteur Lammers aus Elberfeld,
schlug daher vor, je ein Vertreter der schon vorhandenen fünf Einzelvereine
außer den älteren und Danzig noch Rostock — die Meistbetheiligten also sozu¬
sagen, möchten in Commission zusammentreten, um eine Ausgleichung zu suchen
und der öffentlichen Versammlung demnächst vorzulegen. Aber dermaßen hatte
man sich doch bereits erhitzt, daß der Sprecher Ostfrieslands im voraus erklärte,
auch dieser Versuch werde unfruchtbar bleibe». Der Versuch wurde gleichwohl
angestellt, und als Frucht ging aus ihm eine vollkommene, ja man darf sagen
innerliche und herzliche Einigung der streitenden Theile hervor, auf welche die
Hauptversammlung nachher nur noch das Siegel ihrer Zustimmung zu drücken
hatte.

Um den getroffenen Kompromiß richtig zu würdigen, muß man Folgendes
bedenken. Einem Mehrheitsbeschluß für die Centralisation im Sinne der bremer
Vorlage würden sich die dissentirenden Vereine nicht gefügt haben — der ost¬
friesische Verein nicht, um nicht seine ganze finanzielle und moralische Basis zu
gefährden, der Hamburger Verein nicht aus Mißtrauen und Eifersucht gegen
Bremen, der danziger Verein nicht wegen der Clausel in seiner Aufforderung
zu Beiträgen, daß das dort gesammelte Geld auch dort in der Nähe verwendet
werden solle. Hätte die Versammlung sich nun aber durch diese Einwände be¬
stimmen lassen wollen, auf den Gedanken eines förmlichen Centralvereins über¬
haupt zu verzichten, sich mit der ostfriesischen Idee eines bloßen Vcreinstages
zu begnügen, so hätte sie damit ohne Noth die wesentlichsten Vortheile fahren
lassen. Es wäre schwer, wo nicht unmöglich geworden, die Theilnahme des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/476>, abgerufen am 29.06.2024.