Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dagegen mit der Möglichkeit von der aus der Universitätscasse ausgezahlten
Besoldung bequem leben und seine Zeit ohne Zersplitterung nur seinen
Forschungen, seinen Entdeckungen widmen zu können. Wir verlieren dabei
allerdings die Gelegenheit den Ruhm des großen Mannes, des Archimedes
seiner Zeit, wie man ihn nannte, entstehen zu sehen, näher zu erörtern, wie
er die Pendelgesetze, die Gesetze des freien Falles , die Lehren der Hydrostatik
entwickelte; wie er das Fernrohr nach dürftiger Mittheilung über die Existenz
eines solchen Instrumentes nacherfand; wie er die Monde des Planeten Jupiter,
wie er die Sonnenflecken entdeckte. Wir treffen mit ihm zusammen, gerade
wo er die wechselnde Sichelgestalt des Planeten Venus zuerst bemerkt und in
derselben eine mächtige Stütze der kopernikanischen Ansicht über das Weltsystem
erkennt. Galilei ist also schon im Besitze der kaum bestrittenen Führerschaft in
den Naturwissenschaften, bewundert und geliebt von seinen Schülern und An¬
hängern, gefürchtet und gehaßt von seinen Gegnern und Neidern.

Man muß billig sein, er besaß diese Gegner nicht umsonst. Er selbst hatte
den Kampf von frühester Zeit an gegen die herrschende Schule der Aristoteliker
begonnen, er hatte ihn geführt mit dem scharfen Witze, der ihm zu Gebote
stand, der jedem auch anonym erschienenen Produkte seiner Feder zur un¬
trüglichen Unterschrift diente, der überall, wo er treffen sollte, auch traf und
schmerzhafte Wunden schlug. Jetzt wo er die wichtigsten Entdeckungen gemacht
hatte, die zur Bestätigung der seit 1543 bekannten, aber noch immer nicht über
alle Zweifel erhobenen Lehre von der Sonne als Mittelpunkt und der um die¬
selbe kreisenden Erde dienen konnten, jetzt lag, um mit den Worten des
H- Vosen (S. 7) zu reden, dem übereifriger Astronomen für seine
eigene Ehre und für den Fortschritt der Wissenschaft viel daran,
ein förmliches Gutheißen des Papstes für die neue Anschauung
Zu erwirken. Freilich würden wir statt "des Papstes" lieber gesagt haben
"der in Rom vereinigten hochstehenden Männer der Wissenschaft". Dort gab
es noch Gelehrte, die dem Galilei wenn auch nicht ebenbürtig waren, doch
ihm nahe standen; es gab deren in verschiedenen geistlichen Orden, auch unter
dem der Jesuiten, wir nennen nur Pater Scheiner und Pater Clavius.

So kam Galilei im Frühjahre 1611 nach Rom, und welchen Eindruck er
dort unter den nennenswerthen Persönlichkeiten machte, davon schreibt der
Cardinal del Monte am 31. Mai 1611: "Galilei hat in den Tagen seines
Aufenthaltes in Rom vielfach befriedigt, und ich glaube, auch er ist zufrieden
gestellt, denn er hatte Gelegenheit seine Entdeckungen so gut zu zeigen, daß
alle Männer von Bedeutung und Erfahrung in dieser Stadt dieselben als
völlig wahr und reell anerkannten, aber auch als wunderbar." (M. 80) Freilich
begannen auch schon die Feinde alsbald ihr Spiel. Während die ^eaäömig.
6ol lineei öffentlich für Galilei sich erklärte, schrieb Cardinal Rob. Belwmino


Grenzboten II. 186ö. 54

dagegen mit der Möglichkeit von der aus der Universitätscasse ausgezahlten
Besoldung bequem leben und seine Zeit ohne Zersplitterung nur seinen
Forschungen, seinen Entdeckungen widmen zu können. Wir verlieren dabei
allerdings die Gelegenheit den Ruhm des großen Mannes, des Archimedes
seiner Zeit, wie man ihn nannte, entstehen zu sehen, näher zu erörtern, wie
er die Pendelgesetze, die Gesetze des freien Falles , die Lehren der Hydrostatik
entwickelte; wie er das Fernrohr nach dürftiger Mittheilung über die Existenz
eines solchen Instrumentes nacherfand; wie er die Monde des Planeten Jupiter,
wie er die Sonnenflecken entdeckte. Wir treffen mit ihm zusammen, gerade
wo er die wechselnde Sichelgestalt des Planeten Venus zuerst bemerkt und in
derselben eine mächtige Stütze der kopernikanischen Ansicht über das Weltsystem
erkennt. Galilei ist also schon im Besitze der kaum bestrittenen Führerschaft in
den Naturwissenschaften, bewundert und geliebt von seinen Schülern und An¬
hängern, gefürchtet und gehaßt von seinen Gegnern und Neidern.

Man muß billig sein, er besaß diese Gegner nicht umsonst. Er selbst hatte
den Kampf von frühester Zeit an gegen die herrschende Schule der Aristoteliker
begonnen, er hatte ihn geführt mit dem scharfen Witze, der ihm zu Gebote
stand, der jedem auch anonym erschienenen Produkte seiner Feder zur un¬
trüglichen Unterschrift diente, der überall, wo er treffen sollte, auch traf und
schmerzhafte Wunden schlug. Jetzt wo er die wichtigsten Entdeckungen gemacht
hatte, die zur Bestätigung der seit 1543 bekannten, aber noch immer nicht über
alle Zweifel erhobenen Lehre von der Sonne als Mittelpunkt und der um die¬
selbe kreisenden Erde dienen konnten, jetzt lag, um mit den Worten des
H- Vosen (S. 7) zu reden, dem übereifriger Astronomen für seine
eigene Ehre und für den Fortschritt der Wissenschaft viel daran,
ein förmliches Gutheißen des Papstes für die neue Anschauung
Zu erwirken. Freilich würden wir statt „des Papstes" lieber gesagt haben
»der in Rom vereinigten hochstehenden Männer der Wissenschaft". Dort gab
es noch Gelehrte, die dem Galilei wenn auch nicht ebenbürtig waren, doch
ihm nahe standen; es gab deren in verschiedenen geistlichen Orden, auch unter
dem der Jesuiten, wir nennen nur Pater Scheiner und Pater Clavius.

So kam Galilei im Frühjahre 1611 nach Rom, und welchen Eindruck er
dort unter den nennenswerthen Persönlichkeiten machte, davon schreibt der
Cardinal del Monte am 31. Mai 1611: „Galilei hat in den Tagen seines
Aufenthaltes in Rom vielfach befriedigt, und ich glaube, auch er ist zufrieden
gestellt, denn er hatte Gelegenheit seine Entdeckungen so gut zu zeigen, daß
alle Männer von Bedeutung und Erfahrung in dieser Stadt dieselben als
völlig wahr und reell anerkannten, aber auch als wunderbar." (M. 80) Freilich
begannen auch schon die Feinde alsbald ihr Spiel. Während die ^eaäömig.
6ol lineei öffentlich für Galilei sich erklärte, schrieb Cardinal Rob. Belwmino


Grenzboten II. 186ö. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283248"/>
          <p xml:id="ID_1445" prev="#ID_1444"> dagegen mit der Möglichkeit von der aus der Universitätscasse ausgezahlten<lb/>
Besoldung bequem leben und seine Zeit ohne Zersplitterung nur seinen<lb/>
Forschungen, seinen Entdeckungen widmen zu können. Wir verlieren dabei<lb/>
allerdings die Gelegenheit den Ruhm des großen Mannes, des Archimedes<lb/>
seiner Zeit, wie man ihn nannte, entstehen zu sehen, näher zu erörtern, wie<lb/>
er die Pendelgesetze, die Gesetze des freien Falles , die Lehren der Hydrostatik<lb/>
entwickelte; wie er das Fernrohr nach dürftiger Mittheilung über die Existenz<lb/>
eines solchen Instrumentes nacherfand; wie er die Monde des Planeten Jupiter,<lb/>
wie er die Sonnenflecken entdeckte. Wir treffen mit ihm zusammen, gerade<lb/>
wo er die wechselnde Sichelgestalt des Planeten Venus zuerst bemerkt und in<lb/>
derselben eine mächtige Stütze der kopernikanischen Ansicht über das Weltsystem<lb/>
erkennt. Galilei ist also schon im Besitze der kaum bestrittenen Führerschaft in<lb/>
den Naturwissenschaften, bewundert und geliebt von seinen Schülern und An¬<lb/>
hängern, gefürchtet und gehaßt von seinen Gegnern und Neidern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1446"> Man muß billig sein, er besaß diese Gegner nicht umsonst. Er selbst hatte<lb/>
den Kampf von frühester Zeit an gegen die herrschende Schule der Aristoteliker<lb/>
begonnen, er hatte ihn geführt mit dem scharfen Witze, der ihm zu Gebote<lb/>
stand, der jedem auch anonym erschienenen Produkte seiner Feder zur un¬<lb/>
trüglichen Unterschrift diente, der überall, wo er treffen sollte, auch traf und<lb/>
schmerzhafte Wunden schlug. Jetzt wo er die wichtigsten Entdeckungen gemacht<lb/>
hatte, die zur Bestätigung der seit 1543 bekannten, aber noch immer nicht über<lb/>
alle Zweifel erhobenen Lehre von der Sonne als Mittelpunkt und der um die¬<lb/>
selbe kreisenden Erde dienen konnten, jetzt lag, um mit den Worten des<lb/>
H- Vosen (S. 7) zu reden, dem übereifriger Astronomen für seine<lb/>
eigene Ehre und für den Fortschritt der Wissenschaft viel daran,<lb/>
ein förmliches Gutheißen des Papstes für die neue Anschauung<lb/>
Zu erwirken. Freilich würden wir statt &#x201E;des Papstes" lieber gesagt haben<lb/>
»der in Rom vereinigten hochstehenden Männer der Wissenschaft". Dort gab<lb/>
es noch Gelehrte, die dem Galilei wenn auch nicht ebenbürtig waren, doch<lb/>
ihm nahe standen; es gab deren in verschiedenen geistlichen Orden, auch unter<lb/>
dem der Jesuiten, wir nennen nur Pater Scheiner und Pater Clavius.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1447" next="#ID_1448"> So kam Galilei im Frühjahre 1611 nach Rom, und welchen Eindruck er<lb/>
dort unter den nennenswerthen Persönlichkeiten machte, davon schreibt der<lb/>
Cardinal del Monte am 31. Mai 1611: &#x201E;Galilei hat in den Tagen seines<lb/>
Aufenthaltes in Rom vielfach befriedigt, und ich glaube, auch er ist zufrieden<lb/>
gestellt, denn er hatte Gelegenheit seine Entdeckungen so gut zu zeigen, daß<lb/>
alle Männer von Bedeutung und Erfahrung in dieser Stadt dieselben als<lb/>
völlig wahr und reell anerkannten, aber auch als wunderbar." (M. 80) Freilich<lb/>
begannen auch schon die Feinde alsbald ihr Spiel. Während die ^eaäömig.<lb/>
6ol lineei öffentlich für Galilei sich erklärte, schrieb Cardinal Rob. Belwmino</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 186ö. 54</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0451] dagegen mit der Möglichkeit von der aus der Universitätscasse ausgezahlten Besoldung bequem leben und seine Zeit ohne Zersplitterung nur seinen Forschungen, seinen Entdeckungen widmen zu können. Wir verlieren dabei allerdings die Gelegenheit den Ruhm des großen Mannes, des Archimedes seiner Zeit, wie man ihn nannte, entstehen zu sehen, näher zu erörtern, wie er die Pendelgesetze, die Gesetze des freien Falles , die Lehren der Hydrostatik entwickelte; wie er das Fernrohr nach dürftiger Mittheilung über die Existenz eines solchen Instrumentes nacherfand; wie er die Monde des Planeten Jupiter, wie er die Sonnenflecken entdeckte. Wir treffen mit ihm zusammen, gerade wo er die wechselnde Sichelgestalt des Planeten Venus zuerst bemerkt und in derselben eine mächtige Stütze der kopernikanischen Ansicht über das Weltsystem erkennt. Galilei ist also schon im Besitze der kaum bestrittenen Führerschaft in den Naturwissenschaften, bewundert und geliebt von seinen Schülern und An¬ hängern, gefürchtet und gehaßt von seinen Gegnern und Neidern. Man muß billig sein, er besaß diese Gegner nicht umsonst. Er selbst hatte den Kampf von frühester Zeit an gegen die herrschende Schule der Aristoteliker begonnen, er hatte ihn geführt mit dem scharfen Witze, der ihm zu Gebote stand, der jedem auch anonym erschienenen Produkte seiner Feder zur un¬ trüglichen Unterschrift diente, der überall, wo er treffen sollte, auch traf und schmerzhafte Wunden schlug. Jetzt wo er die wichtigsten Entdeckungen gemacht hatte, die zur Bestätigung der seit 1543 bekannten, aber noch immer nicht über alle Zweifel erhobenen Lehre von der Sonne als Mittelpunkt und der um die¬ selbe kreisenden Erde dienen konnten, jetzt lag, um mit den Worten des H- Vosen (S. 7) zu reden, dem übereifriger Astronomen für seine eigene Ehre und für den Fortschritt der Wissenschaft viel daran, ein förmliches Gutheißen des Papstes für die neue Anschauung Zu erwirken. Freilich würden wir statt „des Papstes" lieber gesagt haben »der in Rom vereinigten hochstehenden Männer der Wissenschaft". Dort gab es noch Gelehrte, die dem Galilei wenn auch nicht ebenbürtig waren, doch ihm nahe standen; es gab deren in verschiedenen geistlichen Orden, auch unter dem der Jesuiten, wir nennen nur Pater Scheiner und Pater Clavius. So kam Galilei im Frühjahre 1611 nach Rom, und welchen Eindruck er dort unter den nennenswerthen Persönlichkeiten machte, davon schreibt der Cardinal del Monte am 31. Mai 1611: „Galilei hat in den Tagen seines Aufenthaltes in Rom vielfach befriedigt, und ich glaube, auch er ist zufrieden gestellt, denn er hatte Gelegenheit seine Entdeckungen so gut zu zeigen, daß alle Männer von Bedeutung und Erfahrung in dieser Stadt dieselben als völlig wahr und reell anerkannten, aber auch als wunderbar." (M. 80) Freilich begannen auch schon die Feinde alsbald ihr Spiel. Während die ^eaäömig. 6ol lineei öffentlich für Galilei sich erklärte, schrieb Cardinal Rob. Belwmino Grenzboten II. 186ö. 54

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/451
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/451>, abgerufen am 29.06.2024.