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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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jüdischen Gemeinde mit ihrem Rabbiner in Amtstracht. Zuletzt wieder ein
Detachement Nationalgarde.

Der Zug passiirt vom Rathhause bis zum Schlage durch eine Hciye von
weißer Infanterie mit grünen Aufschlägen, die weiter hinaus von der leipziger
Studentenschaft fortgesetzt wird. Am schlage hat der Hofbaumeister Thormeyer
eine Ehrenpforte errichtet, die auf beiden Seiten die Inschrift: "Lalvcz, Meer
Mi-We!" zeigt.

Es ist etwa halb vier Uhr, als der König eintrifft. Die Kanonen donnern
von den Wällen, die Glocken läuten, von der Galerie der Ehrenpforte fällt
ein Blumenregen in den Paradewagen, Ä welchem die alte Majestät mit der
Prinzessin Auguste sitzt. Die ehrfurchtsvolle Bescheidenheit der Menge bricht
in ein Vivat aus, und der Wagen hält, worauf erst der Bürgermeister Dr. Scholz
dann der Oberhofprediger v. Ammon den König begrüßen und für ihre Reden
gnädigen Dank empfangen -- gnädigen und gerührten Dank, obwohl letzteren
die Hvfetiquctte eigentlich nicht gestattet. Dann Weiterfahrt unter fernerem
Glvckcngeläut und Bivatgeschrci, bis der Gefeierte endlich im Schlosse verschwindet.

Auf dem Schloßplatze wird dann von den Theilnehmern des Zuges ein
großes Biereck gebildet, in dessen Mitte Musik- und Sängerchörc aufgestellt
sind. Man singt und spielt, während der König sich mit Gemahlin auf dem
Balkon zeigt, das Lied "Ihr Bürger eines Staates, Brüder" aus dem dresdner
Gesangbuch -- beiläufig wohl das platteste und wässerigste der ganzen
Sammlung -- dann einen Segenswunsch aus dem einundsechzigsten Psalm,
worauf sich der Zug nach dem Altmarkt begiebt, um dort "Nun danket alle Gott"
Zu singen, womit dieser Theil der Festlichkeit beschlossen ist.

Abends bringen die Bürger, während die Stadt von den Lichtern einer
Illumination strahlt, dem'König eine Serenade. Dann kommen die Studenten
Mit Fackeln aus der Neustadt über die Brücke, stellen sich vor dem Schlosse
auf, singen, von den Pauken und Trompeten eines Kürassierregimentes begleitet,
das sächsische "Nationallied": "den König segne Gott", das in dieser Zeit auf-
gekommen ist. rufen Vivat und fallen dann mit dem ihnen geläufigeren "Kau-
6eg.rr>U8 i'gitur" ein, bei dessen letztem Ver.s sie die Fackeln auf einen Haufen
werfen. Eine Deputation der jungen Herren erbittet und erhält Audienz, um
die Gefühle, welche die studirende Welt Sachsens beseelen, der Majestät aus-
Zusprechen. Dann fährt die Herrschaft aus, um sich die Illumination anzusehen,
wobei ihr mancher hübsche Einfall entgegenleuchtet. Ein Bürger z. B. hat den
Vers in einem Transparent aufgestellt:

Und eine Bäckersfrau draußen "auf dem Sande" vor dem Schwarzen Thor er¬
freut Liebhaber kecker Naivetät mit dem illuminirten Spruch:


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jüdischen Gemeinde mit ihrem Rabbiner in Amtstracht. Zuletzt wieder ein
Detachement Nationalgarde.

Der Zug passiirt vom Rathhause bis zum Schlage durch eine Hciye von
weißer Infanterie mit grünen Aufschlägen, die weiter hinaus von der leipziger
Studentenschaft fortgesetzt wird. Am schlage hat der Hofbaumeister Thormeyer
eine Ehrenpforte errichtet, die auf beiden Seiten die Inschrift: „Lalvcz, Meer
Mi-We!" zeigt.

Es ist etwa halb vier Uhr, als der König eintrifft. Die Kanonen donnern
von den Wällen, die Glocken läuten, von der Galerie der Ehrenpforte fällt
ein Blumenregen in den Paradewagen, Ä welchem die alte Majestät mit der
Prinzessin Auguste sitzt. Die ehrfurchtsvolle Bescheidenheit der Menge bricht
in ein Vivat aus, und der Wagen hält, worauf erst der Bürgermeister Dr. Scholz
dann der Oberhofprediger v. Ammon den König begrüßen und für ihre Reden
gnädigen Dank empfangen — gnädigen und gerührten Dank, obwohl letzteren
die Hvfetiquctte eigentlich nicht gestattet. Dann Weiterfahrt unter fernerem
Glvckcngeläut und Bivatgeschrci, bis der Gefeierte endlich im Schlosse verschwindet.

Auf dem Schloßplatze wird dann von den Theilnehmern des Zuges ein
großes Biereck gebildet, in dessen Mitte Musik- und Sängerchörc aufgestellt
sind. Man singt und spielt, während der König sich mit Gemahlin auf dem
Balkon zeigt, das Lied „Ihr Bürger eines Staates, Brüder" aus dem dresdner
Gesangbuch — beiläufig wohl das platteste und wässerigste der ganzen
Sammlung — dann einen Segenswunsch aus dem einundsechzigsten Psalm,
worauf sich der Zug nach dem Altmarkt begiebt, um dort „Nun danket alle Gott"
Zu singen, womit dieser Theil der Festlichkeit beschlossen ist.

Abends bringen die Bürger, während die Stadt von den Lichtern einer
Illumination strahlt, dem'König eine Serenade. Dann kommen die Studenten
Mit Fackeln aus der Neustadt über die Brücke, stellen sich vor dem Schlosse
auf, singen, von den Pauken und Trompeten eines Kürassierregimentes begleitet,
das sächsische „Nationallied": „den König segne Gott", das in dieser Zeit auf-
gekommen ist. rufen Vivat und fallen dann mit dem ihnen geläufigeren „Kau-
6eg.rr>U8 i'gitur" ein, bei dessen letztem Ver.s sie die Fackeln auf einen Haufen
werfen. Eine Deputation der jungen Herren erbittet und erhält Audienz, um
die Gefühle, welche die studirende Welt Sachsens beseelen, der Majestät aus-
Zusprechen. Dann fährt die Herrschaft aus, um sich die Illumination anzusehen,
wobei ihr mancher hübsche Einfall entgegenleuchtet. Ein Bürger z. B. hat den
Vers in einem Transparent aufgestellt:

Und eine Bäckersfrau draußen „auf dem Sande" vor dem Schwarzen Thor er¬
freut Liebhaber kecker Naivetät mit dem illuminirten Spruch:


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[0429] jüdischen Gemeinde mit ihrem Rabbiner in Amtstracht. Zuletzt wieder ein Detachement Nationalgarde. Der Zug passiirt vom Rathhause bis zum Schlage durch eine Hciye von weißer Infanterie mit grünen Aufschlägen, die weiter hinaus von der leipziger Studentenschaft fortgesetzt wird. Am schlage hat der Hofbaumeister Thormeyer eine Ehrenpforte errichtet, die auf beiden Seiten die Inschrift: „Lalvcz, Meer Mi-We!" zeigt. Es ist etwa halb vier Uhr, als der König eintrifft. Die Kanonen donnern von den Wällen, die Glocken läuten, von der Galerie der Ehrenpforte fällt ein Blumenregen in den Paradewagen, Ä welchem die alte Majestät mit der Prinzessin Auguste sitzt. Die ehrfurchtsvolle Bescheidenheit der Menge bricht in ein Vivat aus, und der Wagen hält, worauf erst der Bürgermeister Dr. Scholz dann der Oberhofprediger v. Ammon den König begrüßen und für ihre Reden gnädigen Dank empfangen — gnädigen und gerührten Dank, obwohl letzteren die Hvfetiquctte eigentlich nicht gestattet. Dann Weiterfahrt unter fernerem Glvckcngeläut und Bivatgeschrci, bis der Gefeierte endlich im Schlosse verschwindet. Auf dem Schloßplatze wird dann von den Theilnehmern des Zuges ein großes Biereck gebildet, in dessen Mitte Musik- und Sängerchörc aufgestellt sind. Man singt und spielt, während der König sich mit Gemahlin auf dem Balkon zeigt, das Lied „Ihr Bürger eines Staates, Brüder" aus dem dresdner Gesangbuch — beiläufig wohl das platteste und wässerigste der ganzen Sammlung — dann einen Segenswunsch aus dem einundsechzigsten Psalm, worauf sich der Zug nach dem Altmarkt begiebt, um dort „Nun danket alle Gott" Zu singen, womit dieser Theil der Festlichkeit beschlossen ist. Abends bringen die Bürger, während die Stadt von den Lichtern einer Illumination strahlt, dem'König eine Serenade. Dann kommen die Studenten Mit Fackeln aus der Neustadt über die Brücke, stellen sich vor dem Schlosse auf, singen, von den Pauken und Trompeten eines Kürassierregimentes begleitet, das sächsische „Nationallied": „den König segne Gott", das in dieser Zeit auf- gekommen ist. rufen Vivat und fallen dann mit dem ihnen geläufigeren „Kau- 6eg.rr>U8 i'gitur" ein, bei dessen letztem Ver.s sie die Fackeln auf einen Haufen werfen. Eine Deputation der jungen Herren erbittet und erhält Audienz, um die Gefühle, welche die studirende Welt Sachsens beseelen, der Majestät aus- Zusprechen. Dann fährt die Herrschaft aus, um sich die Illumination anzusehen, wobei ihr mancher hübsche Einfall entgegenleuchtet. Ein Bürger z. B. hat den Vers in einem Transparent aufgestellt: Und eine Bäckersfrau draußen „auf dem Sande" vor dem Schwarzen Thor er¬ freut Liebhaber kecker Naivetät mit dem illuminirten Spruch: S1*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/429>, abgerufen am 26.06.2024.