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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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betreffenden Staaten 76 Procent mehr gezahlt wurden, als nach dem Verhältniß
der Bevölkerung derselben zu der des übrigen Zollvereinsgebiets zu zahlen ge¬
wesen wäre, während sie zu den gemeinschaftlichen Verwaltungskosten nur im
einfachen Verhältniß ihrer Einwohnerzahl beitrugen. Diesem Präcipuum war
jedoch eine Maximalgrenze von 20 Silbergroschen pro Kopf gesteckt, welcher
Betrag in den letzten Jahren die Regel bildete. In dem neuem Vertrag wurde
dies dahin abgeändert, daß die Nübenzuckersteuer und die Uebergangsabgabcn
ganz aus dem Präcipuum heraustreten und auf die Eingangszölle nach dem
Verhältniß der Bevölkerung ertheilt werden, so jedoch, daß, wenn die Netto¬
einnahme nicht den Betrag von Silbergroschen pro Kopf der Bevölkerung
erreicht, der Antheil der Staaten des ehemaligen Steuervereins aus den An¬
theilen der übrigen Zollvereinsstaaten auf diesen Betrag zu erhöhen ist. Diese
Garantie eines Minimums an Stelle eines in Procenten berechneten Präcipuums
setzt, nach den jetzigen Einnahmcverhältnissen veranschlagt, das bisherige
Präcipuum jener Staaten ungefähr auf die Hälfte herab, gewährt aber dabei
für die übrigen den Vortheil, daß das Präcipuum in demselben Verhältniß
immer kleiner wird, in welchem die Einnahmen aus den Eingangszöllen im
natürlichen Lauf der Dinge steigen, ja es ist die Möglichkeit vorhanden, daß
eine rasche Steigerung des Verkehrs das Präcipuum schon in der mit nächstem
Jahre beginnenden Vertragsperiode gänzlich wegfallen läßt.
'

Nur Eins war bei dieser Erneuerung derZollvereinsverträge zu beklagen:
die traurige Bestimmung, nach welcher für jede Tarifänderung und jeden neuen
Handelsvertrag Einstimmigkeit aller ZMereinsstaaten erforderlich sein sollte,
blieb aufrechterhalten, und damit ist der Fortbildung der durch den Vertrag mit
Frankreich eingeleiteten Tarifreform allerdings ein bedenkliches Hinderniß in den
Weg gelegt. Allein dies war bei der Lage der Dinge nicht zu vermeiden, und
überdies können wir uns damit trösten, daß durch die von Preußen durchgesetzte
Reform die Verhältnisse in Fluß gerathen und der zu weiterem Fortschritt
drängenden Gewalt der Thatsachen neue Anhaltspunkte gegeben sind. Nach
wiederum zwölf Jahren bekommen wir sicher einen noch freisinnigern Tarif, ja
es giebt sehr nüchterne und sachverständige Leute, die solche fernere Reform
noch früher eintreten sehen.

Wir kommen zum Schluß unseres Ueberblicks. Ein Kampf, der dritthalb
Jahre die öffentliche Meinung beschäftigt, Diplomaten und Presse in Athem
gehalten und den Unternehmungsgeist der Nation vielfach gelähmt und gehemmt
hatte, war, nachdem seine letzten Phasen sich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit
abgewickelt, glücklich für Preußen wie für ganz Deutschland zu Ende geführt.

Die Ueberzeugung, von welcher die beiden Häuser des preußischen Land¬
tags bei Annahme des Handelsvertrags mit Frankreich und Bekräftigung einer
energischen Politik zur Durchführung desselben ausgegangen waren, und die


betreffenden Staaten 76 Procent mehr gezahlt wurden, als nach dem Verhältniß
der Bevölkerung derselben zu der des übrigen Zollvereinsgebiets zu zahlen ge¬
wesen wäre, während sie zu den gemeinschaftlichen Verwaltungskosten nur im
einfachen Verhältniß ihrer Einwohnerzahl beitrugen. Diesem Präcipuum war
jedoch eine Maximalgrenze von 20 Silbergroschen pro Kopf gesteckt, welcher
Betrag in den letzten Jahren die Regel bildete. In dem neuem Vertrag wurde
dies dahin abgeändert, daß die Nübenzuckersteuer und die Uebergangsabgabcn
ganz aus dem Präcipuum heraustreten und auf die Eingangszölle nach dem
Verhältniß der Bevölkerung ertheilt werden, so jedoch, daß, wenn die Netto¬
einnahme nicht den Betrag von Silbergroschen pro Kopf der Bevölkerung
erreicht, der Antheil der Staaten des ehemaligen Steuervereins aus den An¬
theilen der übrigen Zollvereinsstaaten auf diesen Betrag zu erhöhen ist. Diese
Garantie eines Minimums an Stelle eines in Procenten berechneten Präcipuums
setzt, nach den jetzigen Einnahmcverhältnissen veranschlagt, das bisherige
Präcipuum jener Staaten ungefähr auf die Hälfte herab, gewährt aber dabei
für die übrigen den Vortheil, daß das Präcipuum in demselben Verhältniß
immer kleiner wird, in welchem die Einnahmen aus den Eingangszöllen im
natürlichen Lauf der Dinge steigen, ja es ist die Möglichkeit vorhanden, daß
eine rasche Steigerung des Verkehrs das Präcipuum schon in der mit nächstem
Jahre beginnenden Vertragsperiode gänzlich wegfallen läßt.
'

Nur Eins war bei dieser Erneuerung derZollvereinsverträge zu beklagen:
die traurige Bestimmung, nach welcher für jede Tarifänderung und jeden neuen
Handelsvertrag Einstimmigkeit aller ZMereinsstaaten erforderlich sein sollte,
blieb aufrechterhalten, und damit ist der Fortbildung der durch den Vertrag mit
Frankreich eingeleiteten Tarifreform allerdings ein bedenkliches Hinderniß in den
Weg gelegt. Allein dies war bei der Lage der Dinge nicht zu vermeiden, und
überdies können wir uns damit trösten, daß durch die von Preußen durchgesetzte
Reform die Verhältnisse in Fluß gerathen und der zu weiterem Fortschritt
drängenden Gewalt der Thatsachen neue Anhaltspunkte gegeben sind. Nach
wiederum zwölf Jahren bekommen wir sicher einen noch freisinnigern Tarif, ja
es giebt sehr nüchterne und sachverständige Leute, die solche fernere Reform
noch früher eintreten sehen.

Wir kommen zum Schluß unseres Ueberblicks. Ein Kampf, der dritthalb
Jahre die öffentliche Meinung beschäftigt, Diplomaten und Presse in Athem
gehalten und den Unternehmungsgeist der Nation vielfach gelähmt und gehemmt
hatte, war, nachdem seine letzten Phasen sich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit
abgewickelt, glücklich für Preußen wie für ganz Deutschland zu Ende geführt.

Die Ueberzeugung, von welcher die beiden Häuser des preußischen Land¬
tags bei Annahme des Handelsvertrags mit Frankreich und Bekräftigung einer
energischen Politik zur Durchführung desselben ausgegangen waren, und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/396>, abgerufen am 26.06.2024.