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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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"Wenn die Vereinsregierungcn bestrebt sein wollen/' sagte er. "sich streng an
die Bestimmungen der Vereinsverträge zu halten und sowohl in der Geltend-
machung eigner als in der Beurtheilung fremder Ansprüche sich nur auf die
Grenzen des Rechts zu beschränken, so wird die Beurtheilung fremder wie
der eignen Interessen und sonstigen Rücksichten bald eine versöhnlichere werden.
Es wird demnach für keinen Theil mehr ein Motiv bestehen, gemeinsame Er¬
örterungen zurückzuweisen, vielmehr jedem Theil gleichmäßig daran liegen, durch
gemeinschaftliche Gerhandlungen den gesammten Stand der Frage aufzuklären
und alle Nebenrücksichten aus denselben zu entfernen. Gestützt auf diese
Voraussetzung habe ich in meiner Depesche vom 23. September die Rücksicht¬
nahme auf den Februarvertrag mit Oestreich und eine angemessene Aenderung
des proponirten Vertrags mit Frankreich als diejenige Grundlage bezeichnet,
'U>f welcher eine Verständigung erzielt werden könne."

Dies scheine, so fährt Freiherr v. Schrenck fort, nicht richtig aufgefaßt
Worden zu sein, da man sonst nicht gesagt haben würde, die Verweigerung der
Zustimmung zu den zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossnen Verträgen
werde von Preußen als Ausdruck des Willens der betreffenden Regierungen
aufgefaßt werden, den Zollverein künftig nicht fortzusetzen. Diese Aeußerung
su eine die frei" Entschließung dieser Regierungen beeinträchtigende, den Grund¬
sätzen des Zollvereins widerstrebende Drohung. Die bayerische Regierung habe
such schon früher gegen jene Folgerung aus der ihrerseits erfolgten Ablehnung des
französischen Vertrags verwahren müssen, und man wiederhole jetzt diese Ver¬
wahrung. Die Ablehnung sei nichts als die Geltendmachung eines unzweifel¬
haften, in den Vercinsvcrträgen begründeten Rechts. Wenn Preußen dies
einsehe, so werde es sich durch die Weigerung Bayerns und der mit ihm
Sehenden Regierungen nicht verletzt und noch weniger zu dem Bestreben hin¬
geleitet finden, der Ueberzeugung seiner Mitverbündeten Zwang anthun zu
Wollen.

"In dieser Ueberzeugung," heißt es in der Depesche weiter, "hat die
bayerische Regierung geglaubt, daß es allen Vereinsregierungen nur erwünscht
sein könne, die wichtige Frage über die zweckmäßige Entwickelung und Aus¬
bildung des Handels- und Zollsystems des Vereins, welche der Artikel 34 des
Vertrags vom 4. April 18S3 ausdrücklich der Thätigkeit der regelmäßigen
Generalconferenz überweist, bei der bevorstehenden Conserenz in den Kreis der
Berathung zu ziehen. Aus diesem Grunde hat sie bei der Einladung zu dieser
Konferenz die östreichischen Vorschläge als Bcrathungsgegenstand namentlich in
Vorschlag gebracht, und sie wird diesen Antrag auch fernerhin aufrecht erhalten.
Sie erachtet es hierbei als- vertragsmäßige Pflicht aller Vcrcinsregierungen,
sich einer gemeinsamen Erörterung solcher wichtigen Fragen nicht zu entziehen,
und ist ihrerseits ebenso bereit, aus analoge Fragen, wie allenfalls auf Tarif-


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„Wenn die Vereinsregierungcn bestrebt sein wollen/' sagte er. „sich streng an
die Bestimmungen der Vereinsverträge zu halten und sowohl in der Geltend-
machung eigner als in der Beurtheilung fremder Ansprüche sich nur auf die
Grenzen des Rechts zu beschränken, so wird die Beurtheilung fremder wie
der eignen Interessen und sonstigen Rücksichten bald eine versöhnlichere werden.
Es wird demnach für keinen Theil mehr ein Motiv bestehen, gemeinsame Er¬
örterungen zurückzuweisen, vielmehr jedem Theil gleichmäßig daran liegen, durch
gemeinschaftliche Gerhandlungen den gesammten Stand der Frage aufzuklären
und alle Nebenrücksichten aus denselben zu entfernen. Gestützt auf diese
Voraussetzung habe ich in meiner Depesche vom 23. September die Rücksicht¬
nahme auf den Februarvertrag mit Oestreich und eine angemessene Aenderung
des proponirten Vertrags mit Frankreich als diejenige Grundlage bezeichnet,
'U>f welcher eine Verständigung erzielt werden könne."

Dies scheine, so fährt Freiherr v. Schrenck fort, nicht richtig aufgefaßt
Worden zu sein, da man sonst nicht gesagt haben würde, die Verweigerung der
Zustimmung zu den zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossnen Verträgen
werde von Preußen als Ausdruck des Willens der betreffenden Regierungen
aufgefaßt werden, den Zollverein künftig nicht fortzusetzen. Diese Aeußerung
su eine die frei« Entschließung dieser Regierungen beeinträchtigende, den Grund¬
sätzen des Zollvereins widerstrebende Drohung. Die bayerische Regierung habe
such schon früher gegen jene Folgerung aus der ihrerseits erfolgten Ablehnung des
französischen Vertrags verwahren müssen, und man wiederhole jetzt diese Ver¬
wahrung. Die Ablehnung sei nichts als die Geltendmachung eines unzweifel¬
haften, in den Vercinsvcrträgen begründeten Rechts. Wenn Preußen dies
einsehe, so werde es sich durch die Weigerung Bayerns und der mit ihm
Sehenden Regierungen nicht verletzt und noch weniger zu dem Bestreben hin¬
geleitet finden, der Ueberzeugung seiner Mitverbündeten Zwang anthun zu
Wollen.

„In dieser Ueberzeugung," heißt es in der Depesche weiter, „hat die
bayerische Regierung geglaubt, daß es allen Vereinsregierungen nur erwünscht
sein könne, die wichtige Frage über die zweckmäßige Entwickelung und Aus¬
bildung des Handels- und Zollsystems des Vereins, welche der Artikel 34 des
Vertrags vom 4. April 18S3 ausdrücklich der Thätigkeit der regelmäßigen
Generalconferenz überweist, bei der bevorstehenden Conserenz in den Kreis der
Berathung zu ziehen. Aus diesem Grunde hat sie bei der Einladung zu dieser
Konferenz die östreichischen Vorschläge als Bcrathungsgegenstand namentlich in
Vorschlag gebracht, und sie wird diesen Antrag auch fernerhin aufrecht erhalten.
Sie erachtet es hierbei als- vertragsmäßige Pflicht aller Vcrcinsregierungen,
sich einer gemeinsamen Erörterung solcher wichtigen Fragen nicht zu entziehen,
und ist ihrerseits ebenso bereit, aus analoge Fragen, wie allenfalls auf Tarif-


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[0387] „Wenn die Vereinsregierungcn bestrebt sein wollen/' sagte er. „sich streng an die Bestimmungen der Vereinsverträge zu halten und sowohl in der Geltend- machung eigner als in der Beurtheilung fremder Ansprüche sich nur auf die Grenzen des Rechts zu beschränken, so wird die Beurtheilung fremder wie der eignen Interessen und sonstigen Rücksichten bald eine versöhnlichere werden. Es wird demnach für keinen Theil mehr ein Motiv bestehen, gemeinsame Er¬ örterungen zurückzuweisen, vielmehr jedem Theil gleichmäßig daran liegen, durch gemeinschaftliche Gerhandlungen den gesammten Stand der Frage aufzuklären und alle Nebenrücksichten aus denselben zu entfernen. Gestützt auf diese Voraussetzung habe ich in meiner Depesche vom 23. September die Rücksicht¬ nahme auf den Februarvertrag mit Oestreich und eine angemessene Aenderung des proponirten Vertrags mit Frankreich als diejenige Grundlage bezeichnet, 'U>f welcher eine Verständigung erzielt werden könne." Dies scheine, so fährt Freiherr v. Schrenck fort, nicht richtig aufgefaßt Worden zu sein, da man sonst nicht gesagt haben würde, die Verweigerung der Zustimmung zu den zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossnen Verträgen werde von Preußen als Ausdruck des Willens der betreffenden Regierungen aufgefaßt werden, den Zollverein künftig nicht fortzusetzen. Diese Aeußerung su eine die frei« Entschließung dieser Regierungen beeinträchtigende, den Grund¬ sätzen des Zollvereins widerstrebende Drohung. Die bayerische Regierung habe such schon früher gegen jene Folgerung aus der ihrerseits erfolgten Ablehnung des französischen Vertrags verwahren müssen, und man wiederhole jetzt diese Ver¬ wahrung. Die Ablehnung sei nichts als die Geltendmachung eines unzweifel¬ haften, in den Vercinsvcrträgen begründeten Rechts. Wenn Preußen dies einsehe, so werde es sich durch die Weigerung Bayerns und der mit ihm Sehenden Regierungen nicht verletzt und noch weniger zu dem Bestreben hin¬ geleitet finden, der Ueberzeugung seiner Mitverbündeten Zwang anthun zu Wollen. „In dieser Ueberzeugung," heißt es in der Depesche weiter, „hat die bayerische Regierung geglaubt, daß es allen Vereinsregierungen nur erwünscht sein könne, die wichtige Frage über die zweckmäßige Entwickelung und Aus¬ bildung des Handels- und Zollsystems des Vereins, welche der Artikel 34 des Vertrags vom 4. April 18S3 ausdrücklich der Thätigkeit der regelmäßigen Generalconferenz überweist, bei der bevorstehenden Conserenz in den Kreis der Berathung zu ziehen. Aus diesem Grunde hat sie bei der Einladung zu dieser Konferenz die östreichischen Vorschläge als Bcrathungsgegenstand namentlich in Vorschlag gebracht, und sie wird diesen Antrag auch fernerhin aufrecht erhalten. Sie erachtet es hierbei als- vertragsmäßige Pflicht aller Vcrcinsregierungen, sich einer gemeinsamen Erörterung solcher wichtigen Fragen nicht zu entziehen, und ist ihrerseits ebenso bereit, aus analoge Fragen, wie allenfalls auf Tarif- 46"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/387>, abgerufen am 26.06.2024.