Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zustand glich völlig einer Vergiftung, und er flößte mir in der That ernste
Besorgniß ein, da er stundenlang ohne alle Veränderung dalag und perioden¬
weise zu phantasiren begann. Mehre Tassen starken schwarzen Kaffes, die ich
ihm einflößte, äußerten keine Gegenwirkung. Mit der Nacht endlich fühlte er
Schmerzen in den Eingeweiden, und damit kehrten Farbe, Bewegungsvermögen
und lebendigerer Ausdruck im Gesicht und Haltung zurück, bis er endlich nach
öfter unterbrochenem Schlafe wieder als genesen zu betrachten war. Unterleibs¬
beschwerden, Schmerzen in den Eingeweiden und Schwäche aber hielten noch
die folgenden Tage hindurch an.

Die narkotische Eigenschaft des Milchsaftes des Os-Iaetoelkuclroii utile steht also
erfahrungsmäßig fest. Freilich habe ich an den farbigen Racen eine gleiche Er¬
scheinung nicht wahrgenommen, und es mag sein, daß theils der oftmalige Ge¬
nuß dieses Getränkes jene narkotische Wirkung abschwächt, theils die Farbigen
jener Wirkung überhaupt nicht so leicht unterworfen sind. Außerdem ist der
Umstand beachtenswerth, daß die Kreolen die Milch, wenigstens in größeren
Mengen, abgekocht genossen, während K. dieselbe roh und in ansehnlicher
Menge getrunken hatte. Mehre der Kreolen gaben mir später die Versicherung,
daß es ihnen ähnlich und noch schlimmer als K. ergangen sei. aber nach nur dem
Genuß größerer Quantitäten rohen, nie aber nach dem Genusse gekochten, mit
Wasser vermischten und in geringerer Quantität getrunkenen Milchsaftes.

Ueberschwänglich reich und üppig sprudelt die Schöpfungskraft aus dem
Schooße jenes Landstriches der Salvacion hervor und häuft rings umher eine
Fülle von Materialien auf, die dem Menschen fast jeglicher Sorge und An¬
strengung um sein physisches Dasein überheben, sofern er nur einigermaßen
seine Kräfte und Sinne zu gebrauchen weiß. Ohne drückend heiß zu sein, (der
Thermometer zeigte an jenem Rasttage um drei Uhr Nachmittags etwa 10°5, N.)
hat die Luft eine Temperatur, welche als die für die Organisation des Menschen¬
körpers ursprünglich bestimmte, und somit als die normale betrachtet werden kann.
Der Himmel mit seiner ruhig heitern Bläue, mit seinen, alle Schwere und
alle Schatten des Geistes zerstreuenden Sonnenstrahlen, wölbt sich um eine
Erde, deren Athem Fruchtbarkeit und deren Anblick Schönheit und ewige
Jugend ist. Frische, krystallklare, gesunde Gewässer strömen in vollen Adern
Von den benachbarten Bergen herab und durch die Thalwindungen, belebt von
Schalthieren, Fischen und Amphibien und ausgelegt mit blendend weißen Kies-
und Felsbrocken. Die letzteren eignen sich zum Material für Straßen- und
Häuserbau, der schwere Mergel- und Thonboden neben ihnen verräth die höchste
Fruchtbarkeit. Wie lockten diese breiten, von Felscnwürfeln abgedämmten Wasser¬
becken zum Bade! Selbst die wasserscheuer, der Reinlichkeit wenig zugethaner
Mulatten und Indianer konnten der Anziehungskraft des flüssigen Krystalles
nicht widerstehen.


Zustand glich völlig einer Vergiftung, und er flößte mir in der That ernste
Besorgniß ein, da er stundenlang ohne alle Veränderung dalag und perioden¬
weise zu phantasiren begann. Mehre Tassen starken schwarzen Kaffes, die ich
ihm einflößte, äußerten keine Gegenwirkung. Mit der Nacht endlich fühlte er
Schmerzen in den Eingeweiden, und damit kehrten Farbe, Bewegungsvermögen
und lebendigerer Ausdruck im Gesicht und Haltung zurück, bis er endlich nach
öfter unterbrochenem Schlafe wieder als genesen zu betrachten war. Unterleibs¬
beschwerden, Schmerzen in den Eingeweiden und Schwäche aber hielten noch
die folgenden Tage hindurch an.

Die narkotische Eigenschaft des Milchsaftes des Os-Iaetoelkuclroii utile steht also
erfahrungsmäßig fest. Freilich habe ich an den farbigen Racen eine gleiche Er¬
scheinung nicht wahrgenommen, und es mag sein, daß theils der oftmalige Ge¬
nuß dieses Getränkes jene narkotische Wirkung abschwächt, theils die Farbigen
jener Wirkung überhaupt nicht so leicht unterworfen sind. Außerdem ist der
Umstand beachtenswerth, daß die Kreolen die Milch, wenigstens in größeren
Mengen, abgekocht genossen, während K. dieselbe roh und in ansehnlicher
Menge getrunken hatte. Mehre der Kreolen gaben mir später die Versicherung,
daß es ihnen ähnlich und noch schlimmer als K. ergangen sei. aber nach nur dem
Genuß größerer Quantitäten rohen, nie aber nach dem Genusse gekochten, mit
Wasser vermischten und in geringerer Quantität getrunkenen Milchsaftes.

Ueberschwänglich reich und üppig sprudelt die Schöpfungskraft aus dem
Schooße jenes Landstriches der Salvacion hervor und häuft rings umher eine
Fülle von Materialien auf, die dem Menschen fast jeglicher Sorge und An¬
strengung um sein physisches Dasein überheben, sofern er nur einigermaßen
seine Kräfte und Sinne zu gebrauchen weiß. Ohne drückend heiß zu sein, (der
Thermometer zeigte an jenem Rasttage um drei Uhr Nachmittags etwa 10°5, N.)
hat die Luft eine Temperatur, welche als die für die Organisation des Menschen¬
körpers ursprünglich bestimmte, und somit als die normale betrachtet werden kann.
Der Himmel mit seiner ruhig heitern Bläue, mit seinen, alle Schwere und
alle Schatten des Geistes zerstreuenden Sonnenstrahlen, wölbt sich um eine
Erde, deren Athem Fruchtbarkeit und deren Anblick Schönheit und ewige
Jugend ist. Frische, krystallklare, gesunde Gewässer strömen in vollen Adern
Von den benachbarten Bergen herab und durch die Thalwindungen, belebt von
Schalthieren, Fischen und Amphibien und ausgelegt mit blendend weißen Kies-
und Felsbrocken. Die letzteren eignen sich zum Material für Straßen- und
Häuserbau, der schwere Mergel- und Thonboden neben ihnen verräth die höchste
Fruchtbarkeit. Wie lockten diese breiten, von Felscnwürfeln abgedämmten Wasser¬
becken zum Bade! Selbst die wasserscheuer, der Reinlichkeit wenig zugethaner
Mulatten und Indianer konnten der Anziehungskraft des flüssigen Krystalles
nicht widerstehen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283169"/>
          <p xml:id="ID_1208" prev="#ID_1207"> Zustand glich völlig einer Vergiftung, und er flößte mir in der That ernste<lb/>
Besorgniß ein, da er stundenlang ohne alle Veränderung dalag und perioden¬<lb/>
weise zu phantasiren begann. Mehre Tassen starken schwarzen Kaffes, die ich<lb/>
ihm einflößte, äußerten keine Gegenwirkung. Mit der Nacht endlich fühlte er<lb/>
Schmerzen in den Eingeweiden, und damit kehrten Farbe, Bewegungsvermögen<lb/>
und lebendigerer Ausdruck im Gesicht und Haltung zurück, bis er endlich nach<lb/>
öfter unterbrochenem Schlafe wieder als genesen zu betrachten war. Unterleibs¬<lb/>
beschwerden, Schmerzen in den Eingeweiden und Schwäche aber hielten noch<lb/>
die folgenden Tage hindurch an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1209"> Die narkotische Eigenschaft des Milchsaftes des Os-Iaetoelkuclroii utile steht also<lb/>
erfahrungsmäßig fest. Freilich habe ich an den farbigen Racen eine gleiche Er¬<lb/>
scheinung nicht wahrgenommen, und es mag sein, daß theils der oftmalige Ge¬<lb/>
nuß dieses Getränkes jene narkotische Wirkung abschwächt, theils die Farbigen<lb/>
jener Wirkung überhaupt nicht so leicht unterworfen sind. Außerdem ist der<lb/>
Umstand beachtenswerth, daß die Kreolen die Milch, wenigstens in größeren<lb/>
Mengen, abgekocht genossen, während K. dieselbe roh und in ansehnlicher<lb/>
Menge getrunken hatte. Mehre der Kreolen gaben mir später die Versicherung,<lb/>
daß es ihnen ähnlich und noch schlimmer als K. ergangen sei. aber nach nur dem<lb/>
Genuß größerer Quantitäten rohen, nie aber nach dem Genusse gekochten, mit<lb/>
Wasser vermischten und in geringerer Quantität getrunkenen Milchsaftes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1210"> Ueberschwänglich reich und üppig sprudelt die Schöpfungskraft aus dem<lb/>
Schooße jenes Landstriches der Salvacion hervor und häuft rings umher eine<lb/>
Fülle von Materialien auf, die dem Menschen fast jeglicher Sorge und An¬<lb/>
strengung um sein physisches Dasein überheben, sofern er nur einigermaßen<lb/>
seine Kräfte und Sinne zu gebrauchen weiß. Ohne drückend heiß zu sein, (der<lb/>
Thermometer zeigte an jenem Rasttage um drei Uhr Nachmittags etwa 10°5, N.)<lb/>
hat die Luft eine Temperatur, welche als die für die Organisation des Menschen¬<lb/>
körpers ursprünglich bestimmte, und somit als die normale betrachtet werden kann.<lb/>
Der Himmel mit seiner ruhig heitern Bläue, mit seinen, alle Schwere und<lb/>
alle Schatten des Geistes zerstreuenden Sonnenstrahlen, wölbt sich um eine<lb/>
Erde, deren Athem Fruchtbarkeit und deren Anblick Schönheit und ewige<lb/>
Jugend ist. Frische, krystallklare, gesunde Gewässer strömen in vollen Adern<lb/>
Von den benachbarten Bergen herab und durch die Thalwindungen, belebt von<lb/>
Schalthieren, Fischen und Amphibien und ausgelegt mit blendend weißen Kies-<lb/>
und Felsbrocken. Die letzteren eignen sich zum Material für Straßen- und<lb/>
Häuserbau, der schwere Mergel- und Thonboden neben ihnen verräth die höchste<lb/>
Fruchtbarkeit. Wie lockten diese breiten, von Felscnwürfeln abgedämmten Wasser¬<lb/>
becken zum Bade! Selbst die wasserscheuer, der Reinlichkeit wenig zugethaner<lb/>
Mulatten und Indianer konnten der Anziehungskraft des flüssigen Krystalles<lb/>
nicht widerstehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0372] Zustand glich völlig einer Vergiftung, und er flößte mir in der That ernste Besorgniß ein, da er stundenlang ohne alle Veränderung dalag und perioden¬ weise zu phantasiren begann. Mehre Tassen starken schwarzen Kaffes, die ich ihm einflößte, äußerten keine Gegenwirkung. Mit der Nacht endlich fühlte er Schmerzen in den Eingeweiden, und damit kehrten Farbe, Bewegungsvermögen und lebendigerer Ausdruck im Gesicht und Haltung zurück, bis er endlich nach öfter unterbrochenem Schlafe wieder als genesen zu betrachten war. Unterleibs¬ beschwerden, Schmerzen in den Eingeweiden und Schwäche aber hielten noch die folgenden Tage hindurch an. Die narkotische Eigenschaft des Milchsaftes des Os-Iaetoelkuclroii utile steht also erfahrungsmäßig fest. Freilich habe ich an den farbigen Racen eine gleiche Er¬ scheinung nicht wahrgenommen, und es mag sein, daß theils der oftmalige Ge¬ nuß dieses Getränkes jene narkotische Wirkung abschwächt, theils die Farbigen jener Wirkung überhaupt nicht so leicht unterworfen sind. Außerdem ist der Umstand beachtenswerth, daß die Kreolen die Milch, wenigstens in größeren Mengen, abgekocht genossen, während K. dieselbe roh und in ansehnlicher Menge getrunken hatte. Mehre der Kreolen gaben mir später die Versicherung, daß es ihnen ähnlich und noch schlimmer als K. ergangen sei. aber nach nur dem Genuß größerer Quantitäten rohen, nie aber nach dem Genusse gekochten, mit Wasser vermischten und in geringerer Quantität getrunkenen Milchsaftes. Ueberschwänglich reich und üppig sprudelt die Schöpfungskraft aus dem Schooße jenes Landstriches der Salvacion hervor und häuft rings umher eine Fülle von Materialien auf, die dem Menschen fast jeglicher Sorge und An¬ strengung um sein physisches Dasein überheben, sofern er nur einigermaßen seine Kräfte und Sinne zu gebrauchen weiß. Ohne drückend heiß zu sein, (der Thermometer zeigte an jenem Rasttage um drei Uhr Nachmittags etwa 10°5, N.) hat die Luft eine Temperatur, welche als die für die Organisation des Menschen¬ körpers ursprünglich bestimmte, und somit als die normale betrachtet werden kann. Der Himmel mit seiner ruhig heitern Bläue, mit seinen, alle Schwere und alle Schatten des Geistes zerstreuenden Sonnenstrahlen, wölbt sich um eine Erde, deren Athem Fruchtbarkeit und deren Anblick Schönheit und ewige Jugend ist. Frische, krystallklare, gesunde Gewässer strömen in vollen Adern Von den benachbarten Bergen herab und durch die Thalwindungen, belebt von Schalthieren, Fischen und Amphibien und ausgelegt mit blendend weißen Kies- und Felsbrocken. Die letzteren eignen sich zum Material für Straßen- und Häuserbau, der schwere Mergel- und Thonboden neben ihnen verräth die höchste Fruchtbarkeit. Wie lockten diese breiten, von Felscnwürfeln abgedämmten Wasser¬ becken zum Bade! Selbst die wasserscheuer, der Reinlichkeit wenig zugethaner Mulatten und Indianer konnten der Anziehungskraft des flüssigen Krystalles nicht widerstehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/372
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/372>, abgerufen am 29.06.2024.