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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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entschieden habe, während das Berufsheer immer der Sache der Freiheit feindlich
gewesen sei. Die Leidenschaft war erregt. Ruhige Erörterung half nicht mehr,
eine Broschüre, der Bilanzbrief, welchen man einem hervorragenden Mitglied
der Regierung, dem Freund des Königs, Lord Somers zuschrieb, und welche
diese Erörterung versuchte, nützte wenig. In dieser Broschüre ward angeführt,
daß Volksheere in der Regel Berufsheeren nicht Stand zu halten geeignet seien,
und in der Erkenntniß, daß oft nur ein Wort die beste Sache zu vereiteln im
Stande ist. unter Preisgebung des stehenden Heeres für eine zeitweilige Truppen-
Macht plaidirt. deren Bestand von der Entschließung des Parlaments abhängen
sollte.

Mitten in diesen Meinungskampf fiel der Zusammentritt des Parlaments,
und offen führte die Thronrede mitten in die Frage des Tages hinein. König
Wilhelm verkündete: Die Lage der auswärtigen Angelegenheiten ist derart, daß
ich es für meine Pflicht halte, meine Meinung dahin auszusprechen, daß zur
Zeit England ohne Landheer nicht sicher sein kann, und ich hoffe daher, wir
werden denen, die es schlecht mit uns meinen, nicht die Gelegenheit bieten,
unter dem Deckmantel des Friedens das zu Wege zu bringen, was sie durch
den Krieg nicht erreichen konnten.

Die Thronrede wurde gut aufgenommen; das Unterhaus beschloß eine
Adresse, die dem König versichern sollte, es werde im Frieden ebenso zu ihm
halten wie im Kriege.

Die Freunde der Regierung hatten guten Muth. Sie hofften die Beibe¬
haltung einer Armee von 30.000 Mann durchbringen zu können. Sie irrten:
acht Tage nach Eröffnung des Parlamentes, am 10. December 1697. besprach
das Haus in vertraulicher Sitzung die Thronrede.

Die Führung der Opposition übernahm Robert Harley. einer jener Liberalen,
die es als Aufgabe ihrer Partei ansehen, jeder Regierung, selbst einer liberalen.
Opposition zu machen, und der daher, ohne daß er es selbst sich hätte zugestehen
Wollen, aus einem Whig ein Tory geworden war. Harley behauptete, nach dem
Frieden von Ryswik brauche keine größere T-ruppenmacht als nach dem Frieden
von Nimwegen gehalten zu werden, und beantragte, daß die Armee auf den
Fuß von 1680 gebracht werde.

Das Ministerium erkannte, daß es in dieser Frage auf seine Freunde nicht
rechnen könne. Die Erhaltung der Armee war im Lande unpopulär, und
dieses Parlament hielt seine letzte Sitzung. Aus Rücksicht auf die Neuwahlen
konnten sie nicht dafür stimmen. So zeigte sich zum ersten Male der verderb¬
liche Einfluß der dreijährigen Parlamentsperioden, den Wilhelm vorausgesehen
hatte, da er zum ersten Male dem betreffenden Gesetz seine Bestätigung versagt
hatte, und das er trotzdem, aus Achtung vor dem Volkswillen bestätigt
hatte, als es ihm zum zweiten Male vorgelegt worden war.


entschieden habe, während das Berufsheer immer der Sache der Freiheit feindlich
gewesen sei. Die Leidenschaft war erregt. Ruhige Erörterung half nicht mehr,
eine Broschüre, der Bilanzbrief, welchen man einem hervorragenden Mitglied
der Regierung, dem Freund des Königs, Lord Somers zuschrieb, und welche
diese Erörterung versuchte, nützte wenig. In dieser Broschüre ward angeführt,
daß Volksheere in der Regel Berufsheeren nicht Stand zu halten geeignet seien,
und in der Erkenntniß, daß oft nur ein Wort die beste Sache zu vereiteln im
Stande ist. unter Preisgebung des stehenden Heeres für eine zeitweilige Truppen-
Macht plaidirt. deren Bestand von der Entschließung des Parlaments abhängen
sollte.

Mitten in diesen Meinungskampf fiel der Zusammentritt des Parlaments,
und offen führte die Thronrede mitten in die Frage des Tages hinein. König
Wilhelm verkündete: Die Lage der auswärtigen Angelegenheiten ist derart, daß
ich es für meine Pflicht halte, meine Meinung dahin auszusprechen, daß zur
Zeit England ohne Landheer nicht sicher sein kann, und ich hoffe daher, wir
werden denen, die es schlecht mit uns meinen, nicht die Gelegenheit bieten,
unter dem Deckmantel des Friedens das zu Wege zu bringen, was sie durch
den Krieg nicht erreichen konnten.

Die Thronrede wurde gut aufgenommen; das Unterhaus beschloß eine
Adresse, die dem König versichern sollte, es werde im Frieden ebenso zu ihm
halten wie im Kriege.

Die Freunde der Regierung hatten guten Muth. Sie hofften die Beibe¬
haltung einer Armee von 30.000 Mann durchbringen zu können. Sie irrten:
acht Tage nach Eröffnung des Parlamentes, am 10. December 1697. besprach
das Haus in vertraulicher Sitzung die Thronrede.

Die Führung der Opposition übernahm Robert Harley. einer jener Liberalen,
die es als Aufgabe ihrer Partei ansehen, jeder Regierung, selbst einer liberalen.
Opposition zu machen, und der daher, ohne daß er es selbst sich hätte zugestehen
Wollen, aus einem Whig ein Tory geworden war. Harley behauptete, nach dem
Frieden von Ryswik brauche keine größere T-ruppenmacht als nach dem Frieden
von Nimwegen gehalten zu werden, und beantragte, daß die Armee auf den
Fuß von 1680 gebracht werde.

Das Ministerium erkannte, daß es in dieser Frage auf seine Freunde nicht
rechnen könne. Die Erhaltung der Armee war im Lande unpopulär, und
dieses Parlament hielt seine letzte Sitzung. Aus Rücksicht auf die Neuwahlen
konnten sie nicht dafür stimmen. So zeigte sich zum ersten Male der verderb¬
liche Einfluß der dreijährigen Parlamentsperioden, den Wilhelm vorausgesehen
hatte, da er zum ersten Male dem betreffenden Gesetz seine Bestätigung versagt
hatte, und das er trotzdem, aus Achtung vor dem Volkswillen bestätigt
hatte, als es ihm zum zweiten Male vorgelegt worden war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/313>, abgerufen am 26.06.2024.