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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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als die, welche der Nordsee zufließen, dagegen sind jene wasserreicher als diese,
welche im Sommer nur bei anhaltendem Regen zu ansehnlicher Größe an¬
schwellen und dem Einfluß der Ebbe und Fluth unterworfen sind. Der größte
Fluß Jütlands ist die bereits erwähnte Gudenaa, die in der Nachbarschaft von
Vene entspringt, sich in nördlicher Richtung durch Hügelketten hindurchwindet,
dann durch die großen Binnenseen von Skanderborg geht und, nachdem sie in
der Nähe von Silkeborg für flache Pramen schiffbar geworden, sich dem Meer¬
busen von Räubers zuwendet. Sie hat einen Lauf von etwa 26 Meilen Länge.

Das Klima ist in Jütland schon sehr rauh, vorzüglich auf der Seite nach
der Nordsee hin, wo die scharfen Westwinde dem Pflanzenwuchs verderblich
werden, wogegen die Osthälfte durch den Höhenzug in der Mitte des Landes
gegen jenes Uebel mehr geschützt ist. Der Frühling ist allenthalben kühl,
naß und stürmisch, der Sommer gewöhnlich nur mäßig warm; doch hat man
schon 27 V" Grad Wärme erlebt. Der Herbst bringt in der Regel wieder viel
Regen und Wind. Die Winterkälte ist selten bedeutend, und der Schnee bleibt
sehr selten lange liegen.

Unterirdische Schätze natürlicher Art besitzt Jütland wie ganz Dänemark
und der größte Theil der norddeutschen Tiefebne, deren Ausläufer die cimbnsche
Halbinsel ist, fast gar nicht. Metalle fehlen ganz, und von andern Mineralien
finden sich hier nur Kalk, Kreide und Mergel. Dagegen giebt es fast überall
große Lager von Torf, der in der Mitte und im Westen des Landes das aus¬
schließliche Brennmaterial ist.

Von großem Interesse für die Kunde der Vorzeit sind die zahlreichen
Hühnengräber, Erdvufwürfe von halbkugelförmiger Gestalt, von denen die
kleinsten 8 bis 12 Fuß hoch sind und unten am Boden einen Umfang von
30 bis 40 Fuß haben. Man trifft sie besonders in der Landesmitte in Menge
an, bald einzeln, bald in Gruppen, zuweilen in langen Ketten. In Holstein
und Schleswig, wo deren früher ebenfalls sehr viele waren, sind die meisten
jetzt vom Pfluge zerstört. In Jütland meint der Volksglaube, daß diese Grab¬
hügel, die oft mitten in Ackerstücken liegen, nicht abgetragen werden dürften,
weil von ihnen die Fruchtbarkeit der Felder abhängig sei oder, wie alte Leute
wissen wollen, weil in ihnen das "Bergvolk", d. h. das Volk der Erdwichtel
Hause, und so werden sie vom Pflüger meist sorgfältig umgangen. Sie sind
gewöhnlich mit grünem Rasen oder in unfruchtbaren Strichen mit Haidekraut
bedeckt. Oeffnet man sie, so findet sich in gleicher Höhe mit dem Boden der
Umgebung ein kreisrunder Raum, der mit großen Feldsteinen eingeschlossen und
mit größeren Steinplatten bedeckt ist, und der etwa vier Fuß Durchmesser hat.
In demselben steht dann eine Urne von gebrannter Erde mit der Asche von
Menschenknochen, ringsherum liegen Waffen und Werkzeuge, gewöhnlich von
Stein, besonders von Feuerstein, bisweilen auch von Metall, mitunter selbst


als die, welche der Nordsee zufließen, dagegen sind jene wasserreicher als diese,
welche im Sommer nur bei anhaltendem Regen zu ansehnlicher Größe an¬
schwellen und dem Einfluß der Ebbe und Fluth unterworfen sind. Der größte
Fluß Jütlands ist die bereits erwähnte Gudenaa, die in der Nachbarschaft von
Vene entspringt, sich in nördlicher Richtung durch Hügelketten hindurchwindet,
dann durch die großen Binnenseen von Skanderborg geht und, nachdem sie in
der Nähe von Silkeborg für flache Pramen schiffbar geworden, sich dem Meer¬
busen von Räubers zuwendet. Sie hat einen Lauf von etwa 26 Meilen Länge.

Das Klima ist in Jütland schon sehr rauh, vorzüglich auf der Seite nach
der Nordsee hin, wo die scharfen Westwinde dem Pflanzenwuchs verderblich
werden, wogegen die Osthälfte durch den Höhenzug in der Mitte des Landes
gegen jenes Uebel mehr geschützt ist. Der Frühling ist allenthalben kühl,
naß und stürmisch, der Sommer gewöhnlich nur mäßig warm; doch hat man
schon 27 V« Grad Wärme erlebt. Der Herbst bringt in der Regel wieder viel
Regen und Wind. Die Winterkälte ist selten bedeutend, und der Schnee bleibt
sehr selten lange liegen.

Unterirdische Schätze natürlicher Art besitzt Jütland wie ganz Dänemark
und der größte Theil der norddeutschen Tiefebne, deren Ausläufer die cimbnsche
Halbinsel ist, fast gar nicht. Metalle fehlen ganz, und von andern Mineralien
finden sich hier nur Kalk, Kreide und Mergel. Dagegen giebt es fast überall
große Lager von Torf, der in der Mitte und im Westen des Landes das aus¬
schließliche Brennmaterial ist.

Von großem Interesse für die Kunde der Vorzeit sind die zahlreichen
Hühnengräber, Erdvufwürfe von halbkugelförmiger Gestalt, von denen die
kleinsten 8 bis 12 Fuß hoch sind und unten am Boden einen Umfang von
30 bis 40 Fuß haben. Man trifft sie besonders in der Landesmitte in Menge
an, bald einzeln, bald in Gruppen, zuweilen in langen Ketten. In Holstein
und Schleswig, wo deren früher ebenfalls sehr viele waren, sind die meisten
jetzt vom Pfluge zerstört. In Jütland meint der Volksglaube, daß diese Grab¬
hügel, die oft mitten in Ackerstücken liegen, nicht abgetragen werden dürften,
weil von ihnen die Fruchtbarkeit der Felder abhängig sei oder, wie alte Leute
wissen wollen, weil in ihnen das „Bergvolk", d. h. das Volk der Erdwichtel
Hause, und so werden sie vom Pflüger meist sorgfältig umgangen. Sie sind
gewöhnlich mit grünem Rasen oder in unfruchtbaren Strichen mit Haidekraut
bedeckt. Oeffnet man sie, so findet sich in gleicher Höhe mit dem Boden der
Umgebung ein kreisrunder Raum, der mit großen Feldsteinen eingeschlossen und
mit größeren Steinplatten bedeckt ist, und der etwa vier Fuß Durchmesser hat.
In demselben steht dann eine Urne von gebrannter Erde mit der Asche von
Menschenknochen, ringsherum liegen Waffen und Werkzeuge, gewöhnlich von
Stein, besonders von Feuerstein, bisweilen auch von Metall, mitunter selbst


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[0271] als die, welche der Nordsee zufließen, dagegen sind jene wasserreicher als diese, welche im Sommer nur bei anhaltendem Regen zu ansehnlicher Größe an¬ schwellen und dem Einfluß der Ebbe und Fluth unterworfen sind. Der größte Fluß Jütlands ist die bereits erwähnte Gudenaa, die in der Nachbarschaft von Vene entspringt, sich in nördlicher Richtung durch Hügelketten hindurchwindet, dann durch die großen Binnenseen von Skanderborg geht und, nachdem sie in der Nähe von Silkeborg für flache Pramen schiffbar geworden, sich dem Meer¬ busen von Räubers zuwendet. Sie hat einen Lauf von etwa 26 Meilen Länge. Das Klima ist in Jütland schon sehr rauh, vorzüglich auf der Seite nach der Nordsee hin, wo die scharfen Westwinde dem Pflanzenwuchs verderblich werden, wogegen die Osthälfte durch den Höhenzug in der Mitte des Landes gegen jenes Uebel mehr geschützt ist. Der Frühling ist allenthalben kühl, naß und stürmisch, der Sommer gewöhnlich nur mäßig warm; doch hat man schon 27 V« Grad Wärme erlebt. Der Herbst bringt in der Regel wieder viel Regen und Wind. Die Winterkälte ist selten bedeutend, und der Schnee bleibt sehr selten lange liegen. Unterirdische Schätze natürlicher Art besitzt Jütland wie ganz Dänemark und der größte Theil der norddeutschen Tiefebne, deren Ausläufer die cimbnsche Halbinsel ist, fast gar nicht. Metalle fehlen ganz, und von andern Mineralien finden sich hier nur Kalk, Kreide und Mergel. Dagegen giebt es fast überall große Lager von Torf, der in der Mitte und im Westen des Landes das aus¬ schließliche Brennmaterial ist. Von großem Interesse für die Kunde der Vorzeit sind die zahlreichen Hühnengräber, Erdvufwürfe von halbkugelförmiger Gestalt, von denen die kleinsten 8 bis 12 Fuß hoch sind und unten am Boden einen Umfang von 30 bis 40 Fuß haben. Man trifft sie besonders in der Landesmitte in Menge an, bald einzeln, bald in Gruppen, zuweilen in langen Ketten. In Holstein und Schleswig, wo deren früher ebenfalls sehr viele waren, sind die meisten jetzt vom Pfluge zerstört. In Jütland meint der Volksglaube, daß diese Grab¬ hügel, die oft mitten in Ackerstücken liegen, nicht abgetragen werden dürften, weil von ihnen die Fruchtbarkeit der Felder abhängig sei oder, wie alte Leute wissen wollen, weil in ihnen das „Bergvolk", d. h. das Volk der Erdwichtel Hause, und so werden sie vom Pflüger meist sorgfältig umgangen. Sie sind gewöhnlich mit grünem Rasen oder in unfruchtbaren Strichen mit Haidekraut bedeckt. Oeffnet man sie, so findet sich in gleicher Höhe mit dem Boden der Umgebung ein kreisrunder Raum, der mit großen Feldsteinen eingeschlossen und mit größeren Steinplatten bedeckt ist, und der etwa vier Fuß Durchmesser hat. In demselben steht dann eine Urne von gebrannter Erde mit der Asche von Menschenknochen, ringsherum liegen Waffen und Werkzeuge, gewöhnlich von Stein, besonders von Feuerstein, bisweilen auch von Metall, mitunter selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/271>, abgerufen am 28.09.2024.