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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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emporschießen läßt. Nach Westen hin hört dies überall auf, und auch im
Osten giebt es sterile Stellen, so vor allem auf der Halbinsel Grenaa, nördlich
von Kais und Ebeltoft, wo der dürre Erdboden nicht einmal Haidekraut her¬
vorbringt, und zwischen Säby und Skagen, wo die Cultur ganz ein Ende
nimmt und der Weg durch die reine Sandwüste führt.

Die Westküste ist beinahe allenthalben mit Flugsand bedeckt und schwach
bewohnt. Von Bäumen keine Spur, wenn man die Umgebung des einen
und des andern Städtchens ausnimmt, und es giebt hier nicht wenige Men¬
schen, die Bäume entweder gar nicht oder nur auf Bildern gesehen haben.

Das Mittel- oder Rückenstück Jütlands besteht größtentheils aus Haide-
und Moorland. Hat man, von der Ostküste kommend, die Hügelkette über¬
schritten, durch welche sich die Gudenaa schlängelt, so befindet man sich sofort
in einer andern Gegend. Hier Sandflächen, von denen der Wind gelbliche
Wolken über die benachbarten Getreidefelder hintreibt, dort weitgedehnte schwarze
Sümpfe, dort wieder Ebenen, bedeckt mit mächtigen Feldsteinen. Nur bisweilen,
wo ein Fluß oder Bach sich durch das Land windet, eine fruchtbare Niederung
mit Dörfern, Wiesen und Aeckern, Weiterhin nach Westen, ii, der Richtung
auf Varde. Viborg und Holstebroe ziehen sich endlose Haidestrecken, die Tay-
die Abt-, die Grathe- und die Standbölhaide in der Richtung nach der Nord-
seeküste hin. bis der dort aufgeschichtete reine Sand nicht einmal dem Haide-.
kraut Nahrung bietet. Und wie hier, südlich vom Limfjord, ist es auch im
Norden, im sogenannten Vendsyssel. Dort zieht sich in der Entfernung von
durchschnittlich zwei Meilen von der Ostküste der fast überall mit Haidekraut
bedeckte "jüdische Aas"*) von Süden nach Norden hinaus, westlich von dem¬
selben folgen große Sümpfe und einige Landseen, dann an der Nordsee Sand¬
ebenen und Dünen.

Während Jütland in alten Zeiten ebenso wie die Herzogtümer ungeheure
Wälder gehabt zu haben scheint, hat es heutzutage fast nur kleine Gehölze,
und im Innern finden sich Waldpartien von einger Ausdehnung nur bei Silkeborg
und in der Mitte zwischen Hobroe und Aalborg. Die Bäume sind meist
Buchen, denen hin und wieder Eichen und Birken beigemischt sind. Die West¬
hälfte des Landes hat, wie bemerkt, fast gar keinen Baumwuchs. Die einzige
Abwechslung, welche auf dem Rückenstück der Halbinsel dem Auge geboten ist,
sind kleine und große Landseen, die indeß mit ihren todten, baumlosen und
meist nur mit rostfarbenem Haidekraut bewachsenen Ufern einen melancholischen
Eindruck machen. Die Wasserscheide liegt in Jütland der Ostküste naher als
der Westküste, und, so haben die jener zustrebenden Flüsse einen kürzeren Lauf



') Aas, sprich Oos, bedeutet Rücken.

emporschießen läßt. Nach Westen hin hört dies überall auf, und auch im
Osten giebt es sterile Stellen, so vor allem auf der Halbinsel Grenaa, nördlich
von Kais und Ebeltoft, wo der dürre Erdboden nicht einmal Haidekraut her¬
vorbringt, und zwischen Säby und Skagen, wo die Cultur ganz ein Ende
nimmt und der Weg durch die reine Sandwüste führt.

Die Westküste ist beinahe allenthalben mit Flugsand bedeckt und schwach
bewohnt. Von Bäumen keine Spur, wenn man die Umgebung des einen
und des andern Städtchens ausnimmt, und es giebt hier nicht wenige Men¬
schen, die Bäume entweder gar nicht oder nur auf Bildern gesehen haben.

Das Mittel- oder Rückenstück Jütlands besteht größtentheils aus Haide-
und Moorland. Hat man, von der Ostküste kommend, die Hügelkette über¬
schritten, durch welche sich die Gudenaa schlängelt, so befindet man sich sofort
in einer andern Gegend. Hier Sandflächen, von denen der Wind gelbliche
Wolken über die benachbarten Getreidefelder hintreibt, dort weitgedehnte schwarze
Sümpfe, dort wieder Ebenen, bedeckt mit mächtigen Feldsteinen. Nur bisweilen,
wo ein Fluß oder Bach sich durch das Land windet, eine fruchtbare Niederung
mit Dörfern, Wiesen und Aeckern, Weiterhin nach Westen, ii, der Richtung
auf Varde. Viborg und Holstebroe ziehen sich endlose Haidestrecken, die Tay-
die Abt-, die Grathe- und die Standbölhaide in der Richtung nach der Nord-
seeküste hin. bis der dort aufgeschichtete reine Sand nicht einmal dem Haide-.
kraut Nahrung bietet. Und wie hier, südlich vom Limfjord, ist es auch im
Norden, im sogenannten Vendsyssel. Dort zieht sich in der Entfernung von
durchschnittlich zwei Meilen von der Ostküste der fast überall mit Haidekraut
bedeckte „jüdische Aas"*) von Süden nach Norden hinaus, westlich von dem¬
selben folgen große Sümpfe und einige Landseen, dann an der Nordsee Sand¬
ebenen und Dünen.

Während Jütland in alten Zeiten ebenso wie die Herzogtümer ungeheure
Wälder gehabt zu haben scheint, hat es heutzutage fast nur kleine Gehölze,
und im Innern finden sich Waldpartien von einger Ausdehnung nur bei Silkeborg
und in der Mitte zwischen Hobroe und Aalborg. Die Bäume sind meist
Buchen, denen hin und wieder Eichen und Birken beigemischt sind. Die West¬
hälfte des Landes hat, wie bemerkt, fast gar keinen Baumwuchs. Die einzige
Abwechslung, welche auf dem Rückenstück der Halbinsel dem Auge geboten ist,
sind kleine und große Landseen, die indeß mit ihren todten, baumlosen und
meist nur mit rostfarbenem Haidekraut bewachsenen Ufern einen melancholischen
Eindruck machen. Die Wasserscheide liegt in Jütland der Ostküste naher als
der Westküste, und, so haben die jener zustrebenden Flüsse einen kürzeren Lauf



') Aas, sprich Oos, bedeutet Rücken.
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[0270] emporschießen läßt. Nach Westen hin hört dies überall auf, und auch im Osten giebt es sterile Stellen, so vor allem auf der Halbinsel Grenaa, nördlich von Kais und Ebeltoft, wo der dürre Erdboden nicht einmal Haidekraut her¬ vorbringt, und zwischen Säby und Skagen, wo die Cultur ganz ein Ende nimmt und der Weg durch die reine Sandwüste führt. Die Westküste ist beinahe allenthalben mit Flugsand bedeckt und schwach bewohnt. Von Bäumen keine Spur, wenn man die Umgebung des einen und des andern Städtchens ausnimmt, und es giebt hier nicht wenige Men¬ schen, die Bäume entweder gar nicht oder nur auf Bildern gesehen haben. Das Mittel- oder Rückenstück Jütlands besteht größtentheils aus Haide- und Moorland. Hat man, von der Ostküste kommend, die Hügelkette über¬ schritten, durch welche sich die Gudenaa schlängelt, so befindet man sich sofort in einer andern Gegend. Hier Sandflächen, von denen der Wind gelbliche Wolken über die benachbarten Getreidefelder hintreibt, dort weitgedehnte schwarze Sümpfe, dort wieder Ebenen, bedeckt mit mächtigen Feldsteinen. Nur bisweilen, wo ein Fluß oder Bach sich durch das Land windet, eine fruchtbare Niederung mit Dörfern, Wiesen und Aeckern, Weiterhin nach Westen, ii, der Richtung auf Varde. Viborg und Holstebroe ziehen sich endlose Haidestrecken, die Tay- die Abt-, die Grathe- und die Standbölhaide in der Richtung nach der Nord- seeküste hin. bis der dort aufgeschichtete reine Sand nicht einmal dem Haide-. kraut Nahrung bietet. Und wie hier, südlich vom Limfjord, ist es auch im Norden, im sogenannten Vendsyssel. Dort zieht sich in der Entfernung von durchschnittlich zwei Meilen von der Ostküste der fast überall mit Haidekraut bedeckte „jüdische Aas"*) von Süden nach Norden hinaus, westlich von dem¬ selben folgen große Sümpfe und einige Landseen, dann an der Nordsee Sand¬ ebenen und Dünen. Während Jütland in alten Zeiten ebenso wie die Herzogtümer ungeheure Wälder gehabt zu haben scheint, hat es heutzutage fast nur kleine Gehölze, und im Innern finden sich Waldpartien von einger Ausdehnung nur bei Silkeborg und in der Mitte zwischen Hobroe und Aalborg. Die Bäume sind meist Buchen, denen hin und wieder Eichen und Birken beigemischt sind. Die West¬ hälfte des Landes hat, wie bemerkt, fast gar keinen Baumwuchs. Die einzige Abwechslung, welche auf dem Rückenstück der Halbinsel dem Auge geboten ist, sind kleine und große Landseen, die indeß mit ihren todten, baumlosen und meist nur mit rostfarbenem Haidekraut bewachsenen Ufern einen melancholischen Eindruck machen. Die Wasserscheide liegt in Jütland der Ostküste naher als der Westküste, und, so haben die jener zustrebenden Flüsse einen kürzeren Lauf ') Aas, sprich Oos, bedeutet Rücken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/270>, abgerufen am 26.06.2024.