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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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kannte ausdrücklich, der Beschuldigte sei nicht zur Antwort zu zwingen (in
Sachsen, Oldenburg), nur in Braunschweig ging man, wie gezeigt, noch weiter.
Die durchgreifenden preußischen Strafvroceßgcsetze vom 3. Januar 1849 und
3. Mai 1832 schreiben hierüber nichts Wesentliches vor. Selbstverständlich
darf jemand, sobald er (allein) Beschuldigter (noch nicht Angeklagter) ist, nicht
die Zeugenfunktionen in seiner eigenen (alleinigen) Strafsache vollziehen.

Betreffs der Zeugenfunction legen die noch geltenden §§. 7, 8, 310--313,
319, 332, 333, 337 der preußischen Cuminalordnung vom 11. December 1805
und die §§. 20--22 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 jedem Staatsan¬
gehörigen die Pflicht auf, dem Richter auf Erfordern alles mitzutheilen, was
ihm über ein zu untersuchendes Verbrechen oder dessen Thäter bekannt ist.
Weigert er sich, die Pflicht ganz oder theilweise (Eidesleistung) zu erfüllen, so
soll er dazu von seinem ordentlichen Richter durch Geld- oder Gefängni߬
strafen angehalten werden. Dieser allgemeine Grundsatz ist durch ma߬
gebende Entscheidungen des königlichen Obertribunals und durch Ministerial-
verordnungen in folgenden hierher gehörenden Punkten näher präcisirt:

Die obige Zeugenpflicht besteht nur dann, wenn der Verdacht eines be¬
stimmten Verbrechens oder Vergehens oder doch Umstände vorliegen, welche die
Vermuthung eines begangenen, künftig näher zu bezeichnenden Verbrechens er¬
geben; sie erstreckt sich aber nicht auf allgemeine, nicht auf bestimmte
Vorgänge oder Personen bezügliche Fragen über die Kenntniß der
Zeugen von etwaigen blos für möglich erachteten Vergehungen gewisser Art,
Zeit und Gegend.

Jene Pflicht besteht ferner nicht, wo der Zeuge Bekundungen abgeben
soll, durch die er sich selbst einer strafbaren Handlung schuldig be¬
kennen würde.

§. 20 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 bestraft den gehörig vorgeladenen,
aber ohne Entschuldigung ausgebliebenen Zeugen mit Geldbuße bis zu 20 Thlr.
oder Gefängnißstrafe bis zu 7 Tagen. Diese Strafe ist nicht zu verwechseln
mit der in der Criminalordnung angedrohten Geld- oder Gefängnißstrafe; letztere
gilt vielmehr als Zwangsmittel, den Ungehorsamen zur Abgabe des Zeug¬
nisses, zu nöthigen, und ist an das Maß der Strafe des §. 20 a. a. O. nicht
gebunden, hängt hierin vielmehr lediglich vom Ermessen des zum Zwange
competenten Richters oder Gerichtes ab, ohne daß im Gesetze diesem Ermessen
durch Maximalsätze der Haftdauer, des Geldzwanges oder sonst ein Anhalt,
Maßstab gegeben ist.

Die Zwangsmaßregeln der Criminalordnung gegen Zeugen fallen fort,
sobald mit der Aburtheilung der Sache ohne Vernehmung der Zeugen vor¬
geschritten ist.

Gemäß K 5 des Gesetzes vom 3. Januar 1848 und dessen weiterer Aus-


kannte ausdrücklich, der Beschuldigte sei nicht zur Antwort zu zwingen (in
Sachsen, Oldenburg), nur in Braunschweig ging man, wie gezeigt, noch weiter.
Die durchgreifenden preußischen Strafvroceßgcsetze vom 3. Januar 1849 und
3. Mai 1832 schreiben hierüber nichts Wesentliches vor. Selbstverständlich
darf jemand, sobald er (allein) Beschuldigter (noch nicht Angeklagter) ist, nicht
die Zeugenfunktionen in seiner eigenen (alleinigen) Strafsache vollziehen.

Betreffs der Zeugenfunction legen die noch geltenden §§. 7, 8, 310—313,
319, 332, 333, 337 der preußischen Cuminalordnung vom 11. December 1805
und die §§. 20—22 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 jedem Staatsan¬
gehörigen die Pflicht auf, dem Richter auf Erfordern alles mitzutheilen, was
ihm über ein zu untersuchendes Verbrechen oder dessen Thäter bekannt ist.
Weigert er sich, die Pflicht ganz oder theilweise (Eidesleistung) zu erfüllen, so
soll er dazu von seinem ordentlichen Richter durch Geld- oder Gefängni߬
strafen angehalten werden. Dieser allgemeine Grundsatz ist durch ma߬
gebende Entscheidungen des königlichen Obertribunals und durch Ministerial-
verordnungen in folgenden hierher gehörenden Punkten näher präcisirt:

Die obige Zeugenpflicht besteht nur dann, wenn der Verdacht eines be¬
stimmten Verbrechens oder Vergehens oder doch Umstände vorliegen, welche die
Vermuthung eines begangenen, künftig näher zu bezeichnenden Verbrechens er¬
geben; sie erstreckt sich aber nicht auf allgemeine, nicht auf bestimmte
Vorgänge oder Personen bezügliche Fragen über die Kenntniß der
Zeugen von etwaigen blos für möglich erachteten Vergehungen gewisser Art,
Zeit und Gegend.

Jene Pflicht besteht ferner nicht, wo der Zeuge Bekundungen abgeben
soll, durch die er sich selbst einer strafbaren Handlung schuldig be¬
kennen würde.

§. 20 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 bestraft den gehörig vorgeladenen,
aber ohne Entschuldigung ausgebliebenen Zeugen mit Geldbuße bis zu 20 Thlr.
oder Gefängnißstrafe bis zu 7 Tagen. Diese Strafe ist nicht zu verwechseln
mit der in der Criminalordnung angedrohten Geld- oder Gefängnißstrafe; letztere
gilt vielmehr als Zwangsmittel, den Ungehorsamen zur Abgabe des Zeug¬
nisses, zu nöthigen, und ist an das Maß der Strafe des §. 20 a. a. O. nicht
gebunden, hängt hierin vielmehr lediglich vom Ermessen des zum Zwange
competenten Richters oder Gerichtes ab, ohne daß im Gesetze diesem Ermessen
durch Maximalsätze der Haftdauer, des Geldzwanges oder sonst ein Anhalt,
Maßstab gegeben ist.

Die Zwangsmaßregeln der Criminalordnung gegen Zeugen fallen fort,
sobald mit der Aburtheilung der Sache ohne Vernehmung der Zeugen vor¬
geschritten ist.

Gemäß K 5 des Gesetzes vom 3. Januar 1848 und dessen weiterer Aus-


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[0260] kannte ausdrücklich, der Beschuldigte sei nicht zur Antwort zu zwingen (in Sachsen, Oldenburg), nur in Braunschweig ging man, wie gezeigt, noch weiter. Die durchgreifenden preußischen Strafvroceßgcsetze vom 3. Januar 1849 und 3. Mai 1832 schreiben hierüber nichts Wesentliches vor. Selbstverständlich darf jemand, sobald er (allein) Beschuldigter (noch nicht Angeklagter) ist, nicht die Zeugenfunktionen in seiner eigenen (alleinigen) Strafsache vollziehen. Betreffs der Zeugenfunction legen die noch geltenden §§. 7, 8, 310—313, 319, 332, 333, 337 der preußischen Cuminalordnung vom 11. December 1805 und die §§. 20—22 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 jedem Staatsan¬ gehörigen die Pflicht auf, dem Richter auf Erfordern alles mitzutheilen, was ihm über ein zu untersuchendes Verbrechen oder dessen Thäter bekannt ist. Weigert er sich, die Pflicht ganz oder theilweise (Eidesleistung) zu erfüllen, so soll er dazu von seinem ordentlichen Richter durch Geld- oder Gefängni߬ strafen angehalten werden. Dieser allgemeine Grundsatz ist durch ma߬ gebende Entscheidungen des königlichen Obertribunals und durch Ministerial- verordnungen in folgenden hierher gehörenden Punkten näher präcisirt: Die obige Zeugenpflicht besteht nur dann, wenn der Verdacht eines be¬ stimmten Verbrechens oder Vergehens oder doch Umstände vorliegen, welche die Vermuthung eines begangenen, künftig näher zu bezeichnenden Verbrechens er¬ geben; sie erstreckt sich aber nicht auf allgemeine, nicht auf bestimmte Vorgänge oder Personen bezügliche Fragen über die Kenntniß der Zeugen von etwaigen blos für möglich erachteten Vergehungen gewisser Art, Zeit und Gegend. Jene Pflicht besteht ferner nicht, wo der Zeuge Bekundungen abgeben soll, durch die er sich selbst einer strafbaren Handlung schuldig be¬ kennen würde. §. 20 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 bestraft den gehörig vorgeladenen, aber ohne Entschuldigung ausgebliebenen Zeugen mit Geldbuße bis zu 20 Thlr. oder Gefängnißstrafe bis zu 7 Tagen. Diese Strafe ist nicht zu verwechseln mit der in der Criminalordnung angedrohten Geld- oder Gefängnißstrafe; letztere gilt vielmehr als Zwangsmittel, den Ungehorsamen zur Abgabe des Zeug¬ nisses, zu nöthigen, und ist an das Maß der Strafe des §. 20 a. a. O. nicht gebunden, hängt hierin vielmehr lediglich vom Ermessen des zum Zwange competenten Richters oder Gerichtes ab, ohne daß im Gesetze diesem Ermessen durch Maximalsätze der Haftdauer, des Geldzwanges oder sonst ein Anhalt, Maßstab gegeben ist. Die Zwangsmaßregeln der Criminalordnung gegen Zeugen fallen fort, sobald mit der Aburtheilung der Sache ohne Vernehmung der Zeugen vor¬ geschritten ist. Gemäß K 5 des Gesetzes vom 3. Januar 1848 und dessen weiterer Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/260>, abgerufen am 28.09.2024.