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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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gelten lassen, da die auswärtige Presse genügende Gelegenheit geboten hatte,
die Wahrheit in Betreff der Stimmung zu erfahren, du in Deutschland und
Preußen herrschte. Nach der Rückkehr von der berliner Konferenz galt es, den
einzelnen Vereinen die Sache plausibel zu machen. Ueberall wurden glänzende
Scheingefechte in Scene gesetzt, die dann von der Presse als ebenso viel Siege
des Patriotismus über den Particülarismusnach Deutschland berichtet wurden.
Den Höhenpunkt dieser Berichte bildete das Referat aus Preetz. wo der be¬
kannte Vorsitzende des Schleswig-holsteinischen Vereins, ein Mann gewaltig, in
Zungen zu reden und fest wie ein Fels im tobenden Meer, die Gegensätze ruhig
an sich herankommen lieh, um sie dann mit der Wucht seiner Beredsamkeit zu
zermalmen. Größere Wirkung mag indeß eine gewisse herumgeflüsterte Zauber¬
formel gehabt haben: o-^roh r<x". Prachtvoll gings in der kieler Versammlung
des Vereins her: die Opponenten erklärten, gegen ihre innigste Ueberzeugung
das Vaterland retten zu wollen, indem sie als Delegirte mit dem Ausschuß
stimmen würden -- eine heuchlerische Phrase, wie sie in der guten alten ehr¬
lichen Zeit kaum jemand geleistet hätte, wie sie aber heutzutage, seit dem An¬
fang des vorigen Jahres/nicht sehr auffällig sein kann. Der Artikel schließt:

"Nach solchen Vorgängen ist denn auch die rendsburger Versammlung
keine rettende That, sondern eine großartige Komödie gewesen, und macht es einen
Zwergfell erschütternden Eindruck, wenn man liest, daß die Herren die Augen
des civilisirten Europa auf sich gerichtet wissen wollten. Wir sind auf gutem
Wege, in die bevorzugte Stelle eines Volks der Mitte einzurücken."

Das ist vollkommen richtig. Der Dünkel ist ebenso gewachsen wie der
Trotz gegen Preußen. Das rendsburger Schauspiel wurde lediglich aufgeführt,
um die öffentliche Meinung in Deutschland zu captiviren. Wahrheit ist nich,
dahinter. Das wird sich sofort zeigen, wenn Preußen die Stände einberuft.
Aber Preußen trägt die Schuld, wenn man es für schwach hält. Fast ebenso
viel als das Hetzen von Kiel aus hat der Rückzug vor Oestreich in der kieler
Hafensache beigetragen, die Stimmung übler werden zu lassen. Dieser Rück¬
zug mag ein scheinbarer gewesen sein, aber es ist nicht zu erwarten, daß die
öffentliche Meinung fein genug ist, Unerforscklicbkeiten sich zu erklären. Diese
öffentliche Meinung wird haupsäcblich durch Achtung und Furcht bestimmt, und
es bedarf einer Thatsache, diese Empfindungen festzuhalten, beziehentlich wieder
einzuflößen. Wir verlangen keine renommistische Erklärung, keine ungeheure
That, wohl aber, daß man gelassen fortfahre zu thun, was Preußen bedarf.
Der Beginn der Arbeite" zwischen Holtenau und Friedrichsort, ein Graben,
ein Stück Mauer daselbst ist die beste Antwort auf die von unsern Offiziösen herumge¬
tragene Behauptung, die preußische Politik sei vor dem Einspruch Oestreichs
in Stillstand gerathen. Aus der Mauer, in dem Graben würde das Volk lesen:
Und sie bewegt sich doch!




Verantwortlicher Redacteur.- or. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

gelten lassen, da die auswärtige Presse genügende Gelegenheit geboten hatte,
die Wahrheit in Betreff der Stimmung zu erfahren, du in Deutschland und
Preußen herrschte. Nach der Rückkehr von der berliner Konferenz galt es, den
einzelnen Vereinen die Sache plausibel zu machen. Ueberall wurden glänzende
Scheingefechte in Scene gesetzt, die dann von der Presse als ebenso viel Siege
des Patriotismus über den Particülarismusnach Deutschland berichtet wurden.
Den Höhenpunkt dieser Berichte bildete das Referat aus Preetz. wo der be¬
kannte Vorsitzende des Schleswig-holsteinischen Vereins, ein Mann gewaltig, in
Zungen zu reden und fest wie ein Fels im tobenden Meer, die Gegensätze ruhig
an sich herankommen lieh, um sie dann mit der Wucht seiner Beredsamkeit zu
zermalmen. Größere Wirkung mag indeß eine gewisse herumgeflüsterte Zauber¬
formel gehabt haben: o-^roh r<x«. Prachtvoll gings in der kieler Versammlung
des Vereins her: die Opponenten erklärten, gegen ihre innigste Ueberzeugung
das Vaterland retten zu wollen, indem sie als Delegirte mit dem Ausschuß
stimmen würden — eine heuchlerische Phrase, wie sie in der guten alten ehr¬
lichen Zeit kaum jemand geleistet hätte, wie sie aber heutzutage, seit dem An¬
fang des vorigen Jahres/nicht sehr auffällig sein kann. Der Artikel schließt:

„Nach solchen Vorgängen ist denn auch die rendsburger Versammlung
keine rettende That, sondern eine großartige Komödie gewesen, und macht es einen
Zwergfell erschütternden Eindruck, wenn man liest, daß die Herren die Augen
des civilisirten Europa auf sich gerichtet wissen wollten. Wir sind auf gutem
Wege, in die bevorzugte Stelle eines Volks der Mitte einzurücken."

Das ist vollkommen richtig. Der Dünkel ist ebenso gewachsen wie der
Trotz gegen Preußen. Das rendsburger Schauspiel wurde lediglich aufgeführt,
um die öffentliche Meinung in Deutschland zu captiviren. Wahrheit ist nich,
dahinter. Das wird sich sofort zeigen, wenn Preußen die Stände einberuft.
Aber Preußen trägt die Schuld, wenn man es für schwach hält. Fast ebenso
viel als das Hetzen von Kiel aus hat der Rückzug vor Oestreich in der kieler
Hafensache beigetragen, die Stimmung übler werden zu lassen. Dieser Rück¬
zug mag ein scheinbarer gewesen sein, aber es ist nicht zu erwarten, daß die
öffentliche Meinung fein genug ist, Unerforscklicbkeiten sich zu erklären. Diese
öffentliche Meinung wird haupsäcblich durch Achtung und Furcht bestimmt, und
es bedarf einer Thatsache, diese Empfindungen festzuhalten, beziehentlich wieder
einzuflößen. Wir verlangen keine renommistische Erklärung, keine ungeheure
That, wohl aber, daß man gelassen fortfahre zu thun, was Preußen bedarf.
Der Beginn der Arbeite» zwischen Holtenau und Friedrichsort, ein Graben,
ein Stück Mauer daselbst ist die beste Antwort auf die von unsern Offiziösen herumge¬
tragene Behauptung, die preußische Politik sei vor dem Einspruch Oestreichs
in Stillstand gerathen. Aus der Mauer, in dem Graben würde das Volk lesen:
Und sie bewegt sich doch!




Verantwortlicher Redacteur.- or. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0256] gelten lassen, da die auswärtige Presse genügende Gelegenheit geboten hatte, die Wahrheit in Betreff der Stimmung zu erfahren, du in Deutschland und Preußen herrschte. Nach der Rückkehr von der berliner Konferenz galt es, den einzelnen Vereinen die Sache plausibel zu machen. Ueberall wurden glänzende Scheingefechte in Scene gesetzt, die dann von der Presse als ebenso viel Siege des Patriotismus über den Particülarismusnach Deutschland berichtet wurden. Den Höhenpunkt dieser Berichte bildete das Referat aus Preetz. wo der be¬ kannte Vorsitzende des Schleswig-holsteinischen Vereins, ein Mann gewaltig, in Zungen zu reden und fest wie ein Fels im tobenden Meer, die Gegensätze ruhig an sich herankommen lieh, um sie dann mit der Wucht seiner Beredsamkeit zu zermalmen. Größere Wirkung mag indeß eine gewisse herumgeflüsterte Zauber¬ formel gehabt haben: o-^roh r<x«. Prachtvoll gings in der kieler Versammlung des Vereins her: die Opponenten erklärten, gegen ihre innigste Ueberzeugung das Vaterland retten zu wollen, indem sie als Delegirte mit dem Ausschuß stimmen würden — eine heuchlerische Phrase, wie sie in der guten alten ehr¬ lichen Zeit kaum jemand geleistet hätte, wie sie aber heutzutage, seit dem An¬ fang des vorigen Jahres/nicht sehr auffällig sein kann. Der Artikel schließt: „Nach solchen Vorgängen ist denn auch die rendsburger Versammlung keine rettende That, sondern eine großartige Komödie gewesen, und macht es einen Zwergfell erschütternden Eindruck, wenn man liest, daß die Herren die Augen des civilisirten Europa auf sich gerichtet wissen wollten. Wir sind auf gutem Wege, in die bevorzugte Stelle eines Volks der Mitte einzurücken." Das ist vollkommen richtig. Der Dünkel ist ebenso gewachsen wie der Trotz gegen Preußen. Das rendsburger Schauspiel wurde lediglich aufgeführt, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu captiviren. Wahrheit ist nich, dahinter. Das wird sich sofort zeigen, wenn Preußen die Stände einberuft. Aber Preußen trägt die Schuld, wenn man es für schwach hält. Fast ebenso viel als das Hetzen von Kiel aus hat der Rückzug vor Oestreich in der kieler Hafensache beigetragen, die Stimmung übler werden zu lassen. Dieser Rück¬ zug mag ein scheinbarer gewesen sein, aber es ist nicht zu erwarten, daß die öffentliche Meinung fein genug ist, Unerforscklicbkeiten sich zu erklären. Diese öffentliche Meinung wird haupsäcblich durch Achtung und Furcht bestimmt, und es bedarf einer Thatsache, diese Empfindungen festzuhalten, beziehentlich wieder einzuflößen. Wir verlangen keine renommistische Erklärung, keine ungeheure That, wohl aber, daß man gelassen fortfahre zu thun, was Preußen bedarf. Der Beginn der Arbeite» zwischen Holtenau und Friedrichsort, ein Graben, ein Stück Mauer daselbst ist die beste Antwort auf die von unsern Offiziösen herumge¬ tragene Behauptung, die preußische Politik sei vor dem Einspruch Oestreichs in Stillstand gerathen. Aus der Mauer, in dem Graben würde das Volk lesen: Und sie bewegt sich doch! Verantwortlicher Redacteur.- or. Moritz Busch. Verlag von F. L, Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/256>, abgerufen am 29.06.2024.