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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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So waren Jahre vergangen, die ersten Waldlichtungen wieder überwaltet,
die abgesteckten Linien längst vergessen. Ocana blieb dem Markte von Se. Maria
unterworfen, und Maracaibo kümmerte sich nicht weiter um die reichen Zucker-
sicdereien und Jaffeefelder Ocanas. -- Im Jahre 1839. als nach kurzer Ruhe
die Flammen des Bürgerkrieges in der Federacion Granadina wieder aufloderten,
und von den Bundesstaaten die einen nach eigner Souveränität, die andern
nach Centralisation der ganzen Republik trachteten, wurde inmitten des politischen
Elendes das alte Project mit erneuertem Eifer wieder aufgenommen; sehr er¬
klärlich, denn der Handel stockte, der Ackerbau erlahmte, alle Parteien bestrebten
sich, dem materiellen Lebensströme ein neues Bett zu graben und ihn so zu
leiten, daß er von keinen politischen Parteiungen verschüttet werde, und so
richtete sich der Blick auf Maracaibo, die stolze Haupthandelsstadt der Schwester¬
republik Venezuela.

Zum Entwerfen und Ergreifen kühner Projecte besitzt der Hispano-Amerikaner
eine rastlose und schnell auflodernde Phantasie. Aber schnell, wie sie aufschlägt,
verzehrt sich die Flamme wieder, sobald es Ernst wird, und die Ausführung
Aufopferung und Thatkraft erfordert. Dann weicht der Romane mit seinen
eitlen Phrasen und fundamentlosen Spekulationen zurück, und ruhig, besonnen,
gediegen, energisch betritt eine andere Race, die germanische, das Feld, unter
deren thatkräftiger Beharrlichkeit sich eine Schöpfung nach der andern aus dem
Chaos der Uncultur erhebt, der ganzen Menschheit zum Nutzen und Frommen.

So ging auch diese Unternehmung, die Anbahnung einer Verbindungs¬
straße zwischen Ocana und Maracaibo, als' es zum Handeln, zu wirklichem
Arbeiten kam, schließlich in eine deutsche Hand über. Ein deutscher Kaufmann K.
folgte seinem Colonisationshange. verband sich mit zwei einheimischen Grund¬
besitzern, eifrigen Förderer der Sache, und schritt, nachdem die ersten nothwendigen
Gelder aufgetrieben und andere Vorbereitungen getroffen waren, rüstig an die
Durchbahnung der Wildniß und die Gründung einer Colonie und eines Hafen¬
platzes an dem untern Catatumbo, von wo ab derselbe für Canoes.fahrbar
wurde. Schon länger als zwanzig Jahre im Lande, war er ziemlich naturalisirt
und durchaus vertraut mit dem Charakter der farbigen Arbeiterclasse. Sein
lebhafter Unternehmungsgeist ließ sich selbst nicht durch den anmuthigen Zauber
einer jungen schönen Frau aus edlem castilianischen Blute, die erst vor wenigen
Monaten die Seine geworden, aufhalten. Noch weniger lag in seiner Natur,
vor den harten Entbehrungen und den Gefahren eines rauhen Waldlebens
zurückzuschrecken.

La Convencion, ein kleiner sechs Meilen von Ocana entfernter Pueblo,
ward, als nächster Ausgangspunkt des neuen Wegebaues, zum allgemeinen
Samuel- und Verkehrsplatze für die Vorarbeiten gewählt. Die Anwerbungen
von Arbeitern aus nahen und fernen Gegenden wurden eifrig betrieben. Junge


So waren Jahre vergangen, die ersten Waldlichtungen wieder überwaltet,
die abgesteckten Linien längst vergessen. Ocana blieb dem Markte von Se. Maria
unterworfen, und Maracaibo kümmerte sich nicht weiter um die reichen Zucker-
sicdereien und Jaffeefelder Ocanas. — Im Jahre 1839. als nach kurzer Ruhe
die Flammen des Bürgerkrieges in der Federacion Granadina wieder aufloderten,
und von den Bundesstaaten die einen nach eigner Souveränität, die andern
nach Centralisation der ganzen Republik trachteten, wurde inmitten des politischen
Elendes das alte Project mit erneuertem Eifer wieder aufgenommen; sehr er¬
klärlich, denn der Handel stockte, der Ackerbau erlahmte, alle Parteien bestrebten
sich, dem materiellen Lebensströme ein neues Bett zu graben und ihn so zu
leiten, daß er von keinen politischen Parteiungen verschüttet werde, und so
richtete sich der Blick auf Maracaibo, die stolze Haupthandelsstadt der Schwester¬
republik Venezuela.

Zum Entwerfen und Ergreifen kühner Projecte besitzt der Hispano-Amerikaner
eine rastlose und schnell auflodernde Phantasie. Aber schnell, wie sie aufschlägt,
verzehrt sich die Flamme wieder, sobald es Ernst wird, und die Ausführung
Aufopferung und Thatkraft erfordert. Dann weicht der Romane mit seinen
eitlen Phrasen und fundamentlosen Spekulationen zurück, und ruhig, besonnen,
gediegen, energisch betritt eine andere Race, die germanische, das Feld, unter
deren thatkräftiger Beharrlichkeit sich eine Schöpfung nach der andern aus dem
Chaos der Uncultur erhebt, der ganzen Menschheit zum Nutzen und Frommen.

So ging auch diese Unternehmung, die Anbahnung einer Verbindungs¬
straße zwischen Ocana und Maracaibo, als' es zum Handeln, zu wirklichem
Arbeiten kam, schließlich in eine deutsche Hand über. Ein deutscher Kaufmann K.
folgte seinem Colonisationshange. verband sich mit zwei einheimischen Grund¬
besitzern, eifrigen Förderer der Sache, und schritt, nachdem die ersten nothwendigen
Gelder aufgetrieben und andere Vorbereitungen getroffen waren, rüstig an die
Durchbahnung der Wildniß und die Gründung einer Colonie und eines Hafen¬
platzes an dem untern Catatumbo, von wo ab derselbe für Canoes.fahrbar
wurde. Schon länger als zwanzig Jahre im Lande, war er ziemlich naturalisirt
und durchaus vertraut mit dem Charakter der farbigen Arbeiterclasse. Sein
lebhafter Unternehmungsgeist ließ sich selbst nicht durch den anmuthigen Zauber
einer jungen schönen Frau aus edlem castilianischen Blute, die erst vor wenigen
Monaten die Seine geworden, aufhalten. Noch weniger lag in seiner Natur,
vor den harten Entbehrungen und den Gefahren eines rauhen Waldlebens
zurückzuschrecken.

La Convencion, ein kleiner sechs Meilen von Ocana entfernter Pueblo,
ward, als nächster Ausgangspunkt des neuen Wegebaues, zum allgemeinen
Samuel- und Verkehrsplatze für die Vorarbeiten gewählt. Die Anwerbungen
von Arbeitern aus nahen und fernen Gegenden wurden eifrig betrieben. Junge


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[0238] So waren Jahre vergangen, die ersten Waldlichtungen wieder überwaltet, die abgesteckten Linien längst vergessen. Ocana blieb dem Markte von Se. Maria unterworfen, und Maracaibo kümmerte sich nicht weiter um die reichen Zucker- sicdereien und Jaffeefelder Ocanas. — Im Jahre 1839. als nach kurzer Ruhe die Flammen des Bürgerkrieges in der Federacion Granadina wieder aufloderten, und von den Bundesstaaten die einen nach eigner Souveränität, die andern nach Centralisation der ganzen Republik trachteten, wurde inmitten des politischen Elendes das alte Project mit erneuertem Eifer wieder aufgenommen; sehr er¬ klärlich, denn der Handel stockte, der Ackerbau erlahmte, alle Parteien bestrebten sich, dem materiellen Lebensströme ein neues Bett zu graben und ihn so zu leiten, daß er von keinen politischen Parteiungen verschüttet werde, und so richtete sich der Blick auf Maracaibo, die stolze Haupthandelsstadt der Schwester¬ republik Venezuela. Zum Entwerfen und Ergreifen kühner Projecte besitzt der Hispano-Amerikaner eine rastlose und schnell auflodernde Phantasie. Aber schnell, wie sie aufschlägt, verzehrt sich die Flamme wieder, sobald es Ernst wird, und die Ausführung Aufopferung und Thatkraft erfordert. Dann weicht der Romane mit seinen eitlen Phrasen und fundamentlosen Spekulationen zurück, und ruhig, besonnen, gediegen, energisch betritt eine andere Race, die germanische, das Feld, unter deren thatkräftiger Beharrlichkeit sich eine Schöpfung nach der andern aus dem Chaos der Uncultur erhebt, der ganzen Menschheit zum Nutzen und Frommen. So ging auch diese Unternehmung, die Anbahnung einer Verbindungs¬ straße zwischen Ocana und Maracaibo, als' es zum Handeln, zu wirklichem Arbeiten kam, schließlich in eine deutsche Hand über. Ein deutscher Kaufmann K. folgte seinem Colonisationshange. verband sich mit zwei einheimischen Grund¬ besitzern, eifrigen Förderer der Sache, und schritt, nachdem die ersten nothwendigen Gelder aufgetrieben und andere Vorbereitungen getroffen waren, rüstig an die Durchbahnung der Wildniß und die Gründung einer Colonie und eines Hafen¬ platzes an dem untern Catatumbo, von wo ab derselbe für Canoes.fahrbar wurde. Schon länger als zwanzig Jahre im Lande, war er ziemlich naturalisirt und durchaus vertraut mit dem Charakter der farbigen Arbeiterclasse. Sein lebhafter Unternehmungsgeist ließ sich selbst nicht durch den anmuthigen Zauber einer jungen schönen Frau aus edlem castilianischen Blute, die erst vor wenigen Monaten die Seine geworden, aufhalten. Noch weniger lag in seiner Natur, vor den harten Entbehrungen und den Gefahren eines rauhen Waldlebens zurückzuschrecken. La Convencion, ein kleiner sechs Meilen von Ocana entfernter Pueblo, ward, als nächster Ausgangspunkt des neuen Wegebaues, zum allgemeinen Samuel- und Verkehrsplatze für die Vorarbeiten gewählt. Die Anwerbungen von Arbeitern aus nahen und fernen Gegenden wurden eifrig betrieben. Junge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/238>, abgerufen am 26.06.2024.