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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Wer uns den Gaius Julius schildern wollte, den milden Mann mit demant¬
hartem Sinn, den erlauchten Demokraten, der als Verschwörer anfing und als
Reformator endete, der höchst populär war, als er ruchlos gegen die Staats¬
ordnung intriguirte, und höchst unpopulär, als er den zerrütteten Staat zu
neuem Leben umschuf, wer eine so schwer verständliche Gestalt aus fremdem
Volksthum uns Modernen deutlich zu machen wagte, der müßte doch vor allem
den Menschen Cäsar so schildern, wie er im Verlauf seines Lebens allmälig
wurde. Er würde ohne Zweifel die schwere Aufgabe so beginnen, daß er zuerst
einzelne deutliche Züge seines Charakters als Grundlinien des Bildes feststellte
und entweder bescheiden fremder Einsicht überließe, die unfertigen Umrisse zu
vervollständigen, oder aus der Summe der Anschauungen und Vorstellungen, die
ihm das eigene Leben gewährt, die ergänzenden Striche schöpferisch dazufügte,

Cäsar brachte die Tugenden und den hohen Sinn eines Fürsten in seine
politische Laufbahn. Er war ein vornehmer Mann, ein klarer und sicher auf
sich selbst ruhender Geist, ein treuerund hingebender Freund, heiter, mittheilend,
nachsichtig gegen fremde Fehler, freudig zu geben, ein mildes Gemüth, dem
gutes Einvernehmen mit Allen, die ihm persönlich nahe traten. Bedürfniß war.
Er war weich und gefühlvoll, wo er liebte, dankbar für jedes Zeichen der
Hingabe und persönlichen Zuneigung. Familienbande, gute Kameradschaft und
menschliches Wohlwollen bestimmten sein Handeln zuweilen mehr, als für seine
Erfolge und seinen Ruf vortheilhaft war. War ihm jemand lieb, dem verzieh
er auch Unverzeihliches, fühlte er sich verpflichtet, so opferte er mehr von seinem
Vortheil, als ein Politiker opfern darf.

Aber derselbe Mann trat in die Politik zu einer Zeit, wo der Staat be¬
reits eine Beute wilder und grausamer Heerführer geworden war. wo die ma߬
loseste Selbstsucht der Regierenden das Amt als Handhabe gebrauchte, die
schlechtesten Leidenschaften zu befriedigen, wo auch die Gesetzgebung nur als
Waffe benutzt wurde, die Gegner zu verderben, selbst zur Herrschaft durchzu-
dringen. Der junge Cäsar intriguirte, bestach und verschwor sich, wie die
Andern, er ergriff eine Partei und schmeichelte dem Volk, wie die Andern, um
sich herauszuheben, seine Feinde zu verderben. Ja er unterschied sich von den
Andern in dieser Zeit für unser Urtheil nur dadurch, daß er verschwenderischer
Geld ausstreute, feiner und vornehmer seine selbstsüchtigen Pläne verfolgte und
niedriger und kleiner Leidenschaft keine Herrschaft über sich einräumte. Wenn
er durch unerhörten Glanz seiner Spiele und durch die massenhaften Bestechungen,
welche er an Seite Waghälse aufwendete, seine Vermögensverhältnisse völlig
ruinirte, so wußte auch er, daß er durch Raub und Erpressung in den Provinzen
sich den Schaden wieder ersetzen konnte. Und er hat seinerzeit aus Spanien
und Gallien reichlich genommen, was er brauchte. Er war ein waghalsiger
Spieler um die Macht, seine Einsätze größer, sein Anstand unvergleichlich besser,


Wer uns den Gaius Julius schildern wollte, den milden Mann mit demant¬
hartem Sinn, den erlauchten Demokraten, der als Verschwörer anfing und als
Reformator endete, der höchst populär war, als er ruchlos gegen die Staats¬
ordnung intriguirte, und höchst unpopulär, als er den zerrütteten Staat zu
neuem Leben umschuf, wer eine so schwer verständliche Gestalt aus fremdem
Volksthum uns Modernen deutlich zu machen wagte, der müßte doch vor allem
den Menschen Cäsar so schildern, wie er im Verlauf seines Lebens allmälig
wurde. Er würde ohne Zweifel die schwere Aufgabe so beginnen, daß er zuerst
einzelne deutliche Züge seines Charakters als Grundlinien des Bildes feststellte
und entweder bescheiden fremder Einsicht überließe, die unfertigen Umrisse zu
vervollständigen, oder aus der Summe der Anschauungen und Vorstellungen, die
ihm das eigene Leben gewährt, die ergänzenden Striche schöpferisch dazufügte,

Cäsar brachte die Tugenden und den hohen Sinn eines Fürsten in seine
politische Laufbahn. Er war ein vornehmer Mann, ein klarer und sicher auf
sich selbst ruhender Geist, ein treuerund hingebender Freund, heiter, mittheilend,
nachsichtig gegen fremde Fehler, freudig zu geben, ein mildes Gemüth, dem
gutes Einvernehmen mit Allen, die ihm persönlich nahe traten. Bedürfniß war.
Er war weich und gefühlvoll, wo er liebte, dankbar für jedes Zeichen der
Hingabe und persönlichen Zuneigung. Familienbande, gute Kameradschaft und
menschliches Wohlwollen bestimmten sein Handeln zuweilen mehr, als für seine
Erfolge und seinen Ruf vortheilhaft war. War ihm jemand lieb, dem verzieh
er auch Unverzeihliches, fühlte er sich verpflichtet, so opferte er mehr von seinem
Vortheil, als ein Politiker opfern darf.

Aber derselbe Mann trat in die Politik zu einer Zeit, wo der Staat be¬
reits eine Beute wilder und grausamer Heerführer geworden war. wo die ma߬
loseste Selbstsucht der Regierenden das Amt als Handhabe gebrauchte, die
schlechtesten Leidenschaften zu befriedigen, wo auch die Gesetzgebung nur als
Waffe benutzt wurde, die Gegner zu verderben, selbst zur Herrschaft durchzu-
dringen. Der junge Cäsar intriguirte, bestach und verschwor sich, wie die
Andern, er ergriff eine Partei und schmeichelte dem Volk, wie die Andern, um
sich herauszuheben, seine Feinde zu verderben. Ja er unterschied sich von den
Andern in dieser Zeit für unser Urtheil nur dadurch, daß er verschwenderischer
Geld ausstreute, feiner und vornehmer seine selbstsüchtigen Pläne verfolgte und
niedriger und kleiner Leidenschaft keine Herrschaft über sich einräumte. Wenn
er durch unerhörten Glanz seiner Spiele und durch die massenhaften Bestechungen,
welche er an Seite Waghälse aufwendete, seine Vermögensverhältnisse völlig
ruinirte, so wußte auch er, daß er durch Raub und Erpressung in den Provinzen
sich den Schaden wieder ersetzen konnte. Und er hat seinerzeit aus Spanien
und Gallien reichlich genommen, was er brauchte. Er war ein waghalsiger
Spieler um die Macht, seine Einsätze größer, sein Anstand unvergleichlich besser,


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[0234] Wer uns den Gaius Julius schildern wollte, den milden Mann mit demant¬ hartem Sinn, den erlauchten Demokraten, der als Verschwörer anfing und als Reformator endete, der höchst populär war, als er ruchlos gegen die Staats¬ ordnung intriguirte, und höchst unpopulär, als er den zerrütteten Staat zu neuem Leben umschuf, wer eine so schwer verständliche Gestalt aus fremdem Volksthum uns Modernen deutlich zu machen wagte, der müßte doch vor allem den Menschen Cäsar so schildern, wie er im Verlauf seines Lebens allmälig wurde. Er würde ohne Zweifel die schwere Aufgabe so beginnen, daß er zuerst einzelne deutliche Züge seines Charakters als Grundlinien des Bildes feststellte und entweder bescheiden fremder Einsicht überließe, die unfertigen Umrisse zu vervollständigen, oder aus der Summe der Anschauungen und Vorstellungen, die ihm das eigene Leben gewährt, die ergänzenden Striche schöpferisch dazufügte, Cäsar brachte die Tugenden und den hohen Sinn eines Fürsten in seine politische Laufbahn. Er war ein vornehmer Mann, ein klarer und sicher auf sich selbst ruhender Geist, ein treuerund hingebender Freund, heiter, mittheilend, nachsichtig gegen fremde Fehler, freudig zu geben, ein mildes Gemüth, dem gutes Einvernehmen mit Allen, die ihm persönlich nahe traten. Bedürfniß war. Er war weich und gefühlvoll, wo er liebte, dankbar für jedes Zeichen der Hingabe und persönlichen Zuneigung. Familienbande, gute Kameradschaft und menschliches Wohlwollen bestimmten sein Handeln zuweilen mehr, als für seine Erfolge und seinen Ruf vortheilhaft war. War ihm jemand lieb, dem verzieh er auch Unverzeihliches, fühlte er sich verpflichtet, so opferte er mehr von seinem Vortheil, als ein Politiker opfern darf. Aber derselbe Mann trat in die Politik zu einer Zeit, wo der Staat be¬ reits eine Beute wilder und grausamer Heerführer geworden war. wo die ma߬ loseste Selbstsucht der Regierenden das Amt als Handhabe gebrauchte, die schlechtesten Leidenschaften zu befriedigen, wo auch die Gesetzgebung nur als Waffe benutzt wurde, die Gegner zu verderben, selbst zur Herrschaft durchzu- dringen. Der junge Cäsar intriguirte, bestach und verschwor sich, wie die Andern, er ergriff eine Partei und schmeichelte dem Volk, wie die Andern, um sich herauszuheben, seine Feinde zu verderben. Ja er unterschied sich von den Andern in dieser Zeit für unser Urtheil nur dadurch, daß er verschwenderischer Geld ausstreute, feiner und vornehmer seine selbstsüchtigen Pläne verfolgte und niedriger und kleiner Leidenschaft keine Herrschaft über sich einräumte. Wenn er durch unerhörten Glanz seiner Spiele und durch die massenhaften Bestechungen, welche er an Seite Waghälse aufwendete, seine Vermögensverhältnisse völlig ruinirte, so wußte auch er, daß er durch Raub und Erpressung in den Provinzen sich den Schaden wieder ersetzen konnte. Und er hat seinerzeit aus Spanien und Gallien reichlich genommen, was er brauchte. Er war ein waghalsiger Spieler um die Macht, seine Einsätze größer, sein Anstand unvergleichlich besser,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/234>, abgerufen am 26.06.2024.