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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Neigung, uns zu begleiten. Unter ihnen befand sich Herr Heinrich von Gagern,
der drei Jahre vorher in der Paulskirche den vielgerühmten "kühnen Griff"
gethan hatte und der nun -- der Herr Doctor werden ersucht, die Periode
zum Abschluß zu bringen.*)

Das Geschick wollte oder vielmehr das Ungeschick unsrer Führer bewirkte,
daß der Sturm auch diesmal viele Leute kostete und dennoch mißlang. Gerade
an der Stelle, wo unsre Colonne in den wirksamen Bereich des feindlichen
Feuers trat, stieß sie auf ein Hinderniß, welches bei einiger Umsicht gar leicht
hätte vorher aus dem Wege geräumt werden können und müssen, weil meines
Erachtens daraus die letzte Chance für ein Gelingen des Sturmes beruhte.
Zum Schutze unsrer Kanonen war nämlich der Weg in seiner ganzen Breite
durch eine Reihe großer Schanzkörbe gesperrt und nur eine schmale, schlüpfrige
Oeffnung hart am Eiderufer frei gelassen. Hier angelangt, mußte die Colonne
steh in Reihen setzen und auf der andern Seite wieder in Sectionen auf-
marschiren, ein Manöver, welches schon auf dem Exercierplatze nicht selten An¬
laß zu Stockung und Unordnung giebt. Hauptmann Bärens, der die Jäger
führte, kam ohne Verlust hindurch, drang rasch bis zur Schanze vor und fand
dieselbe nur schwach besetzt, indem der Feind sich wahrscheinlich durch das An¬
stürmen der erwähnten drei anderen Sturmcolonnen hatte täuschen lassen.
Wie, wenn das Bataillon, dicht geschlossen den Jägern mit gefälltem Bajonnet
auf dem Fuße nachgefolgt wäre? Als aber die Spitze herankam, schlugen schon
die Kartätschen mit erschreckender Sicherheit (die Dänen kannten die Distancen
ganz genau) in die schmale Oeffnung hinein, welche alsbald von den Körpern
der Getroffenen angefüllt und versperrt war, während andere Rotten in die
Eider stürzten. Verzweifelte Situation, wenn man um sich blickte! Schwer
Verwundet liegt Hauptmann Basson aus der andern Seite der Oeffnung,
während der Führer der dritten Compagnie, Hauptmann Ehrhardt, weiter zurück,
eben durch den Kopf geschossen, zu Boden sinkt. Erst nach einigen kostbaren
Augenblicken gelingt es vorwärts zu kommen; aber die rechte Wucht des An¬
griffs ist mit der Stockung verloren gegangen, die Soldaten gelangen statt in
fest geschlossener Masse in kleineren Abtheilungen ein die Schanze, aus der
Bajonnetattake wird ein nutzloses Schießen auf einen halb unsichtbaren Feind,
der uns dafür um so sicherer aufs Korn nehmen kann, da wir nirgends
Deckung haben. Rasch hat überdies der umsichtige Führer der Dänen seine
Verstärkungen auf den bedrohten Punkt geworfen, und nun entwickelt sich auf
engstem Raume, noch jetzt die "blutige Ecke" genannt, ein vierstündiges heftiges
Gefecht, in welchem das Bataillon volle zwei Drittheile seiner Offiziere und



Wir entsprechen diesem Wunsche und sagen: und der nun da ist, wohin Leute seiner
A D. Red. rt gehören.
Grenzboten II, 18V5. 24

Neigung, uns zu begleiten. Unter ihnen befand sich Herr Heinrich von Gagern,
der drei Jahre vorher in der Paulskirche den vielgerühmten „kühnen Griff"
gethan hatte und der nun — der Herr Doctor werden ersucht, die Periode
zum Abschluß zu bringen.*)

Das Geschick wollte oder vielmehr das Ungeschick unsrer Führer bewirkte,
daß der Sturm auch diesmal viele Leute kostete und dennoch mißlang. Gerade
an der Stelle, wo unsre Colonne in den wirksamen Bereich des feindlichen
Feuers trat, stieß sie auf ein Hinderniß, welches bei einiger Umsicht gar leicht
hätte vorher aus dem Wege geräumt werden können und müssen, weil meines
Erachtens daraus die letzte Chance für ein Gelingen des Sturmes beruhte.
Zum Schutze unsrer Kanonen war nämlich der Weg in seiner ganzen Breite
durch eine Reihe großer Schanzkörbe gesperrt und nur eine schmale, schlüpfrige
Oeffnung hart am Eiderufer frei gelassen. Hier angelangt, mußte die Colonne
steh in Reihen setzen und auf der andern Seite wieder in Sectionen auf-
marschiren, ein Manöver, welches schon auf dem Exercierplatze nicht selten An¬
laß zu Stockung und Unordnung giebt. Hauptmann Bärens, der die Jäger
führte, kam ohne Verlust hindurch, drang rasch bis zur Schanze vor und fand
dieselbe nur schwach besetzt, indem der Feind sich wahrscheinlich durch das An¬
stürmen der erwähnten drei anderen Sturmcolonnen hatte täuschen lassen.
Wie, wenn das Bataillon, dicht geschlossen den Jägern mit gefälltem Bajonnet
auf dem Fuße nachgefolgt wäre? Als aber die Spitze herankam, schlugen schon
die Kartätschen mit erschreckender Sicherheit (die Dänen kannten die Distancen
ganz genau) in die schmale Oeffnung hinein, welche alsbald von den Körpern
der Getroffenen angefüllt und versperrt war, während andere Rotten in die
Eider stürzten. Verzweifelte Situation, wenn man um sich blickte! Schwer
Verwundet liegt Hauptmann Basson aus der andern Seite der Oeffnung,
während der Führer der dritten Compagnie, Hauptmann Ehrhardt, weiter zurück,
eben durch den Kopf geschossen, zu Boden sinkt. Erst nach einigen kostbaren
Augenblicken gelingt es vorwärts zu kommen; aber die rechte Wucht des An¬
griffs ist mit der Stockung verloren gegangen, die Soldaten gelangen statt in
fest geschlossener Masse in kleineren Abtheilungen ein die Schanze, aus der
Bajonnetattake wird ein nutzloses Schießen auf einen halb unsichtbaren Feind,
der uns dafür um so sicherer aufs Korn nehmen kann, da wir nirgends
Deckung haben. Rasch hat überdies der umsichtige Führer der Dänen seine
Verstärkungen auf den bedrohten Punkt geworfen, und nun entwickelt sich auf
engstem Raume, noch jetzt die „blutige Ecke" genannt, ein vierstündiges heftiges
Gefecht, in welchem das Bataillon volle zwei Drittheile seiner Offiziere und



Wir entsprechen diesem Wunsche und sagen: und der nun da ist, wohin Leute seiner
A D. Red. rt gehören.
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[0199] Neigung, uns zu begleiten. Unter ihnen befand sich Herr Heinrich von Gagern, der drei Jahre vorher in der Paulskirche den vielgerühmten „kühnen Griff" gethan hatte und der nun — der Herr Doctor werden ersucht, die Periode zum Abschluß zu bringen.*) Das Geschick wollte oder vielmehr das Ungeschick unsrer Führer bewirkte, daß der Sturm auch diesmal viele Leute kostete und dennoch mißlang. Gerade an der Stelle, wo unsre Colonne in den wirksamen Bereich des feindlichen Feuers trat, stieß sie auf ein Hinderniß, welches bei einiger Umsicht gar leicht hätte vorher aus dem Wege geräumt werden können und müssen, weil meines Erachtens daraus die letzte Chance für ein Gelingen des Sturmes beruhte. Zum Schutze unsrer Kanonen war nämlich der Weg in seiner ganzen Breite durch eine Reihe großer Schanzkörbe gesperrt und nur eine schmale, schlüpfrige Oeffnung hart am Eiderufer frei gelassen. Hier angelangt, mußte die Colonne steh in Reihen setzen und auf der andern Seite wieder in Sectionen auf- marschiren, ein Manöver, welches schon auf dem Exercierplatze nicht selten An¬ laß zu Stockung und Unordnung giebt. Hauptmann Bärens, der die Jäger führte, kam ohne Verlust hindurch, drang rasch bis zur Schanze vor und fand dieselbe nur schwach besetzt, indem der Feind sich wahrscheinlich durch das An¬ stürmen der erwähnten drei anderen Sturmcolonnen hatte täuschen lassen. Wie, wenn das Bataillon, dicht geschlossen den Jägern mit gefälltem Bajonnet auf dem Fuße nachgefolgt wäre? Als aber die Spitze herankam, schlugen schon die Kartätschen mit erschreckender Sicherheit (die Dänen kannten die Distancen ganz genau) in die schmale Oeffnung hinein, welche alsbald von den Körpern der Getroffenen angefüllt und versperrt war, während andere Rotten in die Eider stürzten. Verzweifelte Situation, wenn man um sich blickte! Schwer Verwundet liegt Hauptmann Basson aus der andern Seite der Oeffnung, während der Führer der dritten Compagnie, Hauptmann Ehrhardt, weiter zurück, eben durch den Kopf geschossen, zu Boden sinkt. Erst nach einigen kostbaren Augenblicken gelingt es vorwärts zu kommen; aber die rechte Wucht des An¬ griffs ist mit der Stockung verloren gegangen, die Soldaten gelangen statt in fest geschlossener Masse in kleineren Abtheilungen ein die Schanze, aus der Bajonnetattake wird ein nutzloses Schießen auf einen halb unsichtbaren Feind, der uns dafür um so sicherer aufs Korn nehmen kann, da wir nirgends Deckung haben. Rasch hat überdies der umsichtige Führer der Dänen seine Verstärkungen auf den bedrohten Punkt geworfen, und nun entwickelt sich auf engstem Raume, noch jetzt die „blutige Ecke" genannt, ein vierstündiges heftiges Gefecht, in welchem das Bataillon volle zwei Drittheile seiner Offiziere und Wir entsprechen diesem Wunsche und sagen: und der nun da ist, wohin Leute seiner A D. Red. rt gehören. Grenzboten II, 18V5. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/199>, abgerufen am 26.06.2024.