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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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in der Wasserlinie bedarf. Diese Breite genügt beinahe, um drei der größten
Dampfschiffe neben einander aufzunehmen, während es doch offenbar ausreicht,
wenn zwei solche (überhaupt nur in geringer Zahl vorkommende) Fahrzeuge
sich bei der Begegnung ausweichen können. Aber auch für letzteren Zweck ist
es nicht erforderlich, daß der ganze Kanal eine Breite von mehr als zwei dieser
Schiffe habe, sondern es würde genügen, wenn -- ähnlich den Eisenbahnen
mit ihren Weichestellen -- der Kanal nur an einer Anzahl von Punkten Er¬
weiterungen hätte. Durch telegraphische Benachrichtigung von dem Eintritt
besonders großer Schiffe in die Kanalmündungen würde es sich immer leicht
einrichten lassen, daß die Begegnung an einer dieser breiteren Stellen stattfände.

Daß durch eine solche Modification der Verhältnisse des Kanales eine höchst
beträchtliche Ersparnis; erzielt werden würde, liegt auf der Hand, da hierdurch
gerade der kostspieligste Theil aller Arbeiten, die Erdbewegung, auf welche über
40 Procent der ganzen Bausumme zu verwenden sind, um ungefähr ein Drittel
vermindert wird. Hiernach ist dem Verfasser der Denkschrift "unzweifelhaft,
daß es unter allen Umständen thunlich sein wird, die Kosten für den Bau inner¬
halb der Grenzen zu halten, welche eine Rentabilität sichern, also innerhalb
20 Millionen Thalern, daß es aber sogar möglich ist, durch die angeführte,
den Werth des Kanals nicht beinträchtigende Modification der Bauausführung
zu noch günstigeren Bedingungen zu gelangen, als vorstehender Rentabilitätsbe¬
rechnung zu Grunde gelegt sind."

Und nun lassen wir die Denkschrift sich noch über die Beziehung des
Kanals zum Staate äußern.

Der Kanal der Kieler würde nach dem Vorstehenden ein Werk sein, zu
dessen Ausführung die Beihilfe des Staates nicht oder nur vorübergehend und
in sehr mäßiger Weise erforderlich wäre, und es würde somit keine Schwierig¬
keiten haben, das für das Unternehmen nothwendige Capital durch Actienzeich-
nung zu beschaffen. Indeß sprechen verschiedene Gründe dafür, daß es besser
sein würde, der Staat nähme den Bau des Kanales in die Hand.

Der Kanal ist für die Machtstellung Deutschlands in Norden und seine
maritime Entwickelung mindestens ebenso wichtig als für den allgemeinen
Handelsverkehr. So darf der Staat (natürlich Preußen; denn von einer Macht¬
stellung des deutschen Bundes kann unter heutigen Verhältnissen im Ernst
nicht die Rede sein, und einen etwaigen Staat Schleswig-Holstein möchten
wir noch weniger zum Hüter der Machtstellung Deutschlands im Norden bestellt
sehen) den Kanal nicht der bloßen Aufsicht einer Privatgesellschaft überlassen,
sondern muß sich das oberste Dispositionsrccht über die Benutzung der neuen
Wasserstraße vorbehalten. Daß aber hierdurch bisweilen Conflicte zwischen den
Interessen des Staates und den pecuniären Interessen der Actionäre entstehen
werden, leidet kaum einen Zweifel, und nichts weniger als leicht wird es sein,


Grenzboten it. 18VS. ig

in der Wasserlinie bedarf. Diese Breite genügt beinahe, um drei der größten
Dampfschiffe neben einander aufzunehmen, während es doch offenbar ausreicht,
wenn zwei solche (überhaupt nur in geringer Zahl vorkommende) Fahrzeuge
sich bei der Begegnung ausweichen können. Aber auch für letzteren Zweck ist
es nicht erforderlich, daß der ganze Kanal eine Breite von mehr als zwei dieser
Schiffe habe, sondern es würde genügen, wenn — ähnlich den Eisenbahnen
mit ihren Weichestellen — der Kanal nur an einer Anzahl von Punkten Er¬
weiterungen hätte. Durch telegraphische Benachrichtigung von dem Eintritt
besonders großer Schiffe in die Kanalmündungen würde es sich immer leicht
einrichten lassen, daß die Begegnung an einer dieser breiteren Stellen stattfände.

Daß durch eine solche Modification der Verhältnisse des Kanales eine höchst
beträchtliche Ersparnis; erzielt werden würde, liegt auf der Hand, da hierdurch
gerade der kostspieligste Theil aller Arbeiten, die Erdbewegung, auf welche über
40 Procent der ganzen Bausumme zu verwenden sind, um ungefähr ein Drittel
vermindert wird. Hiernach ist dem Verfasser der Denkschrift „unzweifelhaft,
daß es unter allen Umständen thunlich sein wird, die Kosten für den Bau inner¬
halb der Grenzen zu halten, welche eine Rentabilität sichern, also innerhalb
20 Millionen Thalern, daß es aber sogar möglich ist, durch die angeführte,
den Werth des Kanals nicht beinträchtigende Modification der Bauausführung
zu noch günstigeren Bedingungen zu gelangen, als vorstehender Rentabilitätsbe¬
rechnung zu Grunde gelegt sind."

Und nun lassen wir die Denkschrift sich noch über die Beziehung des
Kanals zum Staate äußern.

Der Kanal der Kieler würde nach dem Vorstehenden ein Werk sein, zu
dessen Ausführung die Beihilfe des Staates nicht oder nur vorübergehend und
in sehr mäßiger Weise erforderlich wäre, und es würde somit keine Schwierig¬
keiten haben, das für das Unternehmen nothwendige Capital durch Actienzeich-
nung zu beschaffen. Indeß sprechen verschiedene Gründe dafür, daß es besser
sein würde, der Staat nähme den Bau des Kanales in die Hand.

Der Kanal ist für die Machtstellung Deutschlands in Norden und seine
maritime Entwickelung mindestens ebenso wichtig als für den allgemeinen
Handelsverkehr. So darf der Staat (natürlich Preußen; denn von einer Macht¬
stellung des deutschen Bundes kann unter heutigen Verhältnissen im Ernst
nicht die Rede sein, und einen etwaigen Staat Schleswig-Holstein möchten
wir noch weniger zum Hüter der Machtstellung Deutschlands im Norden bestellt
sehen) den Kanal nicht der bloßen Aufsicht einer Privatgesellschaft überlassen,
sondern muß sich das oberste Dispositionsrccht über die Benutzung der neuen
Wasserstraße vorbehalten. Daß aber hierdurch bisweilen Conflicte zwischen den
Interessen des Staates und den pecuniären Interessen der Actionäre entstehen
werden, leidet kaum einen Zweifel, und nichts weniger als leicht wird es sein,


Grenzboten it. 18VS. ig
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/157>, abgerufen am 26.06.2024.