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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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welche im Verein mit den weiß ausgeschabten Lichtern der übergedruckten Ton¬
platte einen bei der großen Einfachheit der Mittel überraschenden Effect kör¬
perlich plastischer Rundung hervorbrachten. Allgemein verbreitet und be¬
kannt, an den Zimmerwärter jeder aus jener Zeit herüberragenden ge¬
bildeten berliner Familie heute noch in Glas und Nahmen, ist so ausgeführt
die friesartige Komposition Kloebers, "die Ernte", nach dem eigenen Bilde
im Auftrage des Kunstvereins gezeichnet. Es ist wie alle seine Darstellungen
solcher der natürlichen Wirklichkeit ursprünglich entlehnten Vorgänge doch weit
mehr ein ideales Bild einer Ernte, "die sich nie und nirgends hat begeben",
als in dem goldenen Zeitalter, "von dem die Dichter singen"; aber andererseits
doch nicht ganz in das Costüm eines solchen gekleidet; halb südlich, halb antik
und dann wieder gleichzeitig an moderne Realität anklingend (trägt doch die
Mehrzahl der Männer auf dem Bilde Hosen auf den Beinen), und trotzdem
ein Ganzes von bezwingender Anmuth, natürlicher Schönheit und Fülle, das
den poetischen Eindruck der erquickenden Frische und des freigebig spendenden
üppigen Reichthums einer ursprünglichen Welt, den malerischen von mäch¬
tiger Mittagsonnengluth und lockender Schattenkühle unter breitem Laubdach
in so voller Stärke hervorruft, wie ihn der Künstler beabsichtigte. Von solchen
Steinzeichnungen mit breiter Feder ist dann noch der prächtige Maskenzug, die
großen Künstler alter Zeiten und Völker schildernd, zu nennen, den er gelegent¬
lich der Stiftungsfeier des älteren berliner Künstlervereins ausführte, und jene
Schmückung des "Letzten Willens" Friedrich Wilhelms des Dritten, mit welcher
ausgestattet eine der vielen Ausgaben dieses eigenthümlichen Documents im
Jahre 1840 erschien.

An Oelbildern folgte 1837 auf jene "Ernte" der "Huon bei den Hirten"
nach Wielands Oberon. Was dem streng romantisch an Düsseldorf und
München geschulten Geschmack in dieser Auffassung mittelalterlichen Paladinen-
thums nicht behagen wollte, gereichte dem Bilde im Grunde?zum Lobe. Es
erschien so völlig einem dem wielandischen nah verwandten Geist entsprungen.
Die heitre Freiheit, mit welcher es den romantisch ritterlichen Helden behandelte,
war von ironischer Färbung nicht ganz frei. Malerisch und technisch gehörte
es, soweit ich mich des damaligen Eindrucks noch entsinnen kann, nicht zu
den durcbgeführtesten Bildern Kloebers. Desto unbedingterer Preis auch in
dieser Hinsicht, wie nach jeder anderen künstlerischen Seite hin verdiente und
verdient beut noch das im Jahre darauf gemalte "Jubal, der Erfinder der
Flöte" Es ist eine der schönsten malerischen Perlen der ehemaligen wagnerschen
jetzt "National-Galerie"; .voll sonnig klarer, idyllischer Poesie, voll glücklicher
naiver Heiterkeit in der Komposition, ist es ein eben solches Meisterstück des
ComponirensIn den Raum des kreisrunden Medaillons, wie der Malerei und


welche im Verein mit den weiß ausgeschabten Lichtern der übergedruckten Ton¬
platte einen bei der großen Einfachheit der Mittel überraschenden Effect kör¬
perlich plastischer Rundung hervorbrachten. Allgemein verbreitet und be¬
kannt, an den Zimmerwärter jeder aus jener Zeit herüberragenden ge¬
bildeten berliner Familie heute noch in Glas und Nahmen, ist so ausgeführt
die friesartige Komposition Kloebers, „die Ernte", nach dem eigenen Bilde
im Auftrage des Kunstvereins gezeichnet. Es ist wie alle seine Darstellungen
solcher der natürlichen Wirklichkeit ursprünglich entlehnten Vorgänge doch weit
mehr ein ideales Bild einer Ernte, „die sich nie und nirgends hat begeben",
als in dem goldenen Zeitalter, „von dem die Dichter singen"; aber andererseits
doch nicht ganz in das Costüm eines solchen gekleidet; halb südlich, halb antik
und dann wieder gleichzeitig an moderne Realität anklingend (trägt doch die
Mehrzahl der Männer auf dem Bilde Hosen auf den Beinen), und trotzdem
ein Ganzes von bezwingender Anmuth, natürlicher Schönheit und Fülle, das
den poetischen Eindruck der erquickenden Frische und des freigebig spendenden
üppigen Reichthums einer ursprünglichen Welt, den malerischen von mäch¬
tiger Mittagsonnengluth und lockender Schattenkühle unter breitem Laubdach
in so voller Stärke hervorruft, wie ihn der Künstler beabsichtigte. Von solchen
Steinzeichnungen mit breiter Feder ist dann noch der prächtige Maskenzug, die
großen Künstler alter Zeiten und Völker schildernd, zu nennen, den er gelegent¬
lich der Stiftungsfeier des älteren berliner Künstlervereins ausführte, und jene
Schmückung des „Letzten Willens" Friedrich Wilhelms des Dritten, mit welcher
ausgestattet eine der vielen Ausgaben dieses eigenthümlichen Documents im
Jahre 1840 erschien.

An Oelbildern folgte 1837 auf jene „Ernte" der „Huon bei den Hirten"
nach Wielands Oberon. Was dem streng romantisch an Düsseldorf und
München geschulten Geschmack in dieser Auffassung mittelalterlichen Paladinen-
thums nicht behagen wollte, gereichte dem Bilde im Grunde?zum Lobe. Es
erschien so völlig einem dem wielandischen nah verwandten Geist entsprungen.
Die heitre Freiheit, mit welcher es den romantisch ritterlichen Helden behandelte,
war von ironischer Färbung nicht ganz frei. Malerisch und technisch gehörte
es, soweit ich mich des damaligen Eindrucks noch entsinnen kann, nicht zu
den durcbgeführtesten Bildern Kloebers. Desto unbedingterer Preis auch in
dieser Hinsicht, wie nach jeder anderen künstlerischen Seite hin verdiente und
verdient beut noch das im Jahre darauf gemalte „Jubal, der Erfinder der
Flöte" Es ist eine der schönsten malerischen Perlen der ehemaligen wagnerschen
jetzt „National-Galerie"; .voll sonnig klarer, idyllischer Poesie, voll glücklicher
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/547>, abgerufen am 23.07.2024.