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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Sofern diese nicht etwas anderes festsetzen, betragen die Stipendien jährlich
jedes 50 Thlr. Die unbenannten werden auf zwei Jahre verliehen und von
ihnen werden so viele gebildet als der Stand der Stipendienkasse es erlaubt.
Aus den Fonds der sämmtlichen Stipendien älterer und neuerer Stiftung ist
eine "akademische Stipendienkasse" gebildet, auf welche an benannten Stipen¬
dien 12 radicirt sind. Außer den unter akademischer Verwaltung stehenden
Stipendien gibt es noch andere zum Theil sehr ansehnliche, deren Verwaltung
und Collationsrecht theils dem Engeren Ausschuß von Ritter - und Landschaft,
theils den Inhabern gewisser akademischer Aemter, theils städtischen Behörden,
theils einzelnen Familien oder Privaten zusteht. Auch das Ministerium für
Unterrichtsangelegenheiten verfügt noch über 6 Stipendien. Das akademische
Convict hat 33 Stellen, jede im Betrage von 24 Thlr. jährlich, und wird in
der Regel auf 4 Semester verliehen. Mit dem durch Herabsetzung des Couplets
erzielten Ueberschusse wurde das Institut der jährlichen Preisveriheilung be¬
gründet und dafür die Summe von 480 Thlr. jährlich bestimmt. Jede der
vier Facultäten schreibt eine Preisaufgabe aus; eine fünfte, philologische,
wird von den Decanen der vier Facultäten unter Mitwirkung des Professors
der classischen Literatur und Beredsamkeit aufgestellt. Die Bewerbung pflegt
jedoch eine spärliche zu sein, was indeß kaum zu beklagen sein möchte, da
das ganze Institut der Preisaufgaben überall, wo es als Reizmittel für Stu-
dirende angewandt wird, seine großen Bedenken und selbst Gefahren zu
haben scheint.

Die Aussicht auf das am Ende der Studienzeit bevorstehende Examen
hält namentlich die älteren Studirenden an ihren Fachstudien so fest, daß sie
sich gegen alles abschließen, was ihnen nicht zur Vorbereitung auf die Prüfung
unmittelbar förderlich erscheint; und auch die jüngere Generation der Studi¬
renden verthut sich selten über den Kreis der Fachcollegien hinaus, weshalb
denn die außerhalb desselben belegenen Studien, Geschichte, Sprachkunde,
Volkswirthschaft u. s. w., große Vernachlässigung erfahren. Die Professoren
dieser Fächer wissen davon zu sagen, wie viele Zeit ihnen die Studenten
zur Beschäftigung mit literarischen Arbeiten gönnen. Aus der angegebenen
Ursache trägt auch das gesellige Leben der Studenten schon manches Philister¬
hafte an sich; äußerlich sind die Studenten kaum als solche zu erkennen und
von dem beweglichen, fröhlichen, jugendlichen Leben und Treiben, welches aus
anderen Universitäten unter ihnen heimisch ist, gewahrt man in Rostock nichts.
Es fehlt an dem Sinn für Gemeinschaftlichkeit und Vereinigung. Alles zer¬
fällt in kleinere Gruppen und Zirkel, zum Theil nach Facultäten, zum Theil nach
früheren Bekanntschaften von der Schule und von andern Universitäten her,
in neuerer Zeit auch nach Ständen, indem der zahlreicher als früher sich ein¬
findende Adel mit einigen begüterten Commilitoren bürgerlicher Herkunft sich


Sofern diese nicht etwas anderes festsetzen, betragen die Stipendien jährlich
jedes 50 Thlr. Die unbenannten werden auf zwei Jahre verliehen und von
ihnen werden so viele gebildet als der Stand der Stipendienkasse es erlaubt.
Aus den Fonds der sämmtlichen Stipendien älterer und neuerer Stiftung ist
eine „akademische Stipendienkasse" gebildet, auf welche an benannten Stipen¬
dien 12 radicirt sind. Außer den unter akademischer Verwaltung stehenden
Stipendien gibt es noch andere zum Theil sehr ansehnliche, deren Verwaltung
und Collationsrecht theils dem Engeren Ausschuß von Ritter - und Landschaft,
theils den Inhabern gewisser akademischer Aemter, theils städtischen Behörden,
theils einzelnen Familien oder Privaten zusteht. Auch das Ministerium für
Unterrichtsangelegenheiten verfügt noch über 6 Stipendien. Das akademische
Convict hat 33 Stellen, jede im Betrage von 24 Thlr. jährlich, und wird in
der Regel auf 4 Semester verliehen. Mit dem durch Herabsetzung des Couplets
erzielten Ueberschusse wurde das Institut der jährlichen Preisveriheilung be¬
gründet und dafür die Summe von 480 Thlr. jährlich bestimmt. Jede der
vier Facultäten schreibt eine Preisaufgabe aus; eine fünfte, philologische,
wird von den Decanen der vier Facultäten unter Mitwirkung des Professors
der classischen Literatur und Beredsamkeit aufgestellt. Die Bewerbung pflegt
jedoch eine spärliche zu sein, was indeß kaum zu beklagen sein möchte, da
das ganze Institut der Preisaufgaben überall, wo es als Reizmittel für Stu-
dirende angewandt wird, seine großen Bedenken und selbst Gefahren zu
haben scheint.

Die Aussicht auf das am Ende der Studienzeit bevorstehende Examen
hält namentlich die älteren Studirenden an ihren Fachstudien so fest, daß sie
sich gegen alles abschließen, was ihnen nicht zur Vorbereitung auf die Prüfung
unmittelbar förderlich erscheint; und auch die jüngere Generation der Studi¬
renden verthut sich selten über den Kreis der Fachcollegien hinaus, weshalb
denn die außerhalb desselben belegenen Studien, Geschichte, Sprachkunde,
Volkswirthschaft u. s. w., große Vernachlässigung erfahren. Die Professoren
dieser Fächer wissen davon zu sagen, wie viele Zeit ihnen die Studenten
zur Beschäftigung mit literarischen Arbeiten gönnen. Aus der angegebenen
Ursache trägt auch das gesellige Leben der Studenten schon manches Philister¬
hafte an sich; äußerlich sind die Studenten kaum als solche zu erkennen und
von dem beweglichen, fröhlichen, jugendlichen Leben und Treiben, welches aus
anderen Universitäten unter ihnen heimisch ist, gewahrt man in Rostock nichts.
Es fehlt an dem Sinn für Gemeinschaftlichkeit und Vereinigung. Alles zer¬
fällt in kleinere Gruppen und Zirkel, zum Theil nach Facultäten, zum Theil nach
früheren Bekanntschaften von der Schule und von andern Universitäten her,
in neuerer Zeit auch nach Ständen, indem der zahlreicher als früher sich ein¬
findende Adel mit einigen begüterten Commilitoren bürgerlicher Herkunft sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/539>, abgerufen am 23.07.2024.