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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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wenigstens ein Jahr in Rostock studiren sollten, Einiges zur Aufrechthaltung
des Besuchs. Indessen wurde im Juli 1831 diese traurige Schutzmaßregel für
die Juristen gänzlich aufgehoben, für die Theologen auf die Verpflichtung zu
einem einjährigen Studium in Rostock beschränkt. Im Jahre 1831 zählte man
noch 145 Studenten, im Jahre 1833. nachdem inzwischen auch der Ausbruch
der Cholera viele verscheucht hatte, nur noch 70. In den nächstfolgenden
Jahren bewegte sich die Zahl um 100 herum, im Jahre 18SS betrug sie 91,
hob sich aber von da an wieder auf 129 im Jahre 18S9, und im Sommer
1864 auf 180. Von letzteren studirten 43 Theologie, S2 Rechte. 33 Medicin;
die übrigen 22 vertheilten sich in kleinen Ziffern auf die Fächer der Philosophie,
Philologie, Notariatswissenschaft, Chirurgie, Thierarzneikunde, Pharmacie,
O ekvnomie und Forstwissenschaft, und 12 von diesen 22 (meistens Pharmaceuten)
waren nur zum Besuch der Vorlesungen berechtigt, ohne immatriculirt zu sein
und unter akademischer Gerichtsbarkeit zu stehen. Mit Ausnahme von vier
slowakischen Theologen aus Ungarn, welche mit Hilfe von Stipendien und
Unterstützungen in Rostock die lutherische Rechtgläubigkeit sich aneignen, um sie
demnächst wieder in ihr Vaterland zu verpflanzen, sowie von sechs Apotheker¬
gehilfen aus fremden deutschen Staaten, waren sämmtliche Studirende mecklen¬
burgische, und zwar bis aus vier Mecklenburg-Strelitzer mecklenburg-schwerinsche
Landesangehörige, so daß die rostocker Universität auch in dem Sinne, daß sie
fast lediglich von Landeskindern besucht wird, den Namen einer Landesuniver¬
sität mit vollem Rechte führt. Es ist bei den Studenten darin umgekehrt wie
bei den Docenten, welche fast sämmtlich Auswärtige sind. Die große Mehr¬
zahl der Mecklenburg-Strelitzer, aber auch fast die Hälfte der Mecklenburg-
Schweriner, welche sich dem Universitätsstudium widmen, ist jederzeit auf aus¬
wärtigen Universitäten zu suchen. Nach einer im letzten Winter aufgenommenen
Uebersicht studirten 148 Mecklenburger auf anderen Universitäten, 135 in Rostock.
Unter ersteren befanden sich 114 Schweriner und 34 Strelitzer, unter letzteren
131 Schweriner und 4 Strelitzer. Die außerhalb Landes studirenden Forst¬
akademiker und Techniker sind in diesen Zahlen nicht einbegriffen.

Ohne Zweifel würde man rücksichtlich des Besuchs der rostocker Universität
auch von Seiten der Landesangehörigen noch weit geringere Zahlen zu regi-
striren haben, wenn nicht zwei Umstände auf die Heranziehung derselben Ein¬
fluß übten: der nahe liegende und sehr begründete Wunsch der Studirenden,
mit den Systemen und Ansichten der Mitglieder der Prüfungsbehörden, zu
welchen in jedem Fache Professoren gehören, eine vorgängige nähere Bekannt¬
schaft zu erwerben, sodann die zahlreichen akademischen Stipendien und Com-
plete, welche unter der Verwaltung der Universität stehen. Die Stipendien
zerfallen in benannte und unbenannte. Die ersteren führen die Namen ihrer
Stifter und unterliegen den Normen und Vorschriften der Stiftungsurkunden'


wenigstens ein Jahr in Rostock studiren sollten, Einiges zur Aufrechthaltung
des Besuchs. Indessen wurde im Juli 1831 diese traurige Schutzmaßregel für
die Juristen gänzlich aufgehoben, für die Theologen auf die Verpflichtung zu
einem einjährigen Studium in Rostock beschränkt. Im Jahre 1831 zählte man
noch 145 Studenten, im Jahre 1833. nachdem inzwischen auch der Ausbruch
der Cholera viele verscheucht hatte, nur noch 70. In den nächstfolgenden
Jahren bewegte sich die Zahl um 100 herum, im Jahre 18SS betrug sie 91,
hob sich aber von da an wieder auf 129 im Jahre 18S9, und im Sommer
1864 auf 180. Von letzteren studirten 43 Theologie, S2 Rechte. 33 Medicin;
die übrigen 22 vertheilten sich in kleinen Ziffern auf die Fächer der Philosophie,
Philologie, Notariatswissenschaft, Chirurgie, Thierarzneikunde, Pharmacie,
O ekvnomie und Forstwissenschaft, und 12 von diesen 22 (meistens Pharmaceuten)
waren nur zum Besuch der Vorlesungen berechtigt, ohne immatriculirt zu sein
und unter akademischer Gerichtsbarkeit zu stehen. Mit Ausnahme von vier
slowakischen Theologen aus Ungarn, welche mit Hilfe von Stipendien und
Unterstützungen in Rostock die lutherische Rechtgläubigkeit sich aneignen, um sie
demnächst wieder in ihr Vaterland zu verpflanzen, sowie von sechs Apotheker¬
gehilfen aus fremden deutschen Staaten, waren sämmtliche Studirende mecklen¬
burgische, und zwar bis aus vier Mecklenburg-Strelitzer mecklenburg-schwerinsche
Landesangehörige, so daß die rostocker Universität auch in dem Sinne, daß sie
fast lediglich von Landeskindern besucht wird, den Namen einer Landesuniver¬
sität mit vollem Rechte führt. Es ist bei den Studenten darin umgekehrt wie
bei den Docenten, welche fast sämmtlich Auswärtige sind. Die große Mehr¬
zahl der Mecklenburg-Strelitzer, aber auch fast die Hälfte der Mecklenburg-
Schweriner, welche sich dem Universitätsstudium widmen, ist jederzeit auf aus¬
wärtigen Universitäten zu suchen. Nach einer im letzten Winter aufgenommenen
Uebersicht studirten 148 Mecklenburger auf anderen Universitäten, 135 in Rostock.
Unter ersteren befanden sich 114 Schweriner und 34 Strelitzer, unter letzteren
131 Schweriner und 4 Strelitzer. Die außerhalb Landes studirenden Forst¬
akademiker und Techniker sind in diesen Zahlen nicht einbegriffen.

Ohne Zweifel würde man rücksichtlich des Besuchs der rostocker Universität
auch von Seiten der Landesangehörigen noch weit geringere Zahlen zu regi-
striren haben, wenn nicht zwei Umstände auf die Heranziehung derselben Ein¬
fluß übten: der nahe liegende und sehr begründete Wunsch der Studirenden,
mit den Systemen und Ansichten der Mitglieder der Prüfungsbehörden, zu
welchen in jedem Fache Professoren gehören, eine vorgängige nähere Bekannt¬
schaft zu erwerben, sodann die zahlreichen akademischen Stipendien und Com-
plete, welche unter der Verwaltung der Universität stehen. Die Stipendien
zerfallen in benannte und unbenannte. Die ersteren führen die Namen ihrer
Stifter und unterliegen den Normen und Vorschriften der Stiftungsurkunden'


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[0538] wenigstens ein Jahr in Rostock studiren sollten, Einiges zur Aufrechthaltung des Besuchs. Indessen wurde im Juli 1831 diese traurige Schutzmaßregel für die Juristen gänzlich aufgehoben, für die Theologen auf die Verpflichtung zu einem einjährigen Studium in Rostock beschränkt. Im Jahre 1831 zählte man noch 145 Studenten, im Jahre 1833. nachdem inzwischen auch der Ausbruch der Cholera viele verscheucht hatte, nur noch 70. In den nächstfolgenden Jahren bewegte sich die Zahl um 100 herum, im Jahre 18SS betrug sie 91, hob sich aber von da an wieder auf 129 im Jahre 18S9, und im Sommer 1864 auf 180. Von letzteren studirten 43 Theologie, S2 Rechte. 33 Medicin; die übrigen 22 vertheilten sich in kleinen Ziffern auf die Fächer der Philosophie, Philologie, Notariatswissenschaft, Chirurgie, Thierarzneikunde, Pharmacie, O ekvnomie und Forstwissenschaft, und 12 von diesen 22 (meistens Pharmaceuten) waren nur zum Besuch der Vorlesungen berechtigt, ohne immatriculirt zu sein und unter akademischer Gerichtsbarkeit zu stehen. Mit Ausnahme von vier slowakischen Theologen aus Ungarn, welche mit Hilfe von Stipendien und Unterstützungen in Rostock die lutherische Rechtgläubigkeit sich aneignen, um sie demnächst wieder in ihr Vaterland zu verpflanzen, sowie von sechs Apotheker¬ gehilfen aus fremden deutschen Staaten, waren sämmtliche Studirende mecklen¬ burgische, und zwar bis aus vier Mecklenburg-Strelitzer mecklenburg-schwerinsche Landesangehörige, so daß die rostocker Universität auch in dem Sinne, daß sie fast lediglich von Landeskindern besucht wird, den Namen einer Landesuniver¬ sität mit vollem Rechte führt. Es ist bei den Studenten darin umgekehrt wie bei den Docenten, welche fast sämmtlich Auswärtige sind. Die große Mehr¬ zahl der Mecklenburg-Strelitzer, aber auch fast die Hälfte der Mecklenburg- Schweriner, welche sich dem Universitätsstudium widmen, ist jederzeit auf aus¬ wärtigen Universitäten zu suchen. Nach einer im letzten Winter aufgenommenen Uebersicht studirten 148 Mecklenburger auf anderen Universitäten, 135 in Rostock. Unter ersteren befanden sich 114 Schweriner und 34 Strelitzer, unter letzteren 131 Schweriner und 4 Strelitzer. Die außerhalb Landes studirenden Forst¬ akademiker und Techniker sind in diesen Zahlen nicht einbegriffen. Ohne Zweifel würde man rücksichtlich des Besuchs der rostocker Universität auch von Seiten der Landesangehörigen noch weit geringere Zahlen zu regi- striren haben, wenn nicht zwei Umstände auf die Heranziehung derselben Ein¬ fluß übten: der nahe liegende und sehr begründete Wunsch der Studirenden, mit den Systemen und Ansichten der Mitglieder der Prüfungsbehörden, zu welchen in jedem Fache Professoren gehören, eine vorgängige nähere Bekannt¬ schaft zu erwerben, sodann die zahlreichen akademischen Stipendien und Com- plete, welche unter der Verwaltung der Universität stehen. Die Stipendien zerfallen in benannte und unbenannte. Die ersteren führen die Namen ihrer Stifter und unterliegen den Normen und Vorschriften der Stiftungsurkunden'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/538>, abgerufen am 23.07.2024.