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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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durch Einführung einer mittelalterlichen Tracht des Rectors und der Decane,
bestehend aus Talar, Mäntelchen und Barett, wesentlich erhöhet. Veranlassung
zu dieser Neuerung gab eine Hoffcierlichkeit in Schwerin, deren Theilnehmer
nicht anders als in Uniform oder Amtstracht zugelassen werden sollten. Da
man aber im Laufe der folgenden Jahre die Erfahrung machte, daß wegen der
verschiedenen körperlichen Länge und Dicke der aufeinander folgenden Decane
die auf Unkosten der Universitätskasse angeschafften Kleidungsstücke nicht auf
den Leib eines jeden Decans gleich gut paßten, und da wohl auch kein rechter
Grund vorhanden war, weshalb nur der Rector und die Decane durch ihr
Kostüm das Mittelalter, die übrigen aber die moderne Zeit repräsentiren sollten,
so gelangte man in neuester Zeit zu dem Beschlusse, daß alle Mitglieder des
Conciliums sich mit der Amtstracht zu versehen und dieselbe bei feierlichen Ge¬
legenheiten anzulegen hätten.

Von den mit der Universität verbundenen Instituten sind bereits einzelne
gelegentlich erwähnt worden. Für die praktischen Uebungen der Studirenden
bestehen drei Seminare: für die Theologen ein homiletisch-katechetisches, für die
Studirenden der philosophischen Facultät ein philologisches und ein deutsch¬
philologisches, welches letztere anfangs unter dem Namen "philosophisch-ästhe¬
tisches" begründet ward. Die Mitglieder des homiletisch-katechetischen Seminars
predigen zu bestimmten Zeiten im Betsaal des Jungfrauenklosters und üben
sich im Katechisiren an dazu vom Wcuscnhause gestellten Knaben.

Für Medicin und Naturwissenschaften sind die erforderlichen Anstalten und
Sammlungen meistens erst von ziemlich jungem Datum oder sie haben doch
in neuerer Zeit wesentliche Umgestaltung und Verbesserung erfahren. Die
Klinik zerfällt in eine medicinische Klinik, eine medicinische Poliklinik, eine chi¬
rurgische und Augenklinik, eine ambulatorische Klinik für chirurgische und Augen¬
kranke und eine geburtshilfliche Klinik. Die medicinische und chirurgische Klinik
ist dem städtischen Krankenhaus angeschlossen; in jeder der beiden Abtheilungen
kommen jährlich 400 bis S00 Fälle zur Behandlung. Die Zwecke der Klinik
werden auch durch zwei angestellte Assistenzärzte gefördert. Die geburtshilfliche
Klinik hat durch die im Jahre 1868 eröffnete Centraihebammenanstalt eine er¬
weiterte Einrichtung erhalten. Die Anatomie nebst dem dazu gehörigen anthro-
potomischen Museum ist sehr vollständig eingerichtet und hat eine reiche Samm¬
lung von anatomischen Präparaten des menschlichen Körpers. Seit dem Jahre
1854 ist außer dem Director noch ein Prosector bei der Anstalt thätig. Die
Gesetzgebung ist bereits seit dem Jahre 1791 vielfach bemüht gewesen, das In¬
stitut mit einer genügenden Zahl von menschlichen Leichnamen zu versorgen;
doch wurden die gesetzlichen Bestimmungen, wiewohl von dem Minister noch
1854 und 1858 wiederholt eingeschärft, von den Behörden wenig beachtet und
es ist daher dem diesjährigen Landtag ein neuer Gesetzentwurf über diesen


durch Einführung einer mittelalterlichen Tracht des Rectors und der Decane,
bestehend aus Talar, Mäntelchen und Barett, wesentlich erhöhet. Veranlassung
zu dieser Neuerung gab eine Hoffcierlichkeit in Schwerin, deren Theilnehmer
nicht anders als in Uniform oder Amtstracht zugelassen werden sollten. Da
man aber im Laufe der folgenden Jahre die Erfahrung machte, daß wegen der
verschiedenen körperlichen Länge und Dicke der aufeinander folgenden Decane
die auf Unkosten der Universitätskasse angeschafften Kleidungsstücke nicht auf
den Leib eines jeden Decans gleich gut paßten, und da wohl auch kein rechter
Grund vorhanden war, weshalb nur der Rector und die Decane durch ihr
Kostüm das Mittelalter, die übrigen aber die moderne Zeit repräsentiren sollten,
so gelangte man in neuester Zeit zu dem Beschlusse, daß alle Mitglieder des
Conciliums sich mit der Amtstracht zu versehen und dieselbe bei feierlichen Ge¬
legenheiten anzulegen hätten.

Von den mit der Universität verbundenen Instituten sind bereits einzelne
gelegentlich erwähnt worden. Für die praktischen Uebungen der Studirenden
bestehen drei Seminare: für die Theologen ein homiletisch-katechetisches, für die
Studirenden der philosophischen Facultät ein philologisches und ein deutsch¬
philologisches, welches letztere anfangs unter dem Namen „philosophisch-ästhe¬
tisches" begründet ward. Die Mitglieder des homiletisch-katechetischen Seminars
predigen zu bestimmten Zeiten im Betsaal des Jungfrauenklosters und üben
sich im Katechisiren an dazu vom Wcuscnhause gestellten Knaben.

Für Medicin und Naturwissenschaften sind die erforderlichen Anstalten und
Sammlungen meistens erst von ziemlich jungem Datum oder sie haben doch
in neuerer Zeit wesentliche Umgestaltung und Verbesserung erfahren. Die
Klinik zerfällt in eine medicinische Klinik, eine medicinische Poliklinik, eine chi¬
rurgische und Augenklinik, eine ambulatorische Klinik für chirurgische und Augen¬
kranke und eine geburtshilfliche Klinik. Die medicinische und chirurgische Klinik
ist dem städtischen Krankenhaus angeschlossen; in jeder der beiden Abtheilungen
kommen jährlich 400 bis S00 Fälle zur Behandlung. Die Zwecke der Klinik
werden auch durch zwei angestellte Assistenzärzte gefördert. Die geburtshilfliche
Klinik hat durch die im Jahre 1868 eröffnete Centraihebammenanstalt eine er¬
weiterte Einrichtung erhalten. Die Anatomie nebst dem dazu gehörigen anthro-
potomischen Museum ist sehr vollständig eingerichtet und hat eine reiche Samm¬
lung von anatomischen Präparaten des menschlichen Körpers. Seit dem Jahre
1854 ist außer dem Director noch ein Prosector bei der Anstalt thätig. Die
Gesetzgebung ist bereits seit dem Jahre 1791 vielfach bemüht gewesen, das In¬
stitut mit einer genügenden Zahl von menschlichen Leichnamen zu versorgen;
doch wurden die gesetzlichen Bestimmungen, wiewohl von dem Minister noch
1854 und 1858 wiederholt eingeschärft, von den Behörden wenig beachtet und
es ist daher dem diesjährigen Landtag ein neuer Gesetzentwurf über diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/536>, abgerufen am 23.07.2024.