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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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sich aus der jüngsten Zeit jenes unglücklichen Vergleiches, mit welchem er in
dem Epithalamium zum Hochzeitstage des Großherzogs den vom Kriegsschauplatz
in Schleswig zurückgekehrten Landesherrn als Mars und dessen durchlauchtig-
sie Braut als Venus feierte, so wie jenes verzückten Posaunentons auf der
Votivtafel zum Einzuge des Großherzogs in Rostock, mit welchem er den Herr¬
scher als Verächter eitler Reden pries, ohne zu bedenken, daß er damit Regie¬
rungsgrundsätze in den Himmel erhob, nach welchen von Zeit zu Zeit Profes¬
soren der Universität ohne vorangegangenes Gehör und ohne disciplinarisches
Verfahren aus ihren Aemtern herausgesetzt werden, sobald ihre politischen oder
religiösen Ueberzeugungen das Mißfallen des Ministeriums erregen. Eine wei¬
tere bemerkenswerthe Probe seiner gelegentlichen Verirrung auf Gebiete, in
denen er nicht heimisch ist, liegt in einem Gratulationsprogramme vor, welches
er im Jahre 1833 für die dreihundertjährige Jubelfeier der Domschule zu Gü^
servo verfaßte. Hier rühmte er an der Beschäftigung mit der Wissenschaft
als etwas Gutes, daß sie den Menschen hindere, sich um die Politik zu beküm¬
mern, und begründete von diesem Gesichtspunkte aus den Satz, daß das Heil
der Fürsten in dem Gedeihen der Wissenschaft seinen Halt habe. Es heißt
zu Deutsch: "Ich meine, daß in dem Gedeihen der Wissenschaften auch das
Wohlergehen der Fürsten enthalten sei. Die Geschichte lehrt, daß die ersten
Herrscher nach Beseitigung der Republik dem Studium der Wissenschaften
ihre besondere Unterstützung habe angedeihen lassen, z. B. schon Augustus
selbst, denn da in einem gebildeten Volk der menschliche Geist nicht unthätig
verharren kann, so wirft sich nach Beseitigung der Wissenschaften als Denk¬
stoff das Denken sogleich auf die Leitung des Staats, indem das Verlangen
nach Freiheit sich einschleicht." (Literis as "zuidus co^itötur sublatis con-
tinuo us oivitÄtö aämmi8t,rg,enlg, eogitatur gliseevtL UKörts-dis äesiäerio!
- Sie.)

Durch Eleganz des Wissens wie der äußeren Form zeichnet sich der zweite
Professor der classischen Literatur, Ludwig Bachmann, aus. Er ist zugleich
Director des städtischen Gymnasiums zu Rostock, und steht schon dadurch der
Universität und den Studenten ferner. Ein gelehrter Kenner der griechischen
und römischen Literatur, der Paläographie, der Alterthümer, durch mehrmaligen
Aufenthalt in Italien mit den Monumenten der antiken Zeit aus eigener An¬
schauung bekannt geworden, weiß er gewandt und geschmackvoll in der Sprache
der römischen Dichter sich zu bewegen und dieselbe auf moderne Gelegen¬
heiten anzuwenden. Seine Hauptstudien haben sich um die griechischen Lyriker
bewegt.

Als Professor der Oekonomie und Forstwissenschaft ward vor ungefähr 40
Jahren Eduard Daniel Heinrich Becker auf den akademischen Lehrstuhl gleich¬
sam vom Pfluge, wie Cincinnatus, berufen, indem er bis dahin Pächter eines


sich aus der jüngsten Zeit jenes unglücklichen Vergleiches, mit welchem er in
dem Epithalamium zum Hochzeitstage des Großherzogs den vom Kriegsschauplatz
in Schleswig zurückgekehrten Landesherrn als Mars und dessen durchlauchtig-
sie Braut als Venus feierte, so wie jenes verzückten Posaunentons auf der
Votivtafel zum Einzuge des Großherzogs in Rostock, mit welchem er den Herr¬
scher als Verächter eitler Reden pries, ohne zu bedenken, daß er damit Regie¬
rungsgrundsätze in den Himmel erhob, nach welchen von Zeit zu Zeit Profes¬
soren der Universität ohne vorangegangenes Gehör und ohne disciplinarisches
Verfahren aus ihren Aemtern herausgesetzt werden, sobald ihre politischen oder
religiösen Ueberzeugungen das Mißfallen des Ministeriums erregen. Eine wei¬
tere bemerkenswerthe Probe seiner gelegentlichen Verirrung auf Gebiete, in
denen er nicht heimisch ist, liegt in einem Gratulationsprogramme vor, welches
er im Jahre 1833 für die dreihundertjährige Jubelfeier der Domschule zu Gü^
servo verfaßte. Hier rühmte er an der Beschäftigung mit der Wissenschaft
als etwas Gutes, daß sie den Menschen hindere, sich um die Politik zu beküm¬
mern, und begründete von diesem Gesichtspunkte aus den Satz, daß das Heil
der Fürsten in dem Gedeihen der Wissenschaft seinen Halt habe. Es heißt
zu Deutsch: „Ich meine, daß in dem Gedeihen der Wissenschaften auch das
Wohlergehen der Fürsten enthalten sei. Die Geschichte lehrt, daß die ersten
Herrscher nach Beseitigung der Republik dem Studium der Wissenschaften
ihre besondere Unterstützung habe angedeihen lassen, z. B. schon Augustus
selbst, denn da in einem gebildeten Volk der menschliche Geist nicht unthätig
verharren kann, so wirft sich nach Beseitigung der Wissenschaften als Denk¬
stoff das Denken sogleich auf die Leitung des Staats, indem das Verlangen
nach Freiheit sich einschleicht." (Literis as «zuidus co^itötur sublatis con-
tinuo us oivitÄtö aämmi8t,rg,enlg, eogitatur gliseevtL UKörts-dis äesiäerio!
- Sie.)

Durch Eleganz des Wissens wie der äußeren Form zeichnet sich der zweite
Professor der classischen Literatur, Ludwig Bachmann, aus. Er ist zugleich
Director des städtischen Gymnasiums zu Rostock, und steht schon dadurch der
Universität und den Studenten ferner. Ein gelehrter Kenner der griechischen
und römischen Literatur, der Paläographie, der Alterthümer, durch mehrmaligen
Aufenthalt in Italien mit den Monumenten der antiken Zeit aus eigener An¬
schauung bekannt geworden, weiß er gewandt und geschmackvoll in der Sprache
der römischen Dichter sich zu bewegen und dieselbe auf moderne Gelegen¬
heiten anzuwenden. Seine Hauptstudien haben sich um die griechischen Lyriker
bewegt.

Als Professor der Oekonomie und Forstwissenschaft ward vor ungefähr 40
Jahren Eduard Daniel Heinrich Becker auf den akademischen Lehrstuhl gleich¬
sam vom Pfluge, wie Cincinnatus, berufen, indem er bis dahin Pächter eines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/533>, abgerufen am 23.07.2024.